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Berlin rtr/dpa/afp | [1][Bundeskanzler Olaf Scholz] schließt eine
Vertrauensabstimmung zur Einleitung von Neuwahlen auch vor Weihnachten
nicht mehr aus. „Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle,
ist für mich überhaupt kein Problem“, sagte der SPD-Politiker am
Sonntagabend in der ARD.
Allerdings machte er dies davon abhängig, dass sich SPD-Fraktionschef Rolf
Mützenich und Oppositionsführer Friedrich Merz [2][auf einen Termin
einigen]. „Ich bin damit einverstanden: Wenn sich Mützenich und Merz
einigen, daran werde ich mich orientieren“, betonte der Kanzler in der
Sendung „Caren Miosga“. „Ich klebe nicht an meinem Amt“, fügte Scholz
hinzu. Er setze aber auf eine Wiederwahl, betonte der SPD-Politiker. Der
Vorsprung der Union lasse sich aufholen.
Scholz hatte nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner und
dem [3][Bruch der Ampel-Koalition] zunächst vorgeschlagen, dass der
Bundestag am 15. Januar über die Vertrauensfrage abstimmen könnte. CDU-Chef
Merz und andere Unionspolitiker fordern dagegen, dass der Kanzler wegen der
fehlenden Mehrheit von SPD und Grünen sofort die Vertrauensfrage stellen
sollte. Sie lehnen den von Scholz und der SPD vorgeschlagenen Weg ab, dass
sich zunächst die Bundestagsfraktionen verständigen sollten, welche
laufenden Gesetzesprojekte sie noch beschließen wollten. Die Union und auch
die FDP sind dazu erst bereit, wenn Scholz den Weg zu Neuwahlen freimacht.
Zuletzt hatte es Kritik aus Union und FDP daran gegeben, dass die
[4][Bundeswahlleiter und etwa der Berliner Landeswahlleiter auf Probleme
aufmerksam gemacht hatten], wenn Neuwahlen wie von Merz gefordert schon am
19. Januar stattfinden.
## Scholz findet sich „cooler“ als Merz
Scholz begründete den Rauswurf von Finanzminister Lindner erneut mit dessen
Verhalten. Er habe drei Jahre lang versucht, das schwierige Bündnis aus
SPD, Grünen und FDP trotz früherer Provokationen zusammenzuhalten. In der
Frage des Haushalts 2025 habe Lindner dann aber auf „Rentenkürzungen“
bestanden, sagte Scholz mit Hinweis auf geforderte Änderungen an der
Rentenformel. Dies habe er nicht mittragen können. Er widersprach Lindner
zudem, dass er vom Finanzminister eine Aussetzung der Schuldenbremse
gefordert hätte. Die Schuldenbremse sehe vielmehr in besonderen Notlagen
ausdrücklich die Möglichkeit eines Überschreitensbeschlusses vor, mit dem
für bestimmte Zwecke mehr Schulden aufgenommen werden können.
Scholz nannte in diesem Zusammenhang die Ausgaben von mehr als zwölf
Milliarden Euro für die Ukraine im Haushaltsansatz. „Ich habe den Bruch
nicht provoziert“, betonte er zudem zu entsprechenden Vorwürfen des
FDP-Chefs. Er habe für Mittwochabend auch eine Rede für den Fall eines
Durchbruchs der Haushaltsgespräche vorbereitet gehabt. Der Bruch der
Ampel-Regierung hätte nicht sein müssen. Er hätte von Anderen eine andere
Kooperationsbereitschaft erwartet.
Als Erklärung zu seiner Aussage, er freue sich, dass die Union Merz als
Kanzlerkandidaten aufgestellt habe, sagte Scholz, dass er und der CDU-Chef
sich in „Charakter und Temperament“ sehr unterschieden. „Ich finde mich
etwas cooler, wenn es um Staatsangelegenheiten geht – um es mal so höflich
zu sagen.“ Mit Blick auf die veränderte Parteienlandschaft fügte der
Kanzler hinzu, dass man sich daran gewöhnen müsse, künftig vier oder fünf
Kanzlerkandidaten zu haben.
