# taz.de -- Sparpläne bei Volkswagen: Elektrisierender Kampfgeist

> Was macht es mit der Belegschaft des Zwickauer VW-Werks, dass die
> Konzernspitze über Standortschließungen und Stellenabbau spricht? Ein
> Ortsbesuch.
Zwickau/Berlin taz | Wenn Udo Strewe darüber spricht, wie es gerade bei
Volkswagen in Zwickau läuft, klingt neben vielen Sorgen auch ein wenig
Hoffnung durch. Seit der VW-Vorstand Anfang September angekündigt hat, er
wolle Stellen abbauen und möglicherweise Fahrzeugwerke schließen, um Geld
zu sparen, hat Strewe ein flaues Gefühl im Magen. Er arbeitet in der
Logistik. „Ich bin 54. Auf dem Arbeitsmarkt ist es jetzt schon schwierig.
Wenn VW dicht macht, braucht es hier in der ganzen Region keine Fachkräfte
mehr. Dann ist es duster.“

Aufgegeben hat Udo Strewe aber noch nicht. Am Mittwoch ist er mit
VW-Kolleg:innen von Zwickau nach Hannover gefahren, um Präsenz zu zeigen,
während ihr Betriebsrat mit dem Vorstand verhandelt. [1][Die erste
Tarifrunde hat am Vormittag im Schloss Herrenhausen begonnen.] Mehr als
3.000 Beschäftigte begleiten den Verhandlungsbeginn lautstark. Rote Fahnen,
rote Mützen, rote Rauchtöpfe und dazwischen Banner und Plakate – auch mit
dem VW-Logo. Gerichtet an den Vorstand steht auf einem: „Selber Fehler
machen, aber dann auf andere zeigen“.

„Die Stimmung ist absolut kämpferisch“, berichtet Strewe am Telefon aus
Hannover. Im Hintergrund sind skandierende und pfeifende Kolleg:innen zu
hören. Soziale Politik für Arbeitnehmer:innen, das sei ihm wichtig, sagt
Strewe. In seiner Heimatstadt Zwickau ist er auch Co-Vorsitzender des
SPD-Stadtverbands. In Hannover ist er einer von vielen, die ihren Unmut
über die neue Unternehmenspolitik bei VW herauslassen.

Dass Volkswagen in einer Krise steckt, daran zweifelt niemand. Der Konzern
will Milliarden sparen. Aber die Lösungsidee vom VW-Vorstand ist
umstritten. Das VW-Management hat die Transformation hin zum Elektroauto
verpennt und trägt das auf dem Rücken der Arbeiter:innen aus. Nach 30
Jahren kündigte der Vorstand vor zwei Wochen die Tarifverträge, welche
unter anderem eine Beschäftigungssicherung regelten. Dadurch kann VW bei
seiner Kernmarke mit deutschlandweit 120.000 Arbeiter:innen ab Juli
2025 aus betriebswirtschaftlichen Gründen Kündigungen aussprechen.

Und, ein Novum in der Firmengeschichte: Der Vorstand überlegt zum ersten
Mal überhaupt, ein Werk in Deutschland zu schließen. So will die Chefetage
die Zielrendite von 6,5 Prozent mit VW erreichen. Laut VW-Betriebsrat und
Industriegewerkschaft Metall ein Tabubruch. Daniela Cavallo, die
Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, sprach von einem „historischen Angriff
auf unsere Arbeitsplätze“, gegen den sich die Belegschaft „mit allem, was
wir haben“ wehre.

Die Tarifverhandlungen mit dem Vorstand, die eigentlich erst in der zweiten
Oktoberhälfte starten sollten, wurden deshalb schon auf diesen Mittwoch
vorgezogen. Statt nur einer Lohnerhöhung von sieben Prozent fordert die
Belegschaft auch die Beschäftigungssicherung zurück – und dass
Werkschließungen vom Tisch sind. Die Verhandlungen werden dauern. Bis Ende
November gilt eine Friedenspflicht, danach sind Streiks möglich.

