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Berlin taz | Der Vorstoß des schwarz-roten Senats in Richtung Randbebauung
des Tempelhofer Feldes sorgt in der Opposition und bei Umweltverbänden für
scharfe Kritik und Spott. Der Sprecher der Linksfraktion für Mieten, Wohnen
und öffentlichen Wohnungsbau, Niklas Schenker, sagte, CDU und SPD bedienten
mit dieser Politik „ihre Seilschaften aus der Betonmafia, anstatt den
Vergesellschaftungs-Volksentscheid umzusetzen“. Tilmann Heuser, Landeschef
des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), sprach von einer „Shownummer“
und „Geldverschwendung“ und kündigte Widerstand gegen die Bebauungspläne
an.
Am Mittwoch bestätigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und
Wohnen, dass es bald Ernst werden soll mit einem internationalen
städtebaulichen Wettbewerb für die Nutzung der innerstädtischen Freifläche.
Man stimme dazu gerade im Senat ein Bürgerbeteiligungs-Format ab. „Im
September“ erwarte sie einen konkreten Vorschlag, sagte Senatsbaudirektorin
Petra Kahlfeldt (parteilos, für die SPD). Ziel sei es, in regelmäßigen
Treffen den Bedarf an Wohnraum und Gewerbeflächen, aber auch an Grünflächen
zu ermitteln. Dann werde man „ergebnisoffen“ darüber sprechen, „inwieweit
Teile dieser Bedarfe an den Rändern des Tempelhofer Feldes sehr verträglich
geplant und realisiert werden können“.
Zuerst hatte der Tagesspiegel unter Berufung auf einen Sprecher der
Senatsverwaltung berichtet, dass ein „Prozessvorschlag“ für einen
Ideenwettbewerb und entsprechende Beteiligungsformate entwickelt worden
sei. Dem liegt ein Passus des [1][Ende April unterzeichneten
Koalitionsvertrags] von Christ- und Sozialdemokrat:innen zugrunde:
Man werde per Wettbewerb Ideen für eine „behutsame Randbebauung in
begrenzten Teilen der Fläche“ einholen, der „weit überwiegende Teil der
Freifläche“ solle aber „bei einer klimagerechten Gesamtgestaltung für
Erholung, Freizeit, Sport und Kultur gesichert“ bleiben.
Das 2014 in Berlin per Volksentscheid verabschiedete „Gesetz zum Erhalt des
Tempelhofer Feldes“ müsste dafür novelliert oder aufgehoben werden –
derzeit schließt es, von kleineren und temporären Objekten abgesehen,
jegliche Bebauung der Fläche aus. Sakrosankt ist freilich auch ein
„Volksgesetz“ nicht. In der CDU liebäugelt man allerdings offiziell mit
einer „Volksbefragung“, um sich bei der Bevölkerung die Legitimierung dafür
zu holen.
## „Nur eine Ideensammlung“
Dass die Ausschreibung eines Wettbewerbs gegen das Gesetz im aktuellen
Wortlaut verstoßen könnte, sieht man im Haus von Bausenator Christian
Gaebler (SPD) nicht. Zwar ist im Gesetz festgelegt, dass das Land darauf
„verzichtet […] Verfügungen im Rechtssinne [vorzunehmen], die diesem Gesetz
widersprechen“. Laut Sprecher Martin Pallgen handelt es sich aber lediglich
um eine „Ideensammlung“. Anders sei es, wenn ein Wettbewerb mit einem
„Auftragsversprechen“ zur tatsächlichen Bebauung verbunden sei – „aber das
findet ja nicht statt“.
Dem Linkspartei-Abgeordneten Schenker treibt es dennoch den Puls hoch, dass
die Koalition für den städtebaulichen Wettbewerb satte 1,2 Millionen Euro
im aktuellen Haushaltsentwurf veranschlagt, davon 200.000 Euro für 2024,
die verbleibende Million für 2025. „Die Berliner:innen dürfen sich
verarscht vorkommen, wenn der Senat viel Geld für einen Wettbewerb
verschleudern will, obwohl das Tempelhofer Feld gesetzlich vor einer
Bebauung geschützt ist“, sagte der Linke-Abgeordnete der taz.
Zudem ändere eine Randbebauung nichts am eigentlichen Problem: „Wenn dort
Wohnungen gebaut werden, wären sie teuer, extrem langwierig in der
Entstehung und würden die Wohnungsnot nicht lindern.“ Das sei „Aktionismus,
um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken“. Die Freihaltung des Feldes hält
Schenker auch mit Blick auf die Klimakatastrophe für nicht verhandelbar:
„Wir werden entschieden dafür kämpfen, dass diese grüne Lunge für die Stadt
erhalten bleibt.“
Ähnlich argumentiert Katrin Schmidberger, die Expertin für Wohnen und
Mieten der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Schwarz-Rot trete mit dem
Thema einmal mehr eine „Scheindebatte“ los und tue so, als habe Berlin ein
Problem damit, Bauflächen zu finden. „Wir haben aber überhaupt kein
Flächenproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagte sie zur taz. Der
Senat solle erst einmal damit beginnen, „die Flächen zu bebauen, die längst
da sind“. Man müsse sich nur die Nicht-Fortschritte auf dem Kreuzberger
Dragoner-Areal ansehen: „Darüber reden wir seit vielen Jahren, und reden
und reden – und maßgeblich vorangegangen ist immer noch nichts.“
## Starkes Widerstandspotenzial
Für BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser geht der Senat die beim Thema
Tempelhof zentrale Frage gar nicht an: Auch 14 Jahre nach Ende des
Flugbetriebs fehlten ein Konzept und klare Aussagen zur [2][Zukunft des
riesigen Flughafengebäudes]. „Was passiert damit?“ Der Senat täte auch gut
daran, auszuwerten, „warum das Feld bei den Menschen einen so hohen
Stellenwert hat und die Politik damals mit ihren Bebauungsplänen
gescheitert ist“. Das Feld sei laut Heuser „fester Bestandteil des Lebens
von Menschen auch außerhalb des unmittelbaren Umfelds“. Deshalb erwarte er
ein starkes „Widerstandspotenzial“. Auch der BUND werde seinen Beitrag dazu
leisten.
Heuser sagte der taz, dass man zusammen mit anderen Berliner
Umweltverbänden ein Volksbegehren zum Erhalt von Grünflächen plane. Die
Abstimmung darüber könnte parallel zur regulär 2026 anstehenden nächsten
Abgeordnetenhauswahl erfolgen: „Damit der Zeitplan passt, müssen wir im
nächsten Sommer anfangen, Unterschriften zu sammeln.“
16 Aug 2023
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