|
Berlin/Wolfsburg taz | Als Griselda Lara Dorantes die Tür zu ihrem
1-Raum-Apartment in einem Berliner Neubau öffnet, präsentiert sie ihr Leben
im Übergang. Vor gut einem Jahr ist die Krankenpflegerin mit 14 Jahren
Berufserfahrung über die Universitätsklinik Charité von Mexiko nach Berlin
gekommen. „Ich bin sehr zufrieden hier“, sagt sie. Nur mit der Sprache
hadere sie noch. Derzeit arbeitet Lara Dorantes im Krankenhaus Benjamin
Franklin in der Geriatrie, also einer Station, in der ältere Menschen
versorgt werden. Doch an diesem Tag Mitte Juli steht sie nicht in
Berufskleidung da, sondern in einem geblümten Overall. „Diese Wohnung ist
schön für den Anfang, aber schon sehr klein“, sagt sie.
Auf rund 20 Quadratmetern hat sich die 43-Jährige vorerst eingerichtet. Das
Apartment stellt die Charité ihr für die Anfangszeit zur Verfügung. An der
Kochnische vorbei, geht es zu einem Schreibtisch, auf der ihr Laptop steht,
rechts um die Ecke steht ihr Bett, 90 Zentimeter mal 2 Meter. Ein paar
Postkarten von europäischen Städten, die sie besucht hat, hat Lara Dorantes
aufgehängt, und Fotos von ihrer Tochter. Das Apartment erinnert
atmosphärisch an ein Studentenwohnheim, es ist klein und funktional. Nur
tummeln sich hier in den Gängen eben keine Studierenden, sondern
Pflegekräfte aus aller Welt.
Das gesamte Haus mit insgesamt 76 möblierten Apartments wurde von der
Charité angemietet, um Pflegekräfte aus dem Ausland zu rekrutieren und
ihnen eine vorläufige Bleibe zu geben. Griselda Lara Dorantes ist eine von
ihnen. Die Charité liegt damit im Trend, der sich angesichts der
grassierenden Wohnungsnot beobachten lässt: ein Comeback der
Werkswohnungen.
Andere nennen es Mitarbeiterwohnen. Denn wo selbst Beschäftigte aus der
Pflege oder dem Handwerk, die eine Stadt am Laufen halten, kaum noch
bezahlbare Wohnungen finden, wird dieses Frage zunehmend wieder in den
Chefetagen von Unternehmen diskutiert. Sie wird zum Wettbewerbsfaktor. Ohne
Wohnung keine Fachkräfte.
Für Arbeiter*innen lautet der Deal meist: Job plus günstige Wohnung.
Für Unternehmen ist es eine Möglichkeit, die Belegschaft langfristig zu
halten. Man könnte auch sagen: Sie abhängiger zu machen. Wer gibt seinen
Job schon leichtfertig auf, wenn das Zuhause daran hängt?
Dass Unternehmen sich um die Unterbringung von ihren Arbeiter*innen
kümmern, ist keine neue Idee. Zechen im Ruhrpott bauten bereits Mitte des
19. Jahrhunderts ganze Siedlungen. Eine Hochphase erlebte der
Werkswohnungsbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1970er Jahre gab es
in der alten Bundesrepublik nach Schätzungen des Verbands der
Wohnungswirtschaft GdW rund 450.000 bezahlbare Werkswohnungen. Heute sind
es nur noch etwa 100.000. Mit dem neoliberalen Zeitgeist der 1990er Jahre
verkauften viele Unternehmen ihre Bestände, um sich auf ihr Kerngeschäft zu
konzentrieren. Nicht selten sind diese jetzt in den Händen [1][großer
privater Konzerne wie Vonovia.]
„Mitarbeiterwohnen hat einen wahnsinnigen Bedeutungszuwachs erhalten und
trifft auf ein breites Interesse bei Unternehmen – und das nicht nur in
Großstädten“, sagt Simon Wieland vom Berliner Institut RegioKontext.
[2][Das Institut forscht schon lange zum Thema] und berät auch Unternehmen,
die sich dafür interessieren. Selbst politisch wurde schon auf diesen Trend
reagiert, indem es zum Jahr 2020 steuerrechtliche Anpassungen gab. „Seitdem
müssen Arbeitnehmer in der Regel keine Steuern nachzahlen, wenn der Chef
ihnen eine vergünstigte Wohnung überlässt“, erklärt Wieland.