Wie aufgebracht die Belegschaft jetzt schon ist, das hat der Vorstand aus
nächster Nähe erfahren. Bei der Betriebsversammlung Anfang September in
Wolfsburg machten 25.000 Beschäftigte ihrem Ärger mit Trillerpfeifen Luft.
Und auch in Zwickau begrüßten mehrere Tausend Kolleg:innen den
VW-Markenchef Thomas Schäfer mit Plakaten und viel Wut.

Udo Strewe war einer von ihnen. Mit roter Gewerkschaftsmütze und rotem
T-Shirt protestierte er gegen die Konzernentscheidung. „Das war wirklich
erhebend, wie die Menschen da zusammengehalten haben“, erzählt er und
lächelt kurz. Da ist sie wieder, die Hoffnung. Danach ging Strewe an seinen
Arbeitsplatz in der Logistik, „ich hatte Mittagsschicht“. Die Mütze zog er
ab, das rote T-Shirt trug er weiter. Das flaue Gefühl im Magen blieb.

In Sachsen ist VW mit etwa 12.000 Beschäftigten der größte private
Arbeitgeber, mehr als 10.000 davon sind in Zwickau angestellt. Seit der
Wende produzieren sie VW-Autos und seit mehr als vier Jahren nur noch
elektrische VW-Autos, darum gilt Zwickau als „Zukunftswerk“. Eigentlich ist
die Volkswagen Sachsen GmbH auch noch kein Teil der Volkswagen AG. Es
gelten gesonderte Bestimmungen. Doch am Dienstag kündigte die sächsische
Geschäftsführung auch die Beschäftigungssicherung in Sachsen.

Die Krisenstimmung ist auch in Zwickau zu spüren, denn gerade bei den
Elektroautos schwächelt VW. Manche Arbeiter überlegen laut, ob die
Umstellung auf E-Autos nicht doch ein falscher Schritt war. Die
Werksleitung wollte sich auf Anfrage der taz nicht äußern. VW-Chef Thomas
Schäfer betonte bei der außerordentlichen Betriebsversammlung vor den
sächsischen Arbeiter:innen einmal mehr: „Die Zukunft von Volkswagen ist
elektrisch!“

Klingt gut. Aber das Vertrauen sei weg, sagt Logistiker Strewe. Denn trotz
Elektroautos: Das Werk ist nicht ausgelastet und produziert nur in zwei
Schichten. Der Vorstand hatte ursprünglich drei zugesichert. Derzeit
herrsche bei der Belegschaft eine „gespannte, abwartende Stimmung, wie die
Entwicklung weitergeht“, erzählt Strewe. Dem Betriebsrat und der IG Metall
vertraue er persönlich voll. „Aber man weiß ja nicht, was in den Köpfen der
Vorstände in Wolfsburg vorgeht.“

## Verbrenner in China nicht mehr gefragt

Die Härte der Maßnahmen, die die Konzernspitze ergreifen will, kam
überraschend. Doch die Krise hatte sich angebahnt. Schon der Dieselskandal
im Jahr 2015 kostete das Unternehmen Milliarden. Mithilfe einer
unzulässigen Software manipulierte VW weltweit mehr als zehn Millionen
Dieselfahrzeuge. So wurden bei Tests deutlich weniger klima- und
gesundheitsschädliche Abgase gemessen, als tatsächlich beim Fahrbetrieb
entstanden. Die US-Umweltbehörde EPA deckte den Betrug auf, und neben dem
Image geriet vor allem auch die Konzernkasse durch Entschädigungszahlungen
in Milliardenhöhe unter Druck.

In einer aktuellen Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft
(IW) heißt es zudem: Der Erfolg der Automobilbranche in Deutschland habe
lange darauf basiert, ins Ausland zu exportieren, besonders nach China.
Auch 2023 waren drei von vier aller in Deutschland gebauten Autos
Exportware. [2][Volkswagen war in China, dem größten Automarkt der Welt,
lange Marktführer.] Noch 2020 verbuchte der Volkswagenkonzern mit seinen
Tochtermarken 19,3 Prozent der Neuwagenverkäufe in der Volksrepublik.

