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Berlin taz | Ein Besucher warnt im Internet vor dem Lokal: „Extrem
feindliche Atmosphäre“. Ein anderer schreibt von „unappetitlichem und
schlechtem Essen“. Ein Dritter beschwert sich darüber, dass die Betreiber
„schreckliche politischen Ansichten“ vertreten würden. Stehen da etwa,
fettige Bockwurst servierend, kahl geschorene Neonazis hinter der Theke,
und das mitten im hippen Berlin? Schließlich, so eine weitere über die
Gaststätte geäußerte Bewertung, seien da Deutsche am Werk, die über
„Antisemitismus“ sprechen würden, aber Juden keine Chance gäben, das Wort
zu ergreifen.
Das mit den Neonazis ist die falsche Fährte. Es geht bei diesen
orchestrierten Negativbewertungen um etwas anderes. Eine Person, die sich
„Cecilia Pedersen“ nennt, bringt die Sache auf den Punkt. Sie habe, so
schreibt sie, in der Gaststätte eine „unhöfliche, ungemütliche zionistische
Atmosphäre“ erlebt. Was eine „zionistische Atmosphäre“ ist, erklärt sie
nicht. Es muss auf jeden Fall etwas sehr Unangenehmes sein. Und es hat
zweifellos mit Juden und Israel zu tun. Auch mit Antisemitismus? Ja, aber
einem Judenhass, der es nicht bei Schmähungen im Internet belässt.
Erst vor wenigen Tagen, [1][in der Nacht zum 30. Oktober,] versuchten
Unbekannte mit einem Pflasterstein eine Scheibe des Lokals zu zerstören.
Dort, wo der Stein die Scheibe traf, sind jetzt sternförmige Risse zu
erkennen. Doch das Glas hat gehalten – wieder einmal.
Gut einem Monat zuvor kam es schon zu einem versuchten Brandanschlag. Eine
Nachbarin habe damals am frühen Morgen ein Geräusch gehört, erzählt
Alexander Carstiuc, einer der drei Betreiber der Kneipe. Dann habe sie
Menschen gesehen, die ein Feuer in einem Behältnis entzündeten und offenbar
mit einem Hammer versuchten, eine der großen Fensterscheiben einzuschlagen,
um den brenneden Behälter in die Gaststätte zu werfen. Die Türschlösser
hatten die Angreifer zuvor verklebt. Der Angestellte, der in der Kneipe
übernachtete, war damit eingesperrt. Doch die Fensterscheiben aus
Sicherheitsglas hielten dem Angriff stand. Die Personen entkamen, bevor die
alarmierte Polizei eintraf.
Die Betreiber sind sich einig: Das war ein Mordversuch. „Es rettete uns nur
das Sicherheitsglas“, sagt Kneipenfrau Andrea Reinhardt.
## Die Betreiber kommen aus der Antifa-Szene
Willkommen im Bajszel, einer Kneipe ohne Gourmetallüren. Gelegen tief in
Neukölln an einem kleinen Platz, wo sich zwei Straßen in spitzem Winkel
treffen. Graue und braune Altbauten links und rechts, der S-Bahn-Ring
direkt dahinter, Kleinpflaster auf den Gehwegen, spielende Kinder auf der
Straße. Dies hier ist keine Reiche-Leute-Gegend, auch wenn die
Gentrifizierung auch diesen Teil Berlins längst erreicht hat.
Vor dem Bajszel steht heute ein Polizeiwagen, aber das tut er nicht immer.
Hinein in die Stube mit der geschwungenen Bar. Essen ist Geschmackssache,
heißt es. Nicht anders verhält es sich damit, ob man ein Lokal besonders
nett oder grässlich findet. In diesem hier gibt es vier Sorten Bier vom
Fass. Und Schmalzbrote. Hingesetzt an einem der einfachen Holztische. An
den Fenstern lehnen Bücher vom Adorno bis hin zu Reiseführern. An den
Wänden hängen Plakate. An der Theke steht Andrea Reinhardt. Wer ein Getränk
will, muss zu ihr kommen.
Das vor zweieinhalb Jahren eröffnete Bajszel sei keine ganz normale Kneipe,
erklärt die 34-Jährige mit dem Kurzhaarschnitt, nachdem sie sich einen
Stuhl genommen hat. Genauso wie sie keine ganz normalen Kneipenbetreiber
seien. Das Bajszel ist ein Projekt.