Schon 2013 wies RegioKontext in einer Studie daraufhin, dass Werkswohnungen
mit ihren günstigen Mieten dazu beitragen, Wohnungsmärkte zu entlasten.
„Das hat Vorteile für beide Seiten“, sagt Wieland, dennoch schaffe die
Kopplung von Wohnraum an ein Arbeitsverhältnis auch eine „doppelte
Abhängigkeit“ von Job und Wohnung. Aber selbst der Deutsche Mieterbund
sieht im Werkswohnungsbau eine Möglichkeit, die Wohnungsnot etwas zu
lindern. Zudem sind nicht immer Arbeits- und Mietvertrag aneinander
gekoppelt.
Mittlerweile hat das Institut RegioKontext eine Vielzahl von Beispielen von
betrieblicher Wohnraumversorgung analysiert. Das reicht von den Stadtwerken
München bis hin zu Bäckern, die Häuser bauen, oder Hotels in teuren
Urlaubsregionen, die nicht nur ihre Gäste, sondern auch ihre
Mitarbeiter*innen beherbergen. „Es gibt sehr unterschiedliche Modelle
mit sehr unterschiedlichen Ansätzen“, sagt Wieland. Mal werde selbst
gebaut, mal gäbe es Kooperationen mit Wohnungsbaugesellschaften.
## Charité setzt bei Mitarbeiter-Wohnungen auf Kooperation
Im Februar sitzt Nagi Salaz, die Beine übereinandergeschlagen, in Berlin in
einem Verwaltungsgebäude der Charité zwischen etlichen Papierhaufen. Salaz,
selbst ausgebildeter Pfleger, leitet die Stabsstelle für Integration
Pflege, die Anfang 2023 in der Charité geschaffen wurde. Das heißt, er
rekrutiert internationale Pflegekräfte und begleitet sie in Deutschland bei
allen Prozessen bis zur Anerkennung der Berufsabschlüsse. Etwa 500 bis 550
Personen kommen pro Jahr, beispielsweise aus Mexiko, der Türkei, Brasilien
oder Indien. Das alles sind Länder, die laut Weltgesundheitsorganisation
(WHO) selbst genügend Gesundheitspersonal haben.
In Salaz’ Büro stapelt sich die Bürokratie, die für ein Ankommen der
Pflegekräfte erforderlich ist. Dazu gehört nicht nur, den Spracherwerb zu
organisieren, sondern auch: eine Wohnung zu finden. „Es ist eine
Grundvoraussetzung für die Einreise und das Prozedere, dass wir eine
Meldeadresse haben“, erklärt Salaz. Es sei deshalb schnell klar gewesen,
dass „wir für eine erfolgreiche Rekrutierung Wohnraum haben müssten“.
Doch wie macht man das in einer Großstadt wie Berlin, in der Kauf- und
Mietpreise zum Verzweifeln hoch sind?
Im Fall der Charité hieß das: Kooperationen mit städtischen
Wohnungsbaugesellschaften suchen. Insgesamt mietet die Charité in der Stadt
etwa 460 Apartments an, um sie Personal, das aus dem Ausland angeworben
wurde, für die Anfangszeit zur Verfügung zu stellen. Fest steht auch: Wenn
bis zu 550 Pflegekräfte pro Jahr kommen sollen, reicht das nicht. Das
Apartmenthaus, in dem die Pflegerin Griselda Lara Dorantes wohnt, wurde
sogar von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlinovo im
nordöstlichen Bezirk Pankow neu gebaut. Der Baustart war Ende 2021, im
August 2023 wurde es bezogen.
„Die Besonderheit ist, dass die Charité dort Generalmieter ist“, erklärt
Salaz. Die monatliche Miete wird aber von den Pflegekräften gezahlt – und
die ist nicht unbedingt ein Schnäppchen. 25 Quadratmeter kosten bis zu 700
Euro, dabei sind Möbel, Strom, Wasser und Internet inklusive. Das
Vertragsmanagement hat die Tochtergesellschaft Charité Facility Management
GmbH (CFM) übernommen. Dieser Mietvertrag ist auch an das Arbeitsverhältnis
gekoppelt. Falls es aus irgendwelchen Gründen enden sollte, gibt es
Übergangsregelungen. Aber so ein Fall sei noch nie eingetreten, sagt Salaz.