Doch Ende 2022 setzte sich die chinesische Marke BYD an die Spitze, die
VW-Verkäufe in China gingen zurück. Letztes Jahr waren es nur noch 14,5
Prozent. Die chinesische Regierung steckt kräftig Staatsgeld in nationale
Autohersteller und wälzt den Markt dort auf elektrische Fahrzeuge um – und
bei denen ist Volkswagen, wie die anderen deutschen Autobauer, nicht gut
aufgestellt. BYD zum Beispiel produziert seit 2023 nur noch E-Autos. Dabei
sind Batterietechnik und Software zentral – und in beiden Bereichen habe
der Hersteller Vorsprung vor der deutschen Konkurrenz, weil er aus der
Elektroindustrie stammt, bilanziert das IW Köln. Autos mit
Verbrennungsmotor, die Volkswagen lange einträgliche Geschäfte versprachen,
werden in China kaum mehr verkauft.

In Deutschland hingegen brachen die E-Auto-Absätze ein, nachdem die
Bundesregierung Ende 2023 Prämien für den Kauf elektrischer Pkw abgeschafft
hatte. Als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausweitete,
stiegen die Energie- und Verbraucherpreise, viele Menschen in Deutschland
konnten oder wollten keine großen Summen mehr für Neuwagen ausgeben. Im
August 2024 wurden laut dem ADAC hierzulande knapp 69 Prozent weniger
E-Autos neu zugelassen als im August 2023.

Auch der Absatz von Verbrennern ging deutlich zurück, im August 2024 gab es
fast 28 Prozent weniger Neuzulassungen als im gleichen Monat des letzten
Jahres. Volkswagen sei ein riesengroßer Konzern, sagt Beatrix Keim,
Autoexpertin am Center for Automotive Research (CAR). Zehn verschiedene
Marken, Verbindungen ins Ausland und zu Zulieferbetrieben sowie komplexe
Verhältnisse innerhalb des Konzerns machten den Wandel hin zur
Elektromobilität zum Kraftakt. Bis zu einem gewissen Grad ist es also
durchaus verständlich, dass die Transformation lange dauert.

CAR-Gründer Ferdinand Dudenhöffer formuliert es härter: VW sei wie
„einbetoniert“ in seinen Strukturen. Unter anderem weil das Land
Niedersachsen 20,2 Prozent der Unternehmensaktien hält und damit eine
Sperrminorität hat, habe sich der Betrieb kaum verändern können. In einem
sind sich Beatrix Keim und er einig: Die führenden Köpfe bei Volkswagen
haben schlicht zu lange auf Verbrenner gesetzt.

Im VW-Werk in Zwickau schüttelt Uwe Kunstmann, der sächsische
Gesamtbetriebsratsvorsitzende, den Kopf und widerspricht: „Die haben
frühzeitig umgeschwenkt.“ Er sagt, aktuell seien die Batteriekosten zu
hoch. „Wenn die Batterie 10.000 Euro kostet, kann man mit einem Auto für
20.000 Euro kein Geld verdienen.“ Das werde sich aber relativieren, wenn
sich Batterietechnologien weiterentwickeln. An der Elektromobilität, das
steht auch für ihn außer Frage, führe kein Weg vorbei. In zehn Jahren
diskutiere da keiner mehr drüber. „Bei dem hier war es dasselbe“, sagt er
und hebt sein Smartphone hoch, „da hat jeder gesagt: 'Ich brauche ein
Telefon zum Telefonieren, was will ich mit so einem Schneidebrett?’ Und
heute?“

Würde VW in Zwickau noch Verbrenner produzieren, wäre die Krise größer,
glaubt er. Als das Werk in Zwickau umgestellt wurde, „sind alle Politiker
hergekommen und haben sich feiern lassen, wie gut die Entscheidung doch
war“, berichtet Kunstmann. Damals waren die Auftragsbücher voll. Doch mit
den steigenden Energiekosten und spätestens seit die Bundesregierung den
Umweltbonus für Elektroautos einstellte, änderte sich das. „Da hat man
richtig gesehen, wie die Bestellungen runtergeknackst sind“, erzählt der
Betriebsratsvorsitzende. Was der Vorstand mit den angedrohten
Werkschließungen und Stellenkürzungen bezwecken wolle, verstehe er nicht.

