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taz: Herr Gaebler, beim Haushaltsentwurf von Schwarz-Rot hat Ihr Haus keine
Federn lassen müssen. [1][2024 und 2025 steigt die Wohnungsbauförderung von
750 Millionen auf jeweils 1,5 Milliarden]. Ist das gut angelegtes Geld?
Christian Gaebler: Auf jeden Fall! Wir wollen eine hohe Anzahl von
Wohnungen mit Sozialbindung haben. Deshalb hat die Koalition beschlossen,
das finanziell zu untersetzen. Damit wollen wir das Ziel von 5.000
geförderten Wohnungen im Jahr schaffen.
Werden private Unternehmen gefördert, fällt die Sozialbindung nach 20
Jahren weg. Könnte man mit dem Geld nicht die landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften in die Lage versetzen, diese 5.000
Sozialwohnungen zu bauen und dauerhaft zu sichern?
Mit der neuen Förderung sind 30 Jahre Bindung vorgesehen, und es sind ja
vor allem die städtischen Gesellschaften, die Sozialwohnungen bauen. Mit
einem isolierten Förderprogramm nur für sie würden wir ein
beihilferechtliches Problem bekommen. Außerdem wollen wir auch, dass die
Privaten bezahlbare Wohnungen bauen. Berlin hat gar nicht so viele
landeseigenen Grundstücke, auf denen Wohnungen in dieser Größenordnung
gebaut werden können.
Könnte man die Fördermittel auch an andere Bindungen koppeln? Der ehemalige
SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup schlägt etwa ein Verbot der
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vor.
Bei bestimmten Programmen, etwa bei der Modernisierungsförderung, machen
wir das schon. Da arbeiten wir mit Belegungsbindungen. Aber ich kann das
nicht für alle Wohnungen machen. Da hat Klaus Mindrup sicher interessante
Ideen, aber diese müssen auch rechtlich untersetzt sein. Wir können über
vieles diskutieren, aber jetzt geht es mir darum, dass zügig neue Wohnungen
gebaut werden.
Ihr Gesamtziel von 20.000 Wohnungen im Jahr werden Sie nicht erreichen.
Wir haben uns die 20.000 nicht ausgedacht. Das ist der Bedarf, der bei dem
Bevölkerungszuwachs, den wir haben, entsteht. Sie als Journalisten wären
doch die Ersten, die es kritisieren würden, wenn wir jetzt nur noch eine
Zielmarke angeben würden, die wir erreichen. Wenn ich feststelle, dass im
letzten Jahr 17.310 Wohnungen gebaut wurden, dann ist das kein Scheitern,
sondern es ist für mehrere Zehntausend Menschen ein Zuhause geschaffen
worden.
Wären diese 17.310 Wohnungen unter einer linken Bausenatorin entstanden,
würde die SPD sofort behaupten, sie sei mit ihren Zielen gescheitert.
Nein.
So lief es in der Vergangenheit doch immer.
Nein. Ich habe nie gesagt, Frau Lompscher oder Herr Scheel verhindern
Neubau.
Aber viele in Ihrer Partei haben das gesagt.
Das mag ja sein, aber Sie machen jetzt ein Interview mit mir. Frau
Lompscher und Herr Scheel haben die Wohnungen gebaut, die von den Senatoren
Müller und Geisel vorbereitet worden sind. Dass wir jetzt gewisse Einbrüche
haben, hat auch damit zu tun, dass es neben wirtschaftlichen
Schwierigkeiten auch zu wenig neue Planungen für Neubau gab. Wir arbeiten
daran, das auszugleichen. Wir müssen schneller planen und konsequenter
werden in der Umsetzung.
Ihre Parteikollegin Franziska Giffey hat sich gegen den Job als
Bausenatorin entschieden, weil man offenbar als Wirtschaftssenatorin eine
bessere Figur machen kann. Wie dankbar ist denn das Amt eines Bausenators?
Das ist Ihre These. Franziska Giffey hat sich das sicher gut überlegt. Ich
bin im Übrigen nicht nur Bausenator, sondern auch Stadtentwicklungssenator.
Es geht nicht nur um „bauen, bauen, bauen,“ sondern darum, „zuhause,
zuhause, zuhause“ zu schaffen in lebendigen Quartieren.
Gerade hat die [2][Expertenkommission festgestellt, dass das Land Wohnungen
vergesellschaften kann]. Ist das für Sie eine gute Nachricht?
Grundsätzlich ist es interessant, wenn man sagt, man kann jetzt 200.000
Wohnungen durch Vergesellschaftung in Landesbesitz bekommen. Was die
Expertenkommission nicht beantwortet hat, sind die damit verbundenen
Risiken und Nebenwirkungen.