Ohnehin soll dort auf Dauer niemand wohnen bleiben. „Wir nutzen die
Apartments als Rotationsfläche“, erklärt Salaz. Nach der Anerkennung,
meist nach einem Jahr, sollen sich die Neuankömmlinge eine Wohnung auf dem
freien Markt suchen. Dafür haben sie etwa ein halbes Jahr Zeit. Die Charité
unterstützt sie dabei. „Rausgeschmissen wird niemand“, versichert Salaz.
Die Berlinovo habe ja einen großen Bestand. „Und bis jetzt haben auch alle
irgendwann etwas gefunden“, sagt er. Die Motivation sei meist auch sehr
hoch, denn viele wollten ihre Familien nachholen und dafür müsse die
Wohnung auch groß genug sein.
Auch Krankenpflegerin Griselda Lara Dorantes möchte perspektivisch mehr
Platz haben. Sie will, dass ihre 20-jährige Tochter nach Berlin zieht. Und
sie möchte auch wieder als OP-Pflegerin im Operationssaal arbeiten, wenn
ihr Deutsch sich verbessert hat. Um all das zu erreichen, muss sie zunächst
ihre Prüfungen für die Berufsanerkennung abschließen. „Dann steigen auch
meine Chancen, eine Wohnung zu finden“, hofft sie. Ob diese Rechnung für
die Pfleger*innen und die Charité aufgeht, ist unklar.
## Auch VW braucht neue Leute
Unternehmen, die wie VW über große eigene Wohnungsbestände verfügen, sind
da im Vorteil. Gleich neben dem Wolfsburger Hauptbahnhof ragen vier
Schornsteine aus Klinker in den Himmel. Das Kraftwerk mit dem VW-Firmenlogo
ist das Erkennungszeichen der Stadt. Volkswagen, Wolfsburg, Autostadt.
Ulrich Sörgel, Marketingleiter von VW Immobilien, formuliert es so: „Es
gibt eine symbiotische Verflechtung zwischen Stadt und Volkswagenwerk.“ Was
viele nicht wissen: VW ist nicht nur mit Abstand der größte Arbeitgeber in
der Stadt, sondern auch der zweitgrößte Wohnungsanbieter.
Die Stadt- und Konzerngeschichte sind eng verwoben. Das VW-Werk entstand
[3][im Mai 1938 unter den Nazis], fast zeitgleich wurde die dazugehörige
„Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ gegründet. Im Zweiten Weltkrieg
wurden im Werk vor allem Rüstungsgüter durch die Ausbeutung von
Zwangsarbeiter*innen produziert. Die Alliierten benannten die Stadt
nach Kriegsende in Wolfsburg um. Zu diesem Zeitpunkt besteht Wolfsburg
[4][vor allem aus Baracken, Lagern] und nur wenigen Wohnhäusern.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg war es von Anfang an die Idee, Wohnungen zu
schaffen für die Ansiedlung von Arbeitern hier, für den Wiederaufbau und
für das Wachstum des Werks“, erklärt Sörgel bei einem Besuch im Februar –
also noch bevor [5][VW verkündete, drei Werke zu schließen und
Arbeitsplätze abzubauen.] Für VW Immobilien hat sich damit nichts
Grundsätzliches im Geschäftsbereich geändert. Das Ziel bleibt: VW versucht,
durch Wohnraumversorgung Fachkräfte von morgen nach Wolfsburg zu locken.
Sörgel ist nicht nur Marketingleiter von VW Immobilien, sondern auch
kaufmännisch verantwortlich für die Wohnimmobilien. 1953 wurde die
gemeinnützige Volkswagen Wohnungsbaugesellschaft gegründet, erzählt er, auf
die auch die heutige Konzerntochter VW Immobilien zurückgeht. Im
Gründungsjahr der Wohnungsbaugesellschaft entstanden 1.400 Werkswohnungen
in Wolfsburg. „Die Errichtung von Werkswohnungen wurde damit zu einem
wichtigen Instrument beim Aufbau der Stammbelegschaft“, sagt Sörgel.
Heute besitzt und vermietet VW Immobilien knapp 9.500 Wohnungen in
Wolfsburg. In den 1990er Jahren habe es auch Überlegungen gegeben, sich
komplett vom Wohnimmobiliengeschäft zu trennen. An Volkswagen-Standorten
wie Emden, Hannover, Braunschweig und Baunatal bei Kassel passierte das
auch. In Wolfsburg wurde aber der Großteil erhalten.