Nach dem ersten Schock sei er mittlerweile gefasst, sagt Kunstmann. „Mir
kommt es ja alles ein bisschen planlos und hilflos vor.“ Er zuckt mit den
Schultern. Neben ihm hat im Büro der erste Bevollmächtigte von der
örtlichen IG Metall Thomas Knabel Platz genommen. Zusätzlich zu den 10.000
Beschäftigten bei VW wären weitere 50.000 Beschäftigte in der Region
betroffen, wovon einzelne Betriebe ausschließlich Volkswagen zuliefern.

„Wenn hier Schluss ist, wäre bei denen auch Schluss“, wirft Knabel ein.
Über die IG Metall organisiert, würden sie deshalb zusammen für den
VW-Standort vor dem Werkstor kämpfen. Um die hohen Kosten zu senken, habe
VW noch andere Möglichkeiten. Knabel sagt, dass es dabei auch um den
Konzern Volkswagen gehe, nicht nur um die Marke VW. Dass der Konzern etwa
bei den insgesamt zehn Marken, von Audi über Porsche bis Seat die
Synergieeffekte nicht richtig nutze, habe Knabel noch nie verstanden.
„Jeder braucht eine Extrawurst. Dabei glaube ich nicht, dass den Kunden
auffällt, wie viele verschiedene Lenkräder es im Konzern gibt.“

In einem Zimmer auf der anderen Seite des Flurs sitzt an diesem Montag Lisa
Neubert. Die 25-Jährige arbeitet seit 2015 bei VW in Zwickau und ist die
Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Durch die gekündigten
Tarifverträge ende nicht nur die Beschäftigungssicherung, auch mit der
Übernahmegarantie für Auszubildende und dual Studierende sei Schluss,
erzählt sie. In Zwickau betrifft das aktuell etwa 400 Azubis und
Studierende. Als Volkswagen diese Entscheidung am 2. September ankündigte,
sei das für die mehr als 100 neuen Azubis und dual Studierenden ein
besonderer Schock gewesen. Die hatten da nämlich ihren allerersten Tag.

Morgens hätten sie von den tollen Perspektiven bei Volkswagen gehört, um
dann am Abend in den Nachrichten zu lesen, dass VW diese Perspektiven
gerade infrage stellt. „Das hat vor allem zu Verunsicherung und Angst
geführt“, sagt Neubert, „bei uns allen.“ Doch der erste Schreck sei relativ
schnell in Kampfgeist umgeschlagen. Am 5. September ging der neue Jahrgang
gemeinsam mit Lisa Neubert zu der Betriebsversammlung, um den
Markenvorstand Thomas Schäfer auszupfeifen. Die Azubis standen an ihrem
vierten Tag neben Beschäftigten, die seit Jahrzehnten für das Unternehmen
arbeiten. „Da waren selbst Leute, die eigentlich schon ausgesteuert sind
und gar nicht mehr aktiv arbeiten“, berichtet Neubert. Nichts zeige den
Zusammenhalt der Belegschaft in Zwickau deutlicher.

