# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Bremen: Strittig sind nur noch die Posten

> Ab Dienstag verhandeln SPD, Grüne und Linke in Bremen. Dabei steht der
> Vertrag natürlich längst fest, wie die taz aus unzuverlässigen Quellen
> weiß.
Der neue Bremer Koalitionsvertrag steht bereits, obwohl erst heute die
Verhandlungen von [1][SPD, Grünen und Linkspartei] darüber beginnen: Das
entsprechende Abschlussdokument wurde der taz aus unzuverlässigen Quellen
zugespült.

Seine Echtheit steht völlig außer Frage: So fehlt auch dieses Mal nach
altem Bremer Brauch ein großsprecherischer Titel, der die Koalition
marketinggerecht mit nichtssagenden Etiketten zur glamourösen
Weltrettungsgemeinschaft verklärt: „Vereinbarung zur Zusammenarbeit in
einer Regierungskoalition für die 21. Wahlperiode der Bremischen
Bürgerschaft“ – die bewährte landesübliche Formel.

Der zwischenzeitlich als Kompromiss kursierende Titel „Besser als der Tod“
war mit Rücksicht auf mehrere alteingesessene Industrieunternehmen wie
Atlas, Rheinmetall Defence und Lürssen sowie im Hinblick auf die geplante
Ansiedlung von Saab als zu abschreckend verworfen worden. Neben der
rituellen Funktion der bis Mitte Juni stattfindenden Verhandlungen von SPD,
Grünen und Linkspartei, die für die Stabilisierung und gleichsam
metaphysischen Legitimierung jeder Regierung sorgt, ist in den Runden vor
allem der Zuschnitt und die Besetzung der Ressorts zu klären:

Strittig ist, ob Wissenschaft, Häfen und Justiz in dieser Form
zusammenbleiben sollten, oder aber der Wissenschaftsteilbereich Forschung
und Häfen mit Wirtschaft und Arbeit zusammengelegt. Dafür wird aber, ganz
sicher, Bauen, Mobilität und Stadtentwicklung, der Umwelt- und
Klimasenatorin – voraussichtlich Verena Graichen, parteilos – entzogen und
dann vielleicht der Verwaltung für Justiz und Lehre zugeschlagen, die dann
auch statt des Kultursenators die Fachaufsicht übers Referat für
Blockflötenmusik und Origami erhielte. Es ist also noch viel in Bewegung.

Die brisantesten inhaltlichen Verabredungen der neuen [2][rot-grün-roten
Koalitionsvereinbarung für Bremen und Bremerhaven] dokumentieren wir im
Wortlaut:

## Präambel

[…] Aus dem Wahlergebnis entsteht die Verpflichtung, alle Möglichkeiten
auszuloten, um den Krieg zu beenden, die Klimakatastrophe aufzuhalten, die
Herausforderungen der Flüchtlingsströme zu bewältigen, die soziale
Ungleichheit zu besiegen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stützen
sowie die Brötchentaste wieder einzuführen, um den Rahmen für die gute
ökonomische Entwicklung sowie einer nachhaltigen Haushaltspolitik zu
schaffen.

[…] Stets auf unserem Radar bleiben wird dabei die Wahrung und der Schutz
der Menschen- und Bürgerrechte. Dies betonen wir, weil es auch von anderen
Kräften des bürgerlichen politischen Lagers als der CSU immer mehr in Frage
gestellt wird. […]

## Fehlerkultur

An Fehlern der Vergangenheit können wir nur wachsen, wenn wir uns ihnen
stellen. Auch die Regierungszeit des ersten rot-grün-roten Senats war nicht
ohne Fehler, daher haben sich die Partnerinnen darauf verständigt, diese
offen zu benennen und zu bearbeiten. Als erste Maßnahme dieser neuen und in
der Bundesrepublik Deutschland beispiellosen politischen Fehlerkultur wird
daher gegen Senatorin a.D. Maike Schaefer ein Betretungsverbot für die
senatorischen Behörden ausgesprochen. Zugleich wird ihr nahegelegt, den
Namen zu ändern und ihre Partei sowie das Gebiet der Freien Hansestadt
Bremen freiwillig zu verlassen. Im Gegenzug wird ihr ein Ehrensold von
jährlich 200.000 Euro bis an ihr Lebensende bewilligt.

## Bildung

Wir sagen Ja zur empirischen Evaluierung von Bildungserfolgen. Bremen muss
hier weg vom letzten Platz. Deshalb werden wir über eine
Bundesratsinitiative dafür sorgen, dass die Erhebungsmethoden die Variable
eines sozialen Ausgleichs einführt, durch die sich stigmatisierende Befunde
vermeiden lassen.

