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Das [1][Deutschlandticket] ist da, endlich! Aber alles geht viel
unspektakulärer zu als erwartet. Die Einführung des
49-Euro-Universaltickets versickert im Bahnalltag zwischen überfüllten
Zügen, schlecht ausgebauten Verbindungen ins Umland und nervenaufreibender
Kommunikation der Bahn. Dabei ist das Ticket die größte Revolution des
nahen Nah- und nicht ganz so nahen Nahverkehrs der letzten Jahrzehnte.
Liest man sich aber durch diverse Meinungsbeiträge, bekommt man den
Eindruck, es herrsche ein Wettbewerb darum, welche gesellschaftliche Gruppe
mehr oder weniger und vor allem unberechtigterweise vom Deutschlandticket
profitieren würde. Hier sind es die „woken linksliberalen Vorstadtmilieus“,
die jetzt auf Kosten der Landbevölkerung durch die Nation tingeln würden.
An anderer Stelle wird von der „größten Katastrophe des Nahverkehrs in
Deutschland“ geschrieben. In der Berliner Zeitung wünscht sich
Wirtschaftsprofessor Christian Böttger, dass der neue Tarif schnell wieder
abgeschafft wird.
Bloß nicht! Der neue Tarif ist das Beste, was dem Nahverkehr seit
Jahrzehnten passiert ist, und wir sollten ihn entsprechend feiern, anstatt
ihn schlechtzureden. Selbst in den Großstädten, in denen schon ein
einigermaßen attraktives ÖPNV-Angebot bestand, kostet das Monatsticket
jetzt teilweise nur noch die Hälfte oder sogar ein Drittel.
Wer, wie ich, in einer Grenzregion zwischen Bundesländern lebt, bekommt zum
ersten Mal einen erschwinglichen ÖPNV-Tarif für das ganze Umland, ohne
gleich die linke Niere verkaufen zu müssen. Wie oft habe ich, nur um von
Mainz ins rund 15 Kilometer entfernte Ingelheim zu kommen, das Vier- oder
Fünffache dessen bezahlt, was mich eine Autofahrt inklusive [2][Parkgebühr]
gekostet hätte? Wie oft bin genau deshalb mit dem Auto gefahren? Wer so
tut, als wäre das keine radikale Änderung, wie Bus und Bahn sich in die
Wahl des Verkehrsmittels integrieren, fährt entweder ohnehin nie damit oder
lebt wirklich nur in der Innenstadt.
Ich habe dieses Problem im Aufsichtsrat der Mainzer Verkehrsgesellschaft in
den letzten vier Jahren in fast jeder Sitzung angesprochen: Wieso kostet es
sieben Euro, in einen benachbarten Ort zu fahren? Für eine Einzelstrecke.
„Bis sie eine neue Einigung mit einem benachbarten Verkehrsverbund
aushandeln, vergehen Jahre“, hieß es immer. Diese unerklärbaren Preise
sagen uns: Der ÖPNV ist ein Flickenteppich, wenn du günstiger von A nach B
fahren willst, nimm das Auto. Das ist jetzt vorbei.
## Verkehrswende für alle
Es stimmt, dass das Deutschlandticket keine einzige neue Buslinie schafft
und damit nicht per se für soziale Gerechtigkeit in der Mobilität sorgt.
Aber es macht den ÖPNV attraktiver und schafft eine Grundlage für die
Verkehrswende. Denn dass ich mir, je nach Reiseziel, Gedanken über
Tarifzonen, Verkehrsverbünde und mein Bundesland machen muss, oder ob das
jetzt zu viele Waben sind (was sollen Waben überhaupt sein?) – das ist kein
Zustand. Auch durch dieses Chaos hat das [3][Auto gesellschaftlich so einen
hohen Stellenwert], weil es für viele die bequemste Möglichkeit war, mobil
zu sein.
Es geht bei dem neuen Tarif auch um Mobilitätsgerechtigkeit für alle, die
kein Auto haben. Klar kann man darüber nörgeln, dass das 9-Euro-Ticket
gerade viel von älteren Menschen genutzt wurde, um Verwandte und Bekannte
zu besuchen. Für zusätzliche Trips also. Oder man freut sich, dass es für
Beteiligung gesorgt hat. Und das hat sehr wohl etwas mit der Verkehrswende
zu tun.
21 May 2023
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