|
Bremen taz | SPD, Grüne und Die Linke in Bremen haben sich nach
dreiwöchigen Verhandlungen auf einen neuen [1][Koalitionsvertrag] geeinigt.
Aus der Landtagswahl am 14. Mai waren die Sozialdemokrat:innen mit
29,8 Prozent der Stimmen als klare Sieger:innen hervorgegangen, die
Grünen indes erlitten massive Verluste, während die Linkspartei gegen den
bundespolitischen Trend ihr Wahlergebnis von 2019 halten konnte. Die SPD
bekommt deshalb vier Senator:innenposten, Grüne und Linke dürfen je zwei
Ressorts führen. Rot-Grün-Rot mit Andreas Bovenschulte (SPD) an der Spitze
regiert seit 2019 – es ist das einzige derartige Bündnis in
Westdeutschland.
Vertreter:innen aller drei Parteien erwähnten bei der Vorstellung des
169-seitigen Vertrags immer wieder die Gemeinsamkeiten, die sachgerechten
politischen Lösungen und die vertrauensvollen Gespräche – sogar zusammen
gegrillt haben sie, wie Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke)
erzählte. Sie wird nicht mehr für Arbeit zuständig sein, dafür von nun an
auch für die Häfen. Weil die vor allem in der Seestadt sind, gilt das
Ressort auch als Bremerhaven-Ministerium und war bisher eine Domäne der
SPD.
## Aktive Industrie- und Wirtschaftspolitik
Inhaltlich sollen die Kinderbetreuung und die Bildungspolitik „hohe
Priorität“ in der neuen Landesregierung bekommen, sagte der
SPD-Landesvorsitzende Reinhold Wetjen. Dazu gehört neben der Umsetzung des
Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ein verpflichtendes Kita-Jahr vor der
Einschulung – für alle Kinder mit Sprachförderbedarf.
Auch der Ausbau der Doppelbesetzung von Grundschulklassen und der
Schulsozialarbeit sowie der Ganztagsschulen wurde beschlossen. Zudem sollen
die Ausbildungskapazitäten für Erziehungsberufe „mindestens verdoppelt“
werden. Umsetzen muss all das wahrscheinlich die schon jetzt zuständige
Sascha Aulepp (SPD), die ihren Posten bisher eher unauffällig versehen hat.
Der im Vergleich zu anderen Ländern schlechte Zustand des bremischen
Schulsystems war von vielen Wähler:innen beklagt worden.
Bürgermeister Bovenschulte betonte das Bekenntnis zu einer aktiven
Industrie- und Wirtschaftspolitik. Dazu gehört die Umstellung der
bremischen Stahlproduktion auf Wasserstoff, ein
Gewerbeflächensofortprogramm und die nochmalige Vertiefung der Außenweser
zwischen Brake und Bremerhaven.
Auch in die Häfen soll massiv investiert werden – unter anderem planen die
drei Koalitionspartner einen „[2][Energy Port]“ an der Nordseeküste. Als
„Offshore Terminal Bremerhaven“ (OTB) war das Vorhaben 2019 schon mal vor
Gericht und am Widerstand der Naturschutzverbände gescheitert. Der
Schwerguthafen für Windpark-Komponenten auf dem Meer sollte zunächst 2013
gebaut werden. Für den Umschlag von Wasserstoff, die Produktion
umweltfreundlicher Treibstoffe oder Batterien, die Montage von Bauteilen
für Windräder und das Recycling ausgedienter Anlagen soll nun am Weserdeich
ein neuer Hafen entstehen. Insgesamt möchte das Bundesland bis 2038
klimaneutral werden. Dafür werden 2,5 Milliarden Euro neue Schulden
aufgenommen.
Die Grünen stellen mit dem bisherigen Fraktionschef Björn Fecker zwar den
Finanzsenator und stellvertretenden Ministerpräsidenten. Sie verlieren aber
das Sozialressort und auch die Zuständigkeit für Bau-, Verkehrs- und
Stadtentwicklungspolitik an die SPD. Vier der bisherigen
Spitzenvertreter:innen der Grünen zogen sich nach der Wahlschlappe
zurück, die neue grüne Umwelt- und Wissenschaftssenatorin Kathrin Moosdorf
ist bisher Geschäftsführerin des Bremer Kinderschutzbunds und war nicht in
der Landespolitik aktiv – früher war sie mal Bundesgeschäftsführerin der
Naturschutzjugend.
## Konstituierenden Sitzung am Samstag
Die scheidende grüne Landesvorsitzende Alexandra Werwath betonte den „Geist
pragmatischer Politik“, die „sozialverträglich“ und für die Bürger:innen
„verlässlich planbar“ sein soll. Statt um große Projekte wie die
[3][autofreie Innenstadt] geht es den Grünen nun darum, „umzusetzen, was
möglich ist“, so Werwath. Außerdem betont die Partei, wie sehr sie die
„Menschen mitnehmen“ wolle. Dass ihr das in der Vergangenheit nicht gut
gelungen ist, wird nicht nur der Bundespolitik, sondern auch der
Spitzenkandidatin Maike Schaefer angelastet.
„Wir holen uns mehr Probleme ins Haus“, sagt unterdessen der Landessprecher
der Linken, Christoph Spehr. Denn seine Partei verantwortet nicht nur den
vom BUND als rechtswidrig eingestuften Energy Port und muss die
hochverschuldeten, seit Jahren angeschlagenen kommunalen Kliniken sanieren.
Sie wird zudem für Gesundheit, Gleichstellung, den Verbraucherschutz und
auch noch für die Pflege zuständig sein. Nominiert dafür ist amtierende
Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard, deren Politik in der Pandemie große
Zustimmung bekommen hat. „Das ist ein großer Sack Aufgaben“, sagt Spehr.
Die SPD erhält die Ressorts für Inneres und Sport, Kinder und Bildung sowie
Arbeit, Soziales und Justiz und Bau, Stadtentwicklung und Verkehr. Ihre
Senator:innen will sie, anders als Linke und Grüne, aber erst am
Donnerstag benennen.
Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen müssen nun noch von Parteitagen
abgesegnet werden. SPD und Grüne kommen am Samstag zusammen, die Linke
trifft sich am Sonntag. Am Donnerstag kommt die Bürgerschaft zur
konstituierenden Sitzung zusammen.
26 Jun 2023
## LINKS
|