# taz.de -- Nach Auflösung der Ampel-Regierung: Gewerkschaft sieht Bahnsanierung in Gefahr

> Nach dem Zerbrechen der Koalition herrscht bei der Bahn Ungewissheit.
> Fließen die Milliarden zur Sanierung der Infrastruktur?
Berlin dpa | Mit Milliardeninvestitionen wollte die bisherige
Bundesregierung [1][das marode Schienennetz in Deutschland ertüchtigen] und
aus der Bahn einen verlässlichen Verkehrsträger machen – doch mit dem Bruch
der Koalition stehen aus Sicht der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft
(EVG) längst geplante Bauprojekte infrage.

„Wenn der Bundeshaushalt 2025 nicht verabschiedet wird, fehlen der Schiene
im kommenden Jahr rund 17 bis 20 Milliarden Euro, die der Bund bereits
zugesagt hat“, teilte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert der Deutschen
Presse-Agentur mit. Bis 2030 sei der Finanzbedarf um ein Vielfaches größer.

„Jahrelange Planungsarbeit, um die Infrastruktur endlich auf Vordermann zu
bringen, um damit Pünktlichkeit und Kapazität des Netzes zu verbessern,
steht nun auf dem Spiel“, betonte Burkert. „Selbst die nun eigentlich
beginnende dringend notwendige Sanierung zwischen Berlin und Hamburg droht
damit unmittelbar zum Rohrkrepierer zu werden.“

## EVG-Chef: Zehntausende Fahrgäste im Unklaren

Die Bahn will bis 2030 mehr als 40 viel befahrene Korridore grundlegend
modernisieren. Start war in diesem Jahr auf der sogenannten Riedbahn
zwischen Frankfurt und Mannheim. Für 2025 ist die Fernverkehrsstrecke
zwischen Berlin und Hamburg vorgesehen. Doch weil die Finanzierung der
Baumaßnahmen bis zum Zerbrechen der Regierung nicht vollständig gesichert
war, stehe das Projekt nun auf der Kippe, befürchtet Burkert.

„[2][Zehntausende Fahrgäste] werden damit weiter im Unklaren gelassen und
die jahrelange Planung kluger Bahn-Beschäftigter in den Wind geschossen.“
Der EVG-Chef rief das Bahnmanagement dazu auf, „öffentlich Tacheles“ zu
reden, „um die tatsächlichen Auswirkungen deutlich zu machen“. In dieser
Woche sollen Teile des Bahnaufsichtsrats in einer Sondersitzung über das
weitere Vorgehen beraten.

## Konzern rechnete vor dem Koalitionsbruch noch mit zusätzlichen Summen

Dabei hatte sich die Bahn am Mittwoch vergangener Woche, nur wenige Stunden
vor der Entlassung des Finanzministers Christian Lindner durch den
Bundeskanzler, äußerst zuversichtlich mit Blick auf die Investitionen der
Bundesregierung gezeigt.

Der Konzern rechnete für die kommenden drei Jahre mit Bundesmitteln in Höhe
von fast 53 Milliarden Euro für das Schienennetz. Das wären deutlich mehr
gewesen als die bisher geplanten rund 30 Milliarden Euro bis 2027. Damit
sehe sich der bundeseigene Konzern in der Lage, vor allem die bestehende
Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen, hieß es bei der Bahn an
jenem Tag. Doch mit dem Ende der Koalition sind die Pläne Makulatur.

Der Konzern ist zudem bei größeren Bauvorhaben bereits in finanzielle
Vorleistung gegangen, in der Hoffnung darauf, dass der Bund die Milliarden
aus dem reformierten Bundesschienenwegeausbaugesetz bald zurückzahlt.
Allein für kommendes Jahr belaufen sich diese Mittel dem Vernehmen nach auf
rund 2,5 Milliarden Euro. Auch hier herrscht nun Unklarheit, wann das Geld
kommt.

## Zukunft des Deutschlandtickets ist unsicher

Für 2025 ist das Deutschlandticket zwar noch gesichert, aber wie es danach
weitergeht, ist unsicher. Der parlamentarische Geschäftsführer der
Unionsfraktion, Thorsten Frei, lehnt eine Unterstützung rot-grüner
Gesetzesinitiativen wie dem Deutschland-Ticket ab. „Ich kann mir das nicht
vorstellen. Ich glaube, da müssen wir den Schwerpunkt setzen bei
Investitionen in die Infrastruktur“, sagte der CDU-Politiker dem
Nachrichtenmagazin Politico.

Baden-Württemberg und Niedersachsen drängen derweil darauf, dass der noch
bestehende Bundestag eine geplante Gesetzesänderung trotz Bruchs der
Ampel-Koalition beschließt. Dabei geht es um eine Änderung des
Regionalisierungsgesetzes, das der Bundestag noch nicht beschlossen hat.
Das Gesetz regelt eine Verwendung nicht eingesetzter Mittel auch in
Folgejahren.

Der baden-württembergische Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) mahnt,
nicht gebrauchte Mittel müssten dringend ins nächste Jahr übertragen werden
– womöglich würde das Ticket sonst teurer. „Das Nachsehen hätten die
Fahrgäste.“

Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) aus Niedersachsen sagte: „Ich warne davor,
dass das D-Ticket dieser unsicheren Übergangszeit im Bund zum Opfer fällt.“
In den nächsten Wochen stünden Entscheidungen an, die nicht aufgeschoben
werden dürften – dafür sei gerade dies ein Beispiel.

Auch die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela
Engelmeier, mahnte: „Das Deutschlandticket darf nicht unter die Räder
kommen.“ Für viele Menschen habe es schon mit der letzten Preiserhöhung an
Attraktivität verloren. „Umso dringender ist es, den Preis stabil zu halten
und ein Sozialticket einzuführen, das wirklich allen Menschen bezahlbare
Mobilität ermöglicht.“ Die aktuelle Unsicherheit zeige, wie schnell gerade
soziale Projekte ins Wanken geraten können. „Dem muss die Politik Einhalt
gebieten.“

12 Nov 2024

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