Doch welche Auswirkungen hat die Krise im Werk darüber hinaus? Als die taz
Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt von der Wählervereinigung
Bürger für Zwickau am Telefon erreicht, sitzt sie gerade in ihrem
Dienstwagen. Es ist ein vollelektrischer VW ID.4, gebaut im Werk in
Zwickau. „Ich fahre das Auto sehr gerne und kann die Vorurteile, die es zum
Thema Elektromobilität gibt, nicht bestätigen“, sagt sie. Welche Kritik sie
hört? Die Reichweite sei zu gering, die Ladezeiten zu lang und die
Infrastruktur fehle. Aber laut Arndt ist unstrittig, „dass E-Mobilität eine
Zukunft hat“. Unter anderem deswegen ist die Oberbürgermeisterin auch
sicher: „Das Werk in Zwickau wird nicht schließen.“

## Wenig Rückenwind aus der Politik

Sie bestätigt aber auch, sollte VW das Werk schließen, träfe das die Stadt
hart. Aktuell arbeitet rund jede:r Zehnte direkt für VW und fast jede:r
Dritte indirekt. In Zwickau spielt der Autobau schon seit 120 Jahren eine
große Rolle, drumherum haben sich Zulieferer und Reinigungsfirmen
etabliert. 1904 eröffnete dort August Horch, der Audi-Gründer, das erste
Automobilwerk. Ab 1958 produzierten die Werke in Zwickau den
massentauglichen Trabi und hörten bis 1991 nicht mehr damit auf.

Der Konzern aus Wolfsburg übernahm nach der Wende die Produktion und wurde
zu einem der größten Arbeitgeber in Sachsen. Im vergangenen Jahr liefen
dann 247.000 E-Autos vom Band. Um damit richtig Geld zu verdienen, müsse
der Autohersteller wettbewerbsfähig sein, sagt Arndt. Gleichzeitig sei aber
auch Verlässlichkeit wichtig, „das ist eine Botschaft, die ich an die
Politik richte“. Dass das Verbrenneraus immer wieder infrage gestellt
werde, sei unsäglich, sagt die Oberbürgermeisterin. Sie selbst verbreite
Optimismus, indem sie ihre positiven Erfahrungen mit dem ID.4 teile. Aber
die Situation bei VW, die könne sie nicht beeinflussen. „Das überschreitet
meine Kompetenzen“, sagt Arndt.

Gewerkschafter Knabel ist da anderer Meinung: Politiker:innen sollten
sich einmischen, argumentiert er. Wenn sie keine Verantwortung übernähmen,
„muss man sich nicht wundern, wenn Menschen den Glauben an
Wirkungsmächtigkeit von Politik verlieren“. Das sei Wasser auf die Mühlen
von Populisten.

Ähnlich verärgert klingt Knabel auch, wenn er über das Thema
„Technologieoffenheit“ spricht. Synthetische Kraftstoffe oder
Wasserstoffautos seien nun mal keine realistischen Mobilitätskonzepte.
„Technologieoffenheit ist nur eine Ausrede dafür, nichts zu tun“,
kritisiert er. Damit meine er auch die FDP in der Bundesregierung.
Elektromobilität brauche einen politischen Rahmen.

Eigentlich hat sich die Bundesregierung vorgenommen, E-Autos zu fördern,
als Teil einer klimafreundlichen Verkehrswende. Im Verkehrssektor in
Deutschland wurden im Jahr 2023 rund 146 Millionen Tonnen klima- und
gesundheitsschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Das sind etwa 22 Prozent
aller Emissionen, die es in dem Jahr bundesweit gab. Der Großteil entsteht
im Straßenverkehr vor allem durch Pkw, Lastwagen, Busse und Motorräder mit
Verbrennungsmotor. In ihren Koalitionsvertrag hat die Ampel geschrieben,
mehr Geld in die Schieneninfrastruktur als in die Straße stecken zu wollen.

Und weil sie trotzdem mit mehr Verkehrsaufkommen insgesamt rechnet, sollen
bis 2030 insgesamt 15 Millionen vollelektrische Autos in Deutschland
unterwegs sein. Expert:innen glauben aber längst nicht mehr, dass dieses
Ziel zu schaffen sein könnte. Die Boston Consulting Group und die
Organisation Agora Verkehrswende halten 9 Millionen E-Autos für eine
realistischere Zahl.