Alexander Carstiuc, mit schwarzem Hut auf dem Kopf, 45 Jahre alt, setzt
sich dazu. Beide haben studiert und kommen aus der Antifa-Szene. Und beide
stören sich an dem einfachen Weltbild derer, die Israel grundsätzlich
verdammen, aber die Hamas für ihre Taten feiern. Die „Palestine will be
free“ rufen, aber keine Empathie für die Opfer des Massenmords vom 7.
Oktober 2023 entwickeln. Die ganz genau wissen, was Juden zu tun und zu
lassen haben, aber den Staat Israel ablehnen. „Kapitalismuskritik [2][kann
antisemitisch sein]. Auch Linke machen diesen Fehler“, sagt Reinhardt. Auf
der Theke liegen Aufkleber zum Mitnehmen, „Fight Terror. Stand For
Democracy“ steht darauf oder „Berlin gegen Antisemitismus“.
Das Bajszel ist nicht nur eine Schänke, sondern macht auch Programm, im
großen Hinterzimmer. Da geht es viel um Antisemitismus und Israel, aber
nicht nur. Als Propaganda abtun lassen sich diese Abende nicht. Eher sind
es Ausflüge der Wissenschaft an eine Theke. Der emeritierte
Osteuropa-Historiker Karl Schlögel spricht demnächst über Russland, die
Ukraine und die Wahlen in den USA. Letztens kam Martin Cüppers, auch er
ein renommierter Historiker. Er hat über den [3][Mufti von Jerusalem
geforscht], einen islamischen Hetzer, der im Zweiten Weltkrieg bei Hitler
in Berlin Dauergast war.
## Hamas-Dreiecke an der Hauswand
An so etwas zu erinnern mag nicht jedem gefallen in Neukölln, dem Berliner
Stadtteil, in dem Islamisten am 7. Oktober 2023 anlässlich des
Hamas-Terrors Süßigkeiten auf der Straße verteilten. Und so geriet die
Kneipe in den Fokus von Israelhassern und Antisemiten. Es gab da nicht nur
den versuchten Brandanschlag. Andrea Reinhardt und Alexander Carstiuc
können eine lange Liste an Vorfällen aufzählen. Es habe schon im September
vergangenen Jahres begonnen, als ungeladene Gäste versucht hätten, eine
Veranstaltung zur Staatsgründung Israels zu sprengen. Es habe sich
fortgesetzt mit Pöbeleien, abgerissenen Plakaten, Boykottaufrufen, mit
antiisraelischen Parolen an den Außenwänden und immer wieder mit nach unten
gerichteten roten Dreiecken an den Schaufenstern, manche riesengroß. Es ist
das Symbol der Hamas für gegnerische Objekte.
„Wir wurden zum Feind gemacht“, sagt Reinhardt. Dann blickt sie sichernd
zur Seite in Richtung Eingangstür. Auch Carstiucs Blick geht immer wieder
für Sekunden in diese Richtung, so als erwarte er den nächsten Überfall.
Man kann so etwas Psychoterror nennen, gipfelnd in einem Mordanschlag. Mit
solchem Druck muss nicht nur das Bajszel umgehen.
Joel hat lange überlegt, ob er in diesem Text mit seinem Nachnamen
auftauchen soll. Er hat sich letztlich dagegen entschieden. Joel studiert
Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität, und im Unterschied zu den
Betreibern des Bajszel ist er Jude. Nach dem 7. Oktober sah er sich einer
Flut von Hamas-freundlichen Parolen in der Uni gegenüber. Er begann damit,
die geschmierte Hetze in den Herrentoiletten zu übermalen. Es war ein Akt
der Hilflosigkeit. „Ich fühlte mich sehr alleine“, sagt er. Ein Seminar,
das er besuchte, habe sich für antizionistisch erklärt. Und er habe da drin
gesessen und nichts gesagt.
Auch an den NS-Gedenkstätten und Museen hat sich seit dem 7. Oktober
einiges geändert. Zuerst habe da nur „Free Palestine“ im Gästebuch des
Hauses der Wannseekonferenz gestanden, berichtet Pressesprecher Eike
Stegen. Die Villa am Berliner Wannsee ist der Ort, an dem führende Nazis
Anfang 1942 die praktische Durchführung des Holocaust besprochen haben.
