# taz.de -- Vorschau Berlin Art Week: Im Haus der Beere

> Schuhe mit Brüsten, Alter Egos und sprechende Hände: Diese Woche startet
> die Berlin Art Week. Parallel werden Erdbeerhäuschen zu Kunstbuden.
Traurig, aber wahr, die Erdbeersaison 2022 ist vorüber. Lange schon. Pause
haben damit auch die vielen in der Stadt verteilten Verkaufshäuschen von
Karls Erdbeerhof, in denen sich Liebhaber*innen der süßen Früchte
zuverlässig mit Nachschub versorgen konnten. Ein Grund für zu viel
Erdbeerwehmut sollte das jedoch nicht sein, denn die beiden Berliner
Künstlerinnen Christl Mudrak und Alex Müller sorgen für saftigen Ersatz und
eröffnen pünktlich zur Berlin Art Week ihr Musée de la Fraise. Zwölf von
Karls Erdbeerhäuschen haben sie sich dafür ausgeborgt und gemeinsam mit
zwölf Künstlerinnen wie der Video- und Installationskünstlerin Shana
Moulton in [1][Kunstbüdchen] umfunktioniert.

Versprochen wird „eigenständige positive Radikalität“. Wie das aussehen
soll? Käthe Kruse nimmt sich am Bahnhof Zoologischer Garten Themen wie
Abtreibung, Rechte afghanischer Frauen und Transgender-Fragen an und will
diese mithilfe von Sprach- und Klang-Performances mit Passant*innen
diskutieren.

Laure Prouvost lädt Besucher*innen ein, in bronzenen Schuhen in Form
von Brüsten über Mutterboden zu laufen. Claudia Wieser lässt ihr Häuschen
mit gefliesten Skulpturen zur wilden Architektur anwachsen. Zur Eröffnung
am Mittwoch gibt es eine Bustour zu allen zwölf Standorten.

Auch wenn in diesem Jahr offiziell kein zweites Gallery Weekend parallel
zur Art Week stattfindet, melden sich die Galerien doch mit einem
hochkarätigen Programm aus der Sommerpause zurück. So etwa Ed Atkins, der
bei [2][Isabella Bortolozzi] eine Einzelausstellung ausrichtet. Zu sehen
ist dort unter anderem Atkins Videoarbeit „The Worm“, die er für das New
Yorker New Museum anfertigte und in der ein gerendertes Alter Ego des
Künstlers ein Telefonat mit seiner – nicht zu sehenden – Mutter führt.

Die Arbeit entstand während des covidbedingten Lockdowns und macht die aus
der Zwangstrennung folgende Entfremdung zwischen Familienmitgliedern in
Atkins typischer, glitchiger Manier spürbar. Auch „Sorcerer“, ein Langfilm,
den der Künstler gemeinsam mit Steven Zultanski produzierte, handelt von
Intimität und ihren Grenzen, von Nähe und Distanz zwischen Menschen. Er
läuft zeitgleich in Bortolozzis Zweitraum Eden Eden.

## Gestisches Spiel

Bei Wentrup wiederum überlässt Karl Haendel den Händen das Sprechen. Für
seine Ausstellung „Praise Berlin“, die als Dokumentation der religiösen und
ethnischen Vielfalt Berlins verstanden werden kann, traf er sich mit
religiösen Führer*innen der Stadt und porträtierte ihre Hände im
gestischen Spiel. Digital manipulierte er diese Aufnahmen – mit allerlei
Verweisen auf religiöse Ikonografien und kunsthistorische Vorbilder –
mitunter bis zur physischen Unmöglichkeit und zeichnete sie dann fein
säuberlich und riesig groß mit dem Bleistift nach.

Ergänzend zu den Galerieausstellungen gibt es neben der [3][Positions Art
Fair] noch gleich drei messeähnliche, aber kleinere, feinere Formate zu
besuchen, den [4][Amtsalon] in Charlottenburg (ab 16. September), die
[5][Hallen#3] in den [6][Wilhelm Hallen] in Reinickendorf hat schon seit
letzten Samstag geöffnet, und [7][The Fairest] startet am Dienstag (13.
September) im Kühlhaus.

Art Week ist, wenn man nicht weiß, auf welche der vielen Veranstaltungen
man gehen soll. Keine schlechte Wahl unter all den Möglichkeiten ist es, am
Dienstag (13. September) dem [8][Literaturhaus] einen Besuch abzustatten.
Dort eröffnet der Künstler Johannes Büttner gemeinsam mit dem Filmemacher
und Sozialwissenschaftler Steffen Köhn unter dem Stichwort „Flexploitation“
eine immersive Installation im Kaminzimmer. Thema ist die Zukunft der
Arbeit im Plattformkapitalismus.

Neben der begehbaren Installation „Plattform“ ist eine Gesprächsreihe zum
Thema geplant. Seit einiger Zeit schon beschäftigt sich Büttner mit der
sogenannten Gig-Economy, mit jenen Arbeitsverhältnissen also, bei denen
sich Menschen von einem kleinen Auftrag zum nächsten hangeln, mit
Fahrdiensten etwa oder der Auslieferung von Essen. Filmisch vermengen die
beiden das nun mit Sci-Fi und gelangen zu einer Sprache, die sich dabei
ziemlich real und umso bedrückender anfühlt.

13 Sep 2022

## LINKS
[1] https://www.museedelafraise.de/de
[2] https://bortolozzi.com/
[3] https://positions.de/
[4] http://www.amtsalon.com
[5] https://wilhelm-hallen.de/
[6] /Rueckblick-auf-die-Berlin-Art-Week/!5714556
[7] http://www.the-fairest.com
[8] https://www.literaturhaus-berlin.de/programm/flexploitation-zu-prekarisierung-und-widerstand-im-plattformkapitalismus
## AUTOREN
Beate Scheder
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