Um die Verkäufe wieder anzukurbeln, will die Bundesregierung auf die
sogenannte Wachstumsinitiative und neue steuerliche Regelungen für
Firmenwagen setzen: Arbeitgeber sollen bald auch bei teureren E-Dienstwagen
mit einem Bruttolistenpreis von bis zu 95.000 Euro von Steuerermäßigungen
profitieren.

Robert Habeck, grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, lud am
Montag zu einem digitalen Autogipfel ein. Per Videokonferenz tauschte er
sich mit Branchenverbänden, Autobauern und Gewerkschaftern aus, mit dem
Ziel, Wege aus der Automobilkrise auszuloten. Habecks Fazit nach dem
Autogipfel: lieber keine Maßnahmen als Schnellschüsse. Einer Idee der
SPD-Fraktion erteilte er eine Absage. Die hatte eine Neuaflage der
Abwrackprämie vorgeschlagen: Wer einen alten Verbrenner abgibt und dafür
ein E-Auto kauft, solle einen Bonus von bis zu 6.000 Euro bekommen.

Habeck will lieber in Brüssel dafür werben, die CO2-Flottengrenzwerte schon
2025, ein Jahr früher als geplant, zu überprüfen. Die EU-Verordnung regelt,
wie viel CO2 pro Kilometer alle Fahrzeuge eines Herstellers im Durchschnitt
ausstoßen dürfen. Die Grenzwerte sollen zunächst 2025, dann 2030 verschärft
werden. Den deutschen Autobauern drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe,
weil sie diese Klimavorgaben mit der Produktionsmenge an E-Autos nicht
einhalten.

Die Autohersteller hätten in den letzten Jahren über 130 Milliarden Euro
Gewinn gemacht, sagt die Umweltorganisation Transport & Environment. Sie
hätten genug Zeit gehabt, sich auf die CO2-Ziele vorzubereiten.

„Die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung fördern vor allem
Spitzenverdiener“, sagt Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin
der Klima-Allianz Deutschland. Wenn weder Arbeitsplätze in der Branche,
noch die Klimaziele ins Wanken geraten sollen, brauche es eine sozial
gerechte Förderung.

Im europäischen Ausland liefen die Verkäufe elektrischer Pkw zuletzt
besser, der Absatz in der EU stieg im ersten Halbjahr 2024 um 9,4 Prozent,
Deutschland ausgenommen. Die Klima-Allianz lobbyiert deshalb für preiswerte
E-Auto-Leasingangebote, vor allem für Menschen mit niedrigem oder mittlerem
Einkommen und für eine Förderung kleiner E-Firmenwagen.

Der Umweltverbund Nabu plädiert wiederum für eine E-Auto-Quote bei
Dienstwagenflotten. Und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
bringt kreative Fahrzeugkonzepte für den ÖPNV ins Spiel: Mit der Produktion
von E-Fahrzeugen als Zubringer für Bus und Bahnlinien könnten die Autowerke
dauerhaft ausgelastet werden.

Udo Strewe aus Zwickau fand eigentlich den Vorschlag seiner SPD-Genossen,
die Neuauflage der Abwrackprämie, gut: „Zumindest ist das eine Idee.“
Strewe selbst fährt zwar einen VW – aber noch keinen elektrischen. „Mein
nächster VW wird natürlich ein Stromer sein.“ Aktuell verstehe er, dass
vielen ein Elektroauto zu teuer ist. Auf lange Sicht seien eben günstigere
Autos nötig – und das sei Sache des Managements. „Die Konzernleitung ist
verantwortlich für die Fabrik, für die Mitarbeiter, für die Region und für
eine stabile Politik“, findet Strewe. Der Konzern, fordert die IG Metall,
solle endlich eine Zukunftsstrategie entwerfen. Und dann könne man mit den
Arbeiter:innen besprechen, wie das klappt.

25 Sep 2024

## LINKS
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## AUTOREN
Nanja Boenisch
David Muschenich
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