Seit den 1990er Jahren, als die Leerstände zunahmen, vermietet VW
grundsätzlich an alle. „Ein Drittel sind heute Werksrentner, ein Drittel
aktiv Beschäftigte aus dem Konzern, ein Drittel wird auch an andere
vermietet“, erklärt Sörgel. Die Mietverträge sind also nicht an den
Arbeitsvertrag gekoppelt. VW-Mitarbeiter*innen erhalten auch keine
günstigere Miete, aber die Preise sind bezahlbar.
Die Durchschnittsmiete im gesamten VW-Bestand liegt laut
Unternehmensangaben bei 7,15 Euro pro Quadratmeter kalt – und das inklusive
der Neubauten. Aktuell liege die Leerstandsquote im VW-Bestand unter 1
Prozent. Auch wenn Wolfsburg nicht zu den teuersten Städten Deutschlands
gehört, gilt der Wohnungsmarkt als angespannt, weshalb auch [6][hier die
Mietpreisbremse] greift. Seit 2012 hat VW ein eigenes
Wohnungsneubauprogramm, mit dem bis heute rund 500 neue Mietwohnungen
entstanden sind. Die starten bei 12 Euro pro Quadratmeter. „Jetzt geht es
auch darum, Menschen, die neu nach Wolfsburg kommen, mit modernem Wohnraum
zu versorgen“, sagt Sörgel.
Dann steigt er in einen blau-weißen Firmenwagen, ein VW, elektrisch
betrieben. Sörgel möchte bei einer kleinen Stadtrundfahrt die alten und
neuen Wohnungsbestände von VW präsentieren. Bis heute ist das Wolfsburger
Stadtbild geprägt von Bauten, die ab 1950 entstanden sind. Neben jenen
mehrstöckigen typischen Gebäuden aus den 1950er und 1960er Jahren gibt es
heute auch solche, die so aufwendig erweitert und modernisiert wurden, dass
sie fast einem Neubau gleichen ebenso wie das neu gebaute fertig möblierte
Apartmenthaus für kurzfristige Aufenthalte, das eher an ein Hotel erinnert.
„Das Unternehmen steht vor einer riesigen Transformationsaufgabe oder
besser gesagt: Wir sind mittendrin,“ sagt Sörgel. Der VW-Konzern, der über
Jahrzehnte Verbrennerautos gebaut hat, muss seinen Weg in die
Elektromobilität finden. Es ist eine Mammutaufgabe, die mit großen Ängsten
einhergeht. Riesige Zulieferindustrien und Arbeitsplätze hängen daran.
„Für ein Elektroauto braucht man in der Produktion weniger Teile, weniger
Arbeitsschritte und weniger Mitarbeiter“, erklärt Sörgel. Man brauche also
einerseits Umschulungen und andererseits auch ganz neue Kompetenzen.
„Früher war das Herzstück des Autos der Verbrennungsmotor, aber jetzt ist
das neue Herzstück die Batterie.“ Nicht mehr Motorenentwickler, sondern
Softwareingenieure und Batteriefachleute seien jetzt heiß umworben. Genau
für diese Leute entsteht nun auch neuer Wohnraum. Modern, hochpreisig. „Wir
brauchen Wohnraum für die gesamte Bandbreite“, sagt Sörgel, „vom einfachen
Arbeiter bis hin zum Topmanager.“
Mit den Steimker Gärten, die Sörgel präsentiert, hat VW zum Beispiel ein
ganzes Neubauviertel initiiert. Das Viertel liegt nicht weit von der
Innenstadt entfernt, ist aber umgeben von Wald und Wiesen. Die 22 Hektar
Land, davon 17 Hektar Bauland, gehören VW. Vor Baubeginn war die Fläche an
einen Landwirt verpachtet. Aus der Vogelperspektive betrachtet sind die
Steimker Gärten ein Viertel mit hellen Bauklötzen. Streift man hindurch,
entdeckt man vierstöckige Mietwohnungskomplexe mit abgerundeten Ecken, es
gibt aber auch Eigentumswohnungen und am Rande ein paar Einfamilienhäuser.
