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Dass ich nicht unbedingt schlagfertig bin, [1][schrieb ich letztens in
dieser Kolumne]. Seitdem klebt dieser Satz in meinem Hinterkopf. Ich frage
mich: Wenn ich schlagfertiger wäre, hätte ich anders reagiert, als vor zwei
Jahren ein Sportwagen neben mir bremste? An einer roten Ampel wartete ich
auf meinem Fahrrad, der Asphalt glühte bei 36 Grad, ich hatte einen
Jeansrock an. Der Beifahrer grapschte aus dem offenen Fenster in meine
Richtung, als würde er meinen Po anfassen, und grinste dabei breit. Aus dem
hinteren Fenster lehnte sich eine Bulldogge. Sie ahnte zwar nichts, aber
sabberte und mir zog sich der Magen zusammen. Als die Ampel auf Grün
sprang, bretterten die Männer davon – und ich trug zwei Sommer keinen Rock
beim Radfahren.
Wenn ich meine Schlagfertigkeit trainiere, vielleicht könnte ich solche
Situationen besser an mir abprallen lassen oder [2][den Mann gleich
anzeigen], mindestens den Mittelfinger zeigen?
Das frage ich einen Freund, während ich wieder auf einem Fahrrad sitze und
durch Brandenburg radle. Über dem Feld rechts steht die Sonne tief. Es wäre
ein guter Tag für einen Rock. Er hat neulich bei der Arbeit an einem
Schlagfertigkeits-Workshop teilgenommen, sagt er. Na klar, [3][Berater]
kriegen beigebracht, wie man am besten kontert. Bevor ich lospöbeln kann,
nehme ich die sinnvollere Abzweigung und entscheide mich dafür, möglichst
viele Tipps abzugreifen.
Und, wie wird man schlagfertig, frage ich ihn. „Wenn dir zum Beispiel
jemand sagt: Das war aber eine naive Frage, dann stellst du eine
Gegenfrage.“ So was wie: Was ist Naivität für Sie? „Das ist entwaffnend“,
sagt er. Klingt gar nicht so kompliziert.
Später schickt er mir das Handout des Workshops zu, dreißig Seiten Tipps,
um seine verbale Rückhand zu trainieren. Schlagfertig sein bedeutet schnell
zu reagieren (in maximal drei Sekunden), man muss spontan, mutig, treffend
sein und manchmal auch etwas frech, lerne ich. Und dass die Hälfte aller
Menschen auf überraschende Gegenfragen erst mal keine Antwort parat hat. So
gewinnt man Zeit.
Ich lese weiter. Wenn man angeschrien wird, soll man sagen: „Merken Sie
eigentlich, wie laut Sie sprechen?“ Wenn jemand sagt, dass ich kompletten
Quatsch erzählt hätte, soll ich antworten: „Das ist ja toll, dass Sie so
kritisch sind.“
Nächster Tipp, man soll sich Instantsätze überlegen, die man wie
Instantsuppen immer im Vorratsschrank hat und bei Bedarf aufwärmen kann.
Das Beispiel: Auf die Gemeinheit „Na, sie abgebrochener Riese“, soll man
sagen: „Lieber ein abgebrochener Riese als ein ausgebrochener Giftzwerg.“
Jetzt bin ich sehr froh, für diesen Kurs kein Geld ausgegeben zu haben.
Uncooler kann man gar nicht kontern. Nicht jede schnelle Antwort ist
automatisch schlagfertig. Die Männer an der Ampel hätten mich so sicher
nicht ernst genommen.
Dann stehe ich in einem [4][Nachtzug], der gerade den Bahnhof verlässt. Die
anderen Fahrgäste und ich drängen uns in dem schmalen Gang vor den
Abteilen, als ein Mann meint, unbedingt durchzumüssen. Er rammt mir seinen
Rucksack in den Bauch. „Wo müssen Sie denn so schnell hin? Der Zug wird
nicht ohne Sie losfahren“, sage ich zu ihm. Er glotzt zurück und schweigt.
Dem hab ich’s gezeigt.
17 Nov 2024
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