# taz.de -- Plädoyer im Nahost-Konflikt: Militärisch nicht lösbar

> Krieg ist für alle Beteiligten furchtbar und außerdem wenig zielführend.
> Frieden ist einzig mit Diplomatie machbar.
Seit einem Jahr berichten wir über den 7. Oktober 2023 und seine Folgen:
das Leid in Israel, den palästinensischen Gebieten und nun auch im Libanon.
Die Raketen, die Bomben, die Sirenen, die Toten und Traumatisierten. Wie
das Leben aller in der Region sich verändert. Ich berichte viel aus Israel
und den palästinensischen Gebieten. Schon dort kommt mir der Konflikt nah,
etwa als ich an der Nordgrenze entlangfahre und nur hoffen kann, kein Opfer
einer Hisbollah-Rakete zu werden.

Ende September fliege ich in den Libanon. Die israelische Offensive, erst
auf den Südlibanon, dann auf Südbeirut beginnt, und auf einmal sitze ich
mittendrin. Eines Nachts schickt der arabischsprachige Sprecher der
israelischen Streitkräfte eine Evakuierungsaufforderung für das
Stadtviertel neben meinem. [1][Die Explosionen sind so nah], dass die
Scheiben klirren, das Gebäude vibriert. Am nächsten Tag verlasse ich die
Wohnung und ziehe um – man könnte auch sagen, ich flüchte.

Auf beiden Seiten spüre ich den Terror und das völlige Ausgeliefertsein.
Eine Beobachtung zieht sich durch das Jahr: Es gibt keinen Plan für
Frieden. Nur Pläne für Krieg – ohne realisierbares Ziel und ohne Ende. Ganz
deutlich wird das nun im Libanon: Israel kann die Hisbollah nicht besiegen
– und setzt sich auch gar nicht erst dieses Ziel. Es geht vielmehr darum,
die Miliz von der Grenze zu vertreiben – wie weit diese „befreite Zone“
gehen soll und wie Israel diese, ohne das Gebiet dauerhaft zu besetzen,
Hisbollah-frei halten will, bleibt offen.

Wie auch in Gaza die Kriegsziele Israels ein Jahr später nicht erreicht
sind – viele Geiseln tot, die Hamas hat noch immer die Kontrolle über viele
Gebiete –, werden sie es wohl auch im Libanon bleiben. Im Laufe des Jahres
– vor allem in den palästinensischen Gebieten, aber auch in Israel und
Libanon – sind Zehntausende getötet worden. Und nun? [2][Die Hamas
existiert weiterhin], die Hisbollah schießt weiter Raketen, und Israel
überschreitet rote Linie um rote Linie.

## Immer weiterkämpfen?

Alle Parteien können so weitermachen: für noch mehr Tote sorgen, noch mehr
Gegenden auf allen Seiten unbewohnbar machen, den Hass weiter anfeuern,
sich wieder und wieder Unverzeihliches antun. Oder sie setzen sich endlich
mit Ernsthaftigkeit an den Verhandlungstisch und gestehen sich – jede
Partei für sich – ein, dass man trotz unterschiedlicher strategischer
Vorteile zu einem militärischen Sieg nicht fähig ist. Weder die Hamas im
Gazastreifen noch die Hisbollah im Libanon werden verschwinden.

Und Israel wird nicht über Nacht einen Weg finden, sie zu besiegen. Das
Leid kann nur durch eine diplomatische Lösung, deren Einhaltung mit
Nachdruck durchgesetzt wird, beendet werden. Im vergangenen Jahr hat sich
das wieder und wieder bestätigt. Was es dafür braucht, ist die
Bereitschaft, vor allem der westlichen Welt und der Golfstaaten, im
[3][Nahost-Konflikt] mehr als nur Beobachter und vom Rande ermahnende
Partei zu sein. Die Zeit ist längst reif.

6 Oct 2024

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## AUTOREN
Lisa Schneider
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