Dazwischen wohlgepflegte Grünstreifen. „Das ganze Viertel ist natürlich
e-ready“, sagt Sörgel. Es ist also bereit für Elektromobilität mit
Ladeinfrastruktur.
Das Viertel wurde ab 2013 von VW Immobilien gemeinsam mit der Stadt
entwickelt. Eine Bäckerei, eine Kita und ein Seniorenheim gibt es bereits,
ein Supermarkt soll im kommenden Jahr öffnen. Über 1.000 von insgesamt
1.800 geplanten Wohneinheiten sind hier schon durch verschiedene Investoren
entstanden, 240 Mietwohnungen wurden davon durch VW Immobilien realisiert.
Die Nachfrage scheint da zu sein, fast alle Wohnungen sind vergeben.
## Firma Kühling baut ein Haus für Azubis um
Das Thema Mitarbeiterwohnen beschäftigt aber nicht nur Unternehmen in
Großstädten. Manchmal passt offenbar auch das Mietangebot in kleineren
Städten nicht zu dem, was gebraucht wird. Die niedersächsische Stadt
Friesoythe mit gut 23.000 Einwohner*innen scheint so ein Fall zu sein.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter lag [7][laut Zensus]
hier bei 5,71 Euro – also deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Für Auszubildende sei es dennoch „schwierig, hier Wohnraum zu finden“, sagt
Ute Sperveslage, die als Prokuristin bei der Firma Kühling arbeitet, einem
regionalen Metallbaubetrieb. „Schon seit Jahren stoßen wir an unsere
Grenzen, Lehrlinge einzustellen“, sagt sie der taz am Telefon.
Die Region sei „relativ dörflich und die angebotenen Mietwohnungen oft zu
groß und zum Teil sehr teuer“. Zumindest sei selten etwas dabei, was man
mit einem Ausbildungsgehalt bezahlen kann. Ein weiteres Problem: Der
Nahverkehr sei nicht ausreichend ausgebaut. Einfach etwas außerhalb zu
wohnen, sei deshalb schwierig. „Die jungen Auszubildenden haben oft keinen
Führerschein“, erzählt Sperveslage. Man müsse hier nicht selten Strecken
über 20 Kilometer zurücklegen. „In vielen Orten fahren die Busse aber nur
einmal am Tag“, sagt sie.
Als Heinrich Kühling, Geschäftsführer der Firma, 2014 ein Haus erbte,
entstand die Idee, das Gebäude in Wohnraum für Azubis umzuwandeln. Man habe
sich bei anderen Unternehmen in der Gegend erkundigt, ob Bedarf bestünde,
denn mit der schwierigen Azubisuche ist der Metallbaubetrieb nicht allein.
Viele bemühten sich nicht nur in der Region, sondern bereits bundesweit um
Nachwuchs. „Den jungen Leuten wird ja heutzutage gesagt, dass alle Abitur
machen und studieren müssen“, beklagt Sperveslage. Heute würde sich „ja
keiner mehr die Hände dreckig machen wollen“. Früher wohnten Azubis während
der Ausbildung häufig noch bei ihren Eltern. Wer für einen Ausbildungsplatz
aber umziehen muss, ist auf günstigen Wohnraum angewiesen.
„Wir haben das Haus komplett entkernt und neu aufgeteilt“, erzählt
Sperveslage. In dem ehemaligen Wohnhaus befinden sich seit 2018 nun eine
größere Wohnung, neun Miniapartments und zwei Wohngemeinschaften mit
jeweils drei Zimmern. Darin wohnen heute Azubis aus ganz unterschiedlichen
Branchen: etwa ein angehender Landwirt, eine Mediengestalterin,
Metallbauer, eine Rettungsassistentin. Für ein voll möbliertes
Apartmentzimmer im Azubiwohnheim zahlen die Azubis nun laut Sperveslage
eine Pauschalmiete von 420 Euro, inklusive Strom, Gas, Wasser. „Es ist kein
Luxusleben, aber das muss es ja auch nicht sein“, sagt sie.
Die meisten würden noch Berufsausbildungsbeihilfe beantragen, eine
staatliche Hilfe für Azubis, die nicht bei ihren Eltern wohnen können. Die
Mietverträge seien grundsätzlich auf die Ausbildungszeit befristet, sagt
Sperveslage. Doch trotz des Hauses bleibe die Azubisuche weiterhin schwer.
15 Nov 2024
## LINKS
|