Dann schrieb ein Mann an die Leiterin der Gedenkstätte Deborah Hartmann,
dass „die jahrzehntelang gelebte Juden-Verhätschelung in diesem Land
endlich fallen“ würde. „Sie spüren den Wind des Wandels, der durch dieses
Land weht“, erklärte der Mann und erwähnte die Studentenproteste.
## Gedenkstätten berichten von Hassbotschaften
Aus anderen Teilen Deutschlands wird Ähnliches berichtet. In der
Gedenkstätte Sachsenhausen in Brandenburg mussten sie die Gästebücher
austauschen, weil sie voll waren von antiisraelischen Hassbotschaften. Im
früheren Konzentrationslager Buchenwald in Thüringen klebten Unbekannte ein
Porträt des Gedenkstättenleiters Jens-Christian Wagner auf eine Stele in
Erinnerung an den Todesmarsch der Häftlinge. Jörg Skriebeleit von der
Gedenkstätte Flossenbürg in Bayern berichtet, dass Unbekannte Teile aus dem
Krematorium des früheren KZ gestohlen haben. Fast jeder, der beruflich
etwas mit der Aufarbeitung der Nazi-Geschichte zu tun hat, erzählt
Ähnliches. Die von den Institutionen gestellten Anzeigen versanden in aller
Regel.
Der Philosophiestudent Joel von der Berliner Humboldt-Universität hat keine
Anzeige gestellt. Ihm hat etwas anderes geholfen. Er gründete zusammen mit
jüdischen Freunden eine Gruppe. „So etwas gab es vorher an der Uni nicht“,
sagt er. Anfangs seien sie nur zu dritt gewesen, inzwischen schon 15
Personen stark. Sie hätten erste Aktionen gemacht. Und auch wenn ihre
Plakate zur Verteidigung Israels und gegen Antisemitismus nach wenigen
Minuten schon wieder abgerissen worden seien, so habe es doch ihr
Selbstbewusstsein gestärkt. „Wir werden ernst genommen“, sagt Joel.
„Wenn es solche Gruppen gibt, fühlt man sich nicht mehr so allein“,
bestätigt [4][Nicole Pastuhoff]. Sie leitet den Jüdischen
Studierendenverband in Nordrhein-Westfalen, ist aber in Berlin zu Gast, um
auf einer Veranstaltung des Vereins Democ zu sprechen.„Niemand fühlte sich
für unsere Probleme verantwortlich“, beklagt Pastuhoff. Man dürfe aber
nicht zum Bittsteller werden – und schon gar nicht als Experte für
Antisemitismus herhalten, nur weil man selbst jüdisch ist.
Eigentlich hätte die Democ-Tagung in Berlin-Kreuzberg stattfinden sollen.
Doch Sorgen um die Sicherheit der Teilnehmer zwangen kurzfristig zum Umzug
in Räume der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Stattgefunden hat das Treffen
also trotzdem.
Auch die Betreiber des Bajszel in Neukölln haben sich dazu entschlossen,
sich nicht in ein Mauseloch zu verkriechen, sondern die Offensive zu
suchen. Nach dem versuchten Brandanschlag gingen sie an die Medien. Sie
versteckten ihre Namen nicht, suchten Verbündete. Reinhardt und Carstiuc
beklagen, dass die Polizei anfangs nur halbherzig ermittelt habe und dass
Beweismittel weggeworfen worden seien. Auch jetzt sei der Schutz der Kneipe
immer noch unzureichend.
## Es kommen mehr Gäste, nicht weniger
Darüber und über die Details ihrer Ermittlungen möchte die Polizei keine
Auskunft geben. Es sei schon „sehr seltsam“, als Linke mit der Polizei zu
kooperieren, meint Andrea Reinhardt. Alexander Carstiuc erinnert sich,
welch negative Erfahrungen er als junger Antifaaktivist einst in seiner
bayrischen Heimat mit der Polizei gemacht hat. Doch jetzt sei das
staatliche Gewaltmonopol zweifellos besser, als Anschläge einfach
hinzunehmen oder, schlimmer noch, das Handtuch zu werfen.
Die Schmierereien an den Hauswänden des Bajszel haben nach dem
Brandanschlag nicht aufgehört. Aber deswegen sind nicht weniger Leute
gekommen. „Es kommen viele neue Gäste“, sagt Reinhardt. Mehr als 300
Menschen demonstrierten am Tag nach dem Brandattentat vor der Kneipe. Eine
Angestellte habe aus Furcht gekündigt, doch dafür seien mehr als zehn
Bewerbungen auf den Job eingegangen, erzählen die beiden am Kneipentisch.