Die da wären?
Bei der Frage der Berechnung der Entschädigung gibt es sechs
unterschiedliche Modelle. Einige sagen zwar, dass man unter Wert
entschädigen könne, aber was das genau heißt, wurde nicht benannt.
Überhaupt nicht behandelt wurden die Nebenwirkungen hinsichtlich des
Neubaus. Ohne Neubau wird man die Wohnungsnot nicht beseitigen können.
Was droht denn da? [3][Vonovia baut doch sowieso nicht].
Das ist erstens nicht richtig. Wir sind mit der Vonovia in Gesprächen. Ich
möchte ja, dass Vonovia baut. Auch gibt es noch viele andere, die bauen.
Die sagen, warum soll ich jetzt noch bauen, wenn es anschließend
vergesellschaftet wird. Das ist doch nachvollziehbar.
Das mag ja sein. Aber es gibt den Volksentscheid. Ist das nicht ein Auftrag
an Sie?
Ja, deswegen arbeiten wir an einem Rahmengesetz. Es wäre alles viel
einfacher, wenn der Volksentscheid nicht nur einen Auftrag erteilt, sondern
gleich ein Gesetz vorgelegt hätte. Das hätten wir dann überprüfen lassen
können, und dann wüssten wir, woran wir sind. Jetzt stochern wir immer noch
im Nebel, was rechtlich haltbar ist und was nicht.
Was ist denn ganz konkret das Ziel des
[4][Vergesellschaftungsrahmengesetzes]?
Es soll deutlich machen, für welche Bereiche der Daseinsvorsorge eine
Vergesellschaftung aus der Sicht des Landesgesetzgebers in Frage kommt und
welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen.
An anderer Stelle sagten Sie, das Gesetz solle Eigentümer dazu anhalten,
fair mit Mietern umzugehen. Was heißt das?
Es geht um die Frage, ob Vermieterinnen und Vermieter in einem Bereich der
Daseinsvorsorge gemeinwohlorientiert arbeiten können oder nicht. Wir werden
uns anschauen, ob es dafür Kriterien gibt. Zum Beispiel, ob die Anzahl der
Wohnungen, ab denen vergesellschaftet werden soll, bei 3.000 liegt oder
nicht. Die Kommission sagt dazu: ja, kann man machen, aber es gibt auch
noch andere Möglichkeiten.
Wann ist die Politik beim Wohnen nach der Wende mal vor die Welle gekommen?
Beim Mietendeckel vielleicht, den aber hat Karlsruhe kassiert. Jetzt ist
man wieder hinter der Welle. Wäre nicht die Vergesellschaftung eine
Möglichkeit, vor die Welle zu kommen?
Ich komme damit nicht vor die Welle, weil ich damit ein
Finanzierungsproblem habe.
Sie kriegen ja was dafür.
Aber ich finanziere das mindestens mit einer gewissen Verschuldung. Die
Frage ist doch, ob dann noch Geld für Neubau vorhanden ist.
Schauen Sie neidisch nach Wien, wo 62 Prozent der Menschen in einer
geförderten oder kommunalen Wohnung leben?
Die haben ein anderes Konzept, schon seit den 20er Jahren. Wir haben
dagegen unter Rot-Rot eine große Wohnungsbaugesellschaft aus dem Bestand
verkauft. Aber wir schöpfen in Berlin das aus, was uns die
Mietengesetzgebung ermöglicht.
Damit kriegen Sie diesen ganzen Wahnsinn doch nicht eingefangen. Oder ist
das gar nicht mehr das Ziel?
Was soll ich jetzt machen? Eine Revolution ausrufen? Wir arbeiten mit den
Mitteln, die wir haben. Den Mangel an Wohnraum beseitige ich nicht durch
Schutzvorschriften für den Bestand, sondern nur durch Neubau.
Das erzählen sozialdemokratische Bausenatoren seit 30 Jahren. Die Lage ist
nicht besser geworden.
Das stimmt nicht. Die Lage war zwischendurch entspannter. Dann hat man
aufgehört, Wohnungen zu bauen. Das war ein Fehler. Jetzt haben wir viel
Zuzug. Dass wir den Krieg in der Ukraine haben, haben Sie vielleicht
vorhergesehen, ich nicht. Dass Sie sagen, meine Vorgänger hätten nichts
gemacht, stimmt einfach nicht.
Ist es nicht eine verkürzte Problembeschreibung, alles nur auf den Mangel
an Wohnraum zu schieben? Ist das nicht auch das Problem eines
Wohnungsmarktes mit Mieten, von denen Dividenden bezahlt werden? Und einem
Mietniveau, das für viele gar nicht stemmbar ist?
