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Sie kopiert das Licht, oder besser gesagt lichte Stellen, die sich den Weg
auf das Papier bahnen. Sei es, weil da doch irgendwo ein kleiner Spalt
unter der geschlossenen Abdeckung der Maschine frei bleibt, deren weiße
Unterseite womöglich direkt kopiert wird, ohne überhaupt groß etwas auf die
Glasplatte zu legen, oder weil sich die Tinte nach ein paar tausend Seiten
immer weiter leert und immer weniger die Dunkelheit abbilden kann, die
unter der Klappe herrscht.
Die Rede ist von Marie Rief, die 2021 in Sibirien das Wasser des Jenissei
kopierte, samt des Lichts, das durch das Flusswasser auf die Glasplatte des
Kopierers fiel – sie und alle, die Lust hatten, das Wasser in transparenten
Plexiglasbehältern vorsichtig in Richtung der technischen Geräte zu
balancieren, von denen man doch sonst immer alles Flüssige fernhalten soll.
[1][Riefs] neue Ausstellung „identity by repitition“ in den Galerieräumen
des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus, kurz [2][Fk–WBH], ist allein als Copy
Art Ausstellung eine Freude. Es steht ein Kopiergerät bereit, dass man als
Besucher_in exzessiv leer kopieren kann, indem man in einen Endlosloop aus
Knopfdrücken und das Papier in die dafür vorgesehene Ablage zu legen
eintaucht.
Doch vor und hinter den Kopierprozessen, bei denen bekanntlich elektrisch
geladenes Farbpulver aktiv ist – sagen wir es noch mal, weil es so schön
auf der Zunge zergeht: elektrisch geladenes Farbpulver – steht Riefs
Erforschung verschiedener fotografischer Verfahren [3][wie der Erstellung
von Photogrammen], die in den letzten Jahren dem der Elektrofotografie
vorausgegangen ist. Beziehungsweise die hier den Laserdruck noch einmal
überschreiben: Das kopierte Blatt, die dem Drucker entrungenen Seiten, die
oft aus Transparentpapier bestehen, transferiert Rief noch einmal in
analoge Kontaktabzüge auf Baryt.
In der Serie „current image“ (2019), überlagern sich dunkel kopierte Seiten
genau sechs Mal in immer neuen Bildausschnitten. Und die so erstellte Serie
„exhausting 9J24B2Q“ (2020) wechselt noch einmal die Richtung: die Seiten,
auf denen sich die Hell-Dunkel-Formationen am ausgespartesten und damit am
subtilsten abspielen, sieht man von links nach rechts zuerst, bis sich
schließlich fast alles genüsslich verdunkelt.
24 Sep 2022
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