Mitte Oktober sitzt auch Martin Hikel am Kopfende eines langen Tischs im
Bajszel, um ihn herum die Kneipencrew und ihre Freunde. Der
Bezirksbürgermeister von Neukölln und Berliner SPD-Vorsitzende ist
gekommen, um den Betreibern seine Solidarität zu versichern. Er sei
dankbar, dass es das Bajszel gebe, sagt er. Dann sind die so Gelobten dran.
„Beängstigend“ sei die Situation, sagt eine junge Frau. „Ich habe wirklich
Angst“, erklärt eine andere. Eine dritte Frau bekennt, aus Neukölln
fortgezogen zu sein. Bürgermeister Hikel hört erst einmal nur zu.
Die Tür geht auf, ein Mann schaut herein. „Alles gut?“, fragt er. „Alles
gut“, lautet die Antwort. Die Tür schließt sich wieder.
Eine Frau am Tisch erzählt von einem Vater, der mit seinem Kind an der
Kneipe vorbeigekommen sei. Das Kind habe in den Laden gewollt, vielleicht
um ein Eis zu essen. „Ne, das sind die Zionistenschweine“, habe der Vater
gesagt und sei weitergezogen. Das Verhältnis zu den arabischen Nachbarn im
Haus habe sich verändert, sagt Alex Carstiuc.
Wenn es um konkrete Hilfen geht, so stellt sich an diesem Abend heraus,
sind die Möglichkeiten eines Berliner Bezirksbürgermeisters arg begrenzt.
„Wir tun was. Aber es ist echt nicht einfach“, sagt Hikel. Für Schulbildung
ist er nun mal nicht zuständig und auch nicht für Polizei und Feuerwehr.
Hikel verspricht, Kontakte herzustellen, für den Laden zu werben. Die
Kneipenrunde ist ihm für seine Ehrlichkeit dankbar.
## „Unlautere Verknüpfung“
Ein paar Tage später verabschiedet das Neuköllner Bezirksparlament eine
Resolution. Die Bezirksverordnetenversammlung verurteilt „stellvertretend
für alle antisemitischen und antiisraelischen Übergriffe und Gewaltakte die
Angriffe auf die Programmschänke Bajszel“, heißt es darin. Und weiter:
„Solch ein Exzess reiht sich in Entwicklungen ein, bei denen Hebräisch
sprechende Menschen angegriffen wurden, auf Demonstrationen das
Existenzrecht Israels negiert wird und offen Terror unterstützt wird.“
Die Linkspartei hat der Resolution nicht zugestimmt. In einer Erklärung des
Vorstands heißt es, im Text fehlte ein Hinweis auf den Antisemitismus von
rechts. Stattdessen würden „Einwanderer für ansteigenden Antisemitismus
verantwortlich gemacht“ und „pauschal des Antisemitismus verdächtigt“.
Allerdings ist im Text der Resolution davon keine Rede. Dort heißt es
lediglich, „Emotionen dürfen und können keine übergriffigen oder gar
gewalttätigen Taten auf andere Menschen in Neukölln rechtfertigen“. Der
Neuköllner Linke-Fraktionschef Ahmed Abed, der sich in der
Gaza-Solidaritätsbewegung engagiert, beharrt der taz gegenüber dennoch auf
einer „unlauteren Verknüpfung“. Und sagt, dass die Linksfraktion
selbstverständlich die Gewalt gegen die Kneipe verurteile.
Abed war im September 2023 anwesend, als Protestierende versuchten, im
Bajszel eine Versammlung zu sprengen. Dort war eine Broschüre mit dem Titel
„Mythos Israel 1948“ vorgestellt worden, die nach Abeds Ansicht „einseitige
Darstellungen bis hin zu geschichtsfälschenden Aussagen enthält“.
Der Neuköllner Bezirksverband der Linken gilt als Hort eines Parteiflügels,
der formal Antisemitismus ablehnt, aber immer dann, wenn Judenhass ganz
konkret von links oder von muslimischer Seite thematisiert wird, zum
Radiergummi greift. Im Bezirk ist auch Genosse Ramsis Kilani zu Hause, der
das Pogrom vom 7. Oktober als „Widerstand“ gegen eine „zionistische
Siedlerkolonie“ verharmlost. Dabei lebten die