[…] Um die notwendige Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung und
Kindertagesbetreuung gewährleisten zu können, ist die Gewinnung von
zusätzlichen Menschen, die als Erzieherin oder Erzieher im Land Bremen gute
Arbeit leisten wollen, dringender denn je. Um das oberste Ziel zu
erreichen, die Gesamtzahl, der in der Weiterbildung zur Erzieherin oder zum
Erzieher befindlichen Personen deutlich zu erhöhen und mehr junge Menschen
für eine Tätigkeit im Bereich der Erziehungsberufe zu interessieren, wird
Bremen prüfen, ob es möglich ist, eine entsprechende Fort- und Ausbildung
im Strafvollzug zu implementieren, oder aber sie als Ersatz für eine
Ersatzfreiheitsstrafe zu etablieren.

## Gesundheit

Auch mit Blick auf die großen Erfolge der Pandemiebekämpfung in Bremen […]
wollen wir ein Bremer Modell erarbeiten, das […] sämtliche verfügbaren und
noch zu entwickelnden Impfungen für Landeskinder, Beamt*innen und
Bedienstete öffentlicher Einrichtungen, Angestellte von Gastronomie- und
Hotellerie-Betrieben, Beschäftigte der kritischen Infrastruktur und des
Dienstleistungsgewerbes verpflichtend macht. [] Wir verfolgen damit das
große Ziel, das Land mit der höchsten Impfquote überhaupt zu werden.

## Weservertiefung

Die seewärtige Erreichbarkeit der bremischen Häfen ist uns wichtig. […] Wir
lieben aber auch unseren Fluss […] Sollte der Bund einer Vertiefung der
Außenweser planerisch den Weg bereiten, wird Bremen diesen notwendigen
Arbeiten nicht im Wege stehen, sie jedoch wachsam und kritisch begleiten
und sich dafür einsetzen, dass eine Klage dagegen nicht von vornherein als
kriminelle Handlung diskreditiert wird.

## Platanen

Zuverlässiger Hochwasserschutz ist unsere oberste Priorität. Nachdem die
bisherigen Bemühungen und Gutachten unter Einbeziehung der Neustädter
Bevölkerung und Bürger*innen-Initiativen, des Beirates und des
Deichverbandes, kein Einvernehmen haben herstellen können, werden die
notwendigen Aspekte der Deichanpassung von neuem erörtert und neue
Gutachten in Auftrag gegeben, damit sich vielleicht doch noch – entgegen
bisheriger Erkenntnisse – ergeben kann, dass die Möglichkeit besteht,
Platanen zu erhalten. Sollte dies der Fall sein, wollen wir sie nutzen.
Dafür sind ausdrücklich auch alternative Gutachtermethoden – Radiästhesie,
Geomantie, Coelbren-Analyse, Hieroskopie und Rauchopfer – sowie die
Einschätzung eines zu bestallenden amtlichen Auguren in die
Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

## Verkehr

Trotz fehlender Finanzierung birgt eine Straßenbahnführung durch die
Martinistraße verschiedene Vorzüge, über die Bremen das Recht hat,
kontrovers zu debattieren. Daher wird sie Gegenstand eines Referendums,
sobald der Bau der ersten Fahrradbrücke über die Weser begonnen hat.

[…] Wir werden mit den anderen demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft
in Verhandlungen treten, um mit der nötigen Mehrheit die Unantastbarkeit
des Gratis-Kurzzeittickets (Brötchentaste) an Parkautomaten in der
Landesverfassung abzusichern.

## Demokratieentwicklung: Mehr Bovi wagen

Das herausragende Personenstimmenergebnis ermutigt uns, dem Präsidenten des
Senats zusätzliche Befugnisse einzuräumen: Bremen wird an der guten
Tradition des Kollegialorgans ohne Richtlinienkompetenz festhalten, um dem
allgemeinen Trend zur Personalisierung von Politik entgegenzuwirken.
Gleichwohl ist dieses Modell aber dahingehend zu reformieren, dass [3][dem
Bürgermeister als primo inter pares] ein bevorzugtes Recht eingeräumt ist,
aus dem Bauch heraus unabgestimmte Vorschläge als konsensuale Projekte
einzubringen, um lästige oder mögliche Debatten zu beenden.

## Finanzen

Der Finanzsenator erhält einen weiteren Staatsrat mit der alleinigen
Funktion, investitionsbedürftige Felder gerichtsfest als außergewöhnliche
Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die
staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, [4][im Sinne des GG Art.
109 zu definieren], um durch Kreditaufnahme Mittel für die notwendigen
Maßnahmen zu beschaffen. Als zu priorisierende Handlungsfelder werden ihm
das Bildungswesen, die Schulbauten und der Lehrermangel, die
Kindertagesplätze, der Straßenbau, die Stadtentwicklung sowie der Ausbau
einer soziokulturellen Grundversorgung anempfohlen. Auch die Universität
könnte sich in einer finanziellen Notlage befinden.

29 May 2023

## LINKS
[1] /Kai-Wargalla-holt-Sitz-ueber-Personenstimmen/!5933396
[2] /Bremer-Gruene/!5932027
[3] /Landtagswahl-in-Bremen/!5935400
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_109.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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