Welches Mietniveau meinen Sie denn jetzt? Die 6,50 Euro bei den städtischen
Gesellschaften? Die 7,16 Euro, die wir im Durchschnitt in der Stadt haben?
Die Neuvermietungsmieten meinen wir.
Aber da sind wir doch am Punkt. Die Neuvermietungsmieten sind das, was sich
am Markt abspielt. Und aus den hohen Neuvermietungsmieten lässt sich
schlussfolgern, dass wir zu wenig Wohnungen haben. Ich verstehe nicht, dass
das bestritten wird.
Das haben wir gar nicht bestritten. Wir fragen nur, ob die Mieten, die von
Privaten verlangt werden, nicht ebenso Teil des Problems sind.
Mir jetzt zu unterstellen, ich würde nur den Neubau als Lösung des Problems
sehen, ist einfach verfehlt. Ich kann auch gerne noch einmal alles
wiederholen. Wir haben doch darüber gesprochen, dass wir alle
bundesrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um das Problem steigender
Mieten anzugehen.
Die Frage war, ob der Profitdruck privater Vermieter auch Teil des Problems
auf dem Mietenmarkt ist.
Grundsätzlich ja. Deshalb wollen wir den Anteil der Öffentlichen und
Gemeinwohlorientierten erhöhen. Durch leistbaren Wohnungsneubau der
städtischen Gesellschaften. Durch Unterstützung der Genossenschaften. Durch
Ankäufe von Beständen. Aber nicht bei allen Privaten führt der Druck durch
die Refinanzierung zu hohen Mieten. Vonovia hat diese hohen Mieten nicht.
Und wenn es mehr Wohnungen gäbe, könnte dieser Profit gar nicht gemacht
werden, weil die Nachfrage dann nicht da wäre und die Leute eine
Alternative hätten.
Architects for Future sagen, dass Deutschland und Berlin im Grunde fertig
gebaut seien. Es gebe nicht zu wenige Wohnungen, sondern ein
Verteilungsproblem. Wie könnte der ständig steigende Wohnflächenverbrauch
pro Person gesteuert werden?
Eine Stadt wie Berlin ist nie fertig gebaut. Wir regulieren ja schon bei
der Vergabe von Wohnungen mit einem Wohnberechtigungsschein. Da gilt pro
Person ein Wohnraum. Anders als in der Schweiz sehe ich hier aber keine
Rechtsgrundlage dafür, dass man den Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch
beschränkt.
Die Landeseigenen versuchen es mit dem Wohnungstausch.
Auch die Privaten, die im Bündnis dabei sind. Das läuft nicht so super. Da
muss man vielleicht noch höhere Anreize setzen. Vielleicht kann man das mit
Prämien attraktiver machen. Aber wenn Architekten sagen, wir machen nur
noch Sanierung und Umbau, das halte ich nicht für zielführend.
Zur Gemeinwohlorientierung auf dem Wohnungsmarkt gehören auch die
Genossenschaften. Da beklagen sich die einen, dass sie zu wenig Förderung
bekommen. Andere wollen Grundstücke nicht nur in Erbpacht, sondern wollen
sie auch kaufen. Das macht Schwarz-Rot in Einzelfällen nun möglich. Da
freut sich der Architekten- und Ingenieurverein (AIV), von dem es heißt, er
wolle eine Genossenschaft gründen, um zum Beispiel am [5][Molkenmarkt] zu
bauen.
Ob der AIV eine Genossenschaft gründen will, weiß ich nicht. Aber ich kann
Ihnen sagen, dass wir wollen, dass es eher etablierte Genossenschaften
sind, die Grundstücke erwerben können. Die sollten auch eine gewisse
Erfahrung mitbringen.
Das würde für den AIV nicht zutreffen.
Ich finde es keinen Skandal, dass ein Verein, der seit fast 200 Jahren
besteht, das Genossenschaftswesen wichtig findet.
Ein Verein, dessen Vorsitzender sagt, am Molkenmarkt sollen keine
landeseigenen Gesellschaften für 6,50 Euro bauen. Das sei hinausgeworfenes
Geld. Sozialwohnungen solle man lieber auf der grünen Wiese bauen.
Diese Aussage ist mir nicht bekannt und ich teile sie auch nicht. Zu Ihrer
eigentlichen Frage zu Genossenschaften: Da muss man sich anschauen, welche
Konzepte dann auf dem Tisch liegen. Es ist aber schwer denkbar, dass eine
Genossenschaft, die noch gar nicht gegründet ist, als Erste den Zuschlag
für so ein Genossenschaftsquartier bekommt.
Welchen Charakter wird denn der Molkenmarkt haben? Wird er auch vom
Wohnungsbau der Landeseigenen geprägt sein, oder soll er, wie manche das
wünschen, eher exklusiv sein?
Da wird viel spekuliert und behauptet. Warten Sie doch mal ab. Wir werten
das jetzt alles aus. Dann wird eine Charta zusammengestellt mit den
verschiedenen Erkenntnissen, die man aus den Verfahren gewonnen hat.
Wird dann die Charta eine Blaupause sein für eine weitere [6][Bebauung am
Rathausforum]? Oder bleibt das, wie vom Abgeordnetenhaus und vom Senat
bestätigt, ein Freiraum?
Es kann nicht sein, dass ständig Szenarien beschrieben werden, für die es
keine Grundlage gibt. Es gibt hier keine Pläne, das Rathausforum zu
bebauen. Wir gehen davon aus, dass es eine Freifläche bleibt. Deswegen
planen hier nicht wir, sondern die Kollegen der Senatsverwaltung für
Mobilität, Verkehr, Klima und Umweltschutz.
Sind Sie zufrieden mit den [7][Ergebnissen des Bündnisses für
Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen]? Das hat in Sachen Mieterschutz kaum
Erfolge vorzuweisen: Die meisten Vermieter verfehlen die
Wiedervermietungsquote an WBS-Berechtigte, die Härtefallregelung – keine
Mieten über 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens – wird nicht umgesetzt.
Das Bündnis hat sich vor einem Jahr gegründet. Da waren ja nicht alle
politisch begeistert. Ich finde es schon wichtig, dass das Mietenmoratorium
2022 von den großen Vermietern eingehalten worden ist, von Vonovia und
Deutsche Wohnen. Das Bündnis ist auf dem Weg.
Das Bündnis ist der Versuch, die großen Privaten an den Tisch zu holen.
[8][Wie sieht es denn mit Signa aus? Sie halten da am Letter of intent
fest.] Warum?
Signa hat mit dem Bündnis nichts zu tun. Mit dem Letter of intent hatten
wir das Ziel, Arbeitsplätze im Einzelhandelsbereich in den Kaufhäusern zu
sichern. Und auch die Kaufhausstandorte als Kaufhäuser. Das, was im Letter
of intent drinsteht, hat Signa bisher eingehalten. Dass es Zweifel gibt, ob
die dauerhaft in der Lage dazu sein werden, kann ich teilweise
nachvollziehen. Aber soll ich deswegen jetzt alles stoppen? Was wäre dann
die Konsequenz? Dass die Kaufhäuser alle zugemacht werden? Oder die
Grundstücke bleiben liegen und es passiert gar nichts mehr? Das wäre
städtebaulich nicht gut.
Auch um den Preis, dass dann zum Beispiel am Herrmannplatz eine Bauruine
stehen könnte? So wie beim Alexa am Alexanderplatz?
Das ist eine Abwägungsfrage. Wenn wir jetzt alles stoppen, könnte es
vielleicht eher zu Bauruinen kommen oder zu Leerstand. Aber ja, es ist eine
Gratwanderung.
Unterstützen Sie den Finanzsenator, wenn er sagt, wir wollen den Verkauf
des Grundstückes an [9][Monarch am Alexa] rückabwickeln?
Es ist zunächst Sache des Finanzsenators, sich die Vertragslage genau
anzuschauen. Aber wenn bestimmte Vereinbarungen getroffen sind und es
Möglichkeiten der Vertragsstrafe und der Rückabwicklung gibt, dann muss man
die auch nutzen. Sonst sagen andere, das Land Berlin meint es vielleicht
nicht so ernst. Da muss auch mal Flagge gezeigt werden.
Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betont gerne die große
Harmonie, die es in der Regierung mit der SPD gebe. Wo gibt es denn
überhaupt noch Unterschiede zwischen sozialdemokratischer
Stadtentwicklungs- und Mietenpolitik und der der Christdemokraten?
Sicher in der Frage des Umgangs mit Teilen der Privatwirtschaft und deren
Gewinnvorstellungen. Aber in der Frage der Umsetzung vieler Projekte sind
wir uns näher mit der CDU als mit Grünen und Linken. Ich will jetzt nicht
sagen, dass die alles abgelehnt haben, aber in der praktischen Umsetzung
wurde doch vieles zerredet und immer wieder in neue Schleifen geschickt. Es
war kein Gefühl dafür da, dass Zeit auch Geld ist. Die Leute in der Stadt
haben die Nase voll von endlosen Diskussionen. Es muss auch mal was fertig
werden.
18 Jul 2023
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