## Kritik an der Bundeswahlleiterin
Merz, der auch Kanzlerkandidat der Union ist, dringt auf den
schnellstmöglichen Termin und hat vorgeschlagen, dass Scholz bereits am
Mittwoch die Vertrauensfrage stellt, damit schon im Januar gewählt werden
kann. Mützenich knüpfte am Sonntag noch vor Scholz’ ARD-Interview ein
Vorziehen des Vertrauensfrage-Termins von Mitte Januar auf ein früheres
Datum aber an Vereinbarungen mit der Union, welche Projekte noch gemeinsam
umgesetzt werden. Als konkrete Beispiele nannte er in der Süddeutschen
Zeitung die Erhöhung des Kindergelds, die Sicherung des Deutschlandtickets,
Entlastungen der Industrie sowie den Schutz des Verfassungsgerichts. Merz
beharrte auf einer anderen Reihenfolge und entgegnete im Stern: „Darüber
können wir sprechen, sobald Olaf Scholz im Deutschen Bundestag die
Vertrauensfrage gestellt hat.“
Einen zu frühen Wahltermin hält Bundeswahlleiterin Ruth Brand allerdings
angesichts der nötigen Vorbereitungen für zu riskant. Sie hat geraten, nach
der Vertrauensfrage und der Auflösung des Bundestags durch den
Bundespräsidenten die vom Grundgesetz vorgesehene Frist von maximal 60
Tagen möglichst voll auszuschöpfen. Dieser Punkt dürfte auch in der bereits
länger angesetzten Schaltkonferenz mit den Landeswahlleitern eine Rolle
spielen.
Den Unions-Vorwurf einer Einmischung des Kanzleramtes in der Frage des
Neuwahltermins wies Brand zurück. „Es gab keine Weisung oder Einflussnahme
auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen“,
sagte ihr Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. „Bei der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben ist die Bundeswahlleiterin als unabhängiges Wahlorgan (…)
nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden.“ Es
sei Aufgabe der Bundeswahlleiterin, bei der Vorbereitung von Wahlen auch
auf Risiken hinzuweisen.
Auch einer der Haupt-Stimmzettellieferanten, die Bonner Druckerei Köllen
Druck, sieht bei einem Wahltermin im Januar Risiken. Beim Druck würden
immer Fehler passieren, Zeit für Korrekturen gebe es dann aber nicht,
erklärt Geschäftsführer Bastian Beeck im Magazin Stern.
Am Samstag hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem Kanzleramt vorgeworfen, die
Bundeswahlleiterin für seine Zwecke nutzen zu wollen. Die Rumpfregierung
aus SPD und Grünen sollte „sämtliche Versuche unterlassen, Behördenleiter
für parteipolitische Spielchen zu instrumentalisieren“, sagte Frei Reuters.
„Die Union fordert nichts anderes, als Neuwahlen nach Recht und Gesetz.“
Brand war Anfang 2023 als Präsidentin des Statistischen Bundesamtes vom
SPD-geführten Bundesinnenministerium berufen worden und nimmt in dieser
Funktion auch das Amt als Bundeswahlleiterin ein.
SPD und Grüne kritisierten die Union für den Vorwurf. „Nur weil der Union
die Aussage der Bundeswahlleiterin nicht passt, darf man sie nicht so
diskreditieren“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der
SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, Reuters. Die Erste Parlamentarische
Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, stimmte zu: „Es ist schäbig,
eine Behördenleiterin dafür zu kritisieren, dass sie angemessene
Verfahrensweisen anmahnt, um eine faire und ordnungsgemäße Wahl
sicherzustellen, denn das ist schlicht ihre Aufgabe“, sagte sie zu Reuters.
Dies „untergräbt das Vertrauen in demokratische Wahlen.“ Dennoch forderte
Mihalic, dass Scholz die Vertrauensfrage bereits im Dezember stellen
sollte. „Wir streben zügige Neuwahlen an“, sagte sie zu Bild.
## Lindner will FDP bei Wahl wieder „zweistellig“ sehen
FDP-Chef Christian Lindner sagte im „Bericht aus Berlin“, Scholz solle den
Weg frei machen und nicht weiter die Zeit des Landes rauben. Zugleich
warnte Lindner vor einer Koalition der Union mit SPD oder den Grünen
[5][nach der kommenden Bundestagswahl]. „Das wäre nicht der Aufbruch, den
das Land braucht.“ Der Ex-Bundesfinanzminister bekräftigte vielmehr den
Anspruch seiner Partei, einer nächsten Regierung wieder anzugehören. „Ich
möchte weiter auf das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in einer
nächsten Regierung aufpassen“, betonte Lindner sein Ziel, wieder
Finanzminister zu werden. Für die FDP gab der Parteichef als Ziel für die
Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis aus. In Umfragen liegen die
Liberalen derzeit bei drei bis vier Prozent.
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil mahnte ein Ende der Diskussion über den
Wahltermin an. „Die Debatte wird mir viel zu emotional geführt“, sagte
Klingbeil Zeit online.
11 Nov 2024
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