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Am Anfang ist das Wort. Also: das Wort Gottes. Der 35. Parteitag der CDU am
Wochenende in Hannover beginnt wie gewohnt mit einer ökumenischen Andacht.
Das Signal: „Christlich“ steht hier für mehr als das Beten vor dem
Frühstücksteller mit Schweinskopfsülze. Gern betonen Merz und Co., man
stehe zur religiösen Grundüberzeugung und halte die christlichen
Traditionen hoch.
Das kann man machen. Zu diesen 2022 Jahren Tradition aber gehören auch
vielfältige Instrumente, um mit Verfehlungen der Vergangenheit umzugehen:
Anerkennung eines Fehlers, tätige Reue, aufrichtige Beichte. Und zumindest
ihren Priestern und Theologen erlegt die katholische Kirche gern mal ein
„Bußschweigen“ auf: Wer also aus Sicht von Rom so richtig Mist gebaut hat,
der soll erst mal eine ganze Weile die Klappe halten.
Und hier wird es für die CDU interessant. Denn mit dieser ehrwürdigen
Tradition könnte der Parteitag in Hannover ja auch beginnen: mit einem
gemeinsamen Bußschweigen zum Thema Energiekrise. Vorher wäre ein Mea Culpa
angebracht: Für 16 Jahre verkorkste Energiepolitik, die uns in die Arme des
Kriegsverbrechers Gasputin und an den Rand einer Wirtschaftskrise gebracht
haben.
Unter Führung der Union (mit SPD und FDP als braven Oberministranten) hat
Deutschland eine [1][energiepolitische Todsünde] nach der anderen begangen:
zu wenige Häuser, die Energie sparen oder mit Ökostrom heizen, zu wenig
Wind- und Solaranlagen, nicht genügend Leitungen, die den Strom dahin
bringen, wo er gebraucht wird. Dazu kommt: Der jetzt so gescholtene
liberalisierte Strommarkt und die Koppelung der Preise an das teuerste
Kraftwerk sind unter ihrer Federführung entstanden. [2][Bayern hat sich
geweigert, Stromtrassen zu bauen und Windräder zu errichten], aber dass
jetzt dort der Blackout droht, ist für die CSU Schuld des grünen
Wirtschaftsministers.
Und als wäre das nicht genug der Irrlehren: Gerade, wo in der Ukraine der
nächste Super-GAU droht und [3][Frankreichs marode AKWs] unsere
Energiekrise richtig heißlaufen lassen, trommelt die CSU für die
Wiederauferstehung der Atomkraft – aber ein Endlager darf es natürlich in
Bayern nicht geben, Kruzifix!
Von frommer Demut ob ihrer Beschränkungen und bußfertiger Reue ist bei den
plötzlich zu Energieexperten mutierten Friedrich Merz, Jens Spahn und
Alexander Dobrindt nichts zu spüren. Da herrscht Verdrängen und
Verschweigen. Das ist tiefenpsychologisch sogar zu verstehen – vielleicht
ist es ja auch wirklich zu viel an politischem Anstand verlangt, wenn die
Opposition nach dem Machtverlust auch noch den Mund halten soll.
Vielleicht (huch!) sind CDU und CSU ja auch gar nicht so christlich, wie
sie behaupten. Dann bliebe ihnen immerhin noch der Rat des Philosophen
Ludwig Wittgenstein: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man
schweigen.“
9 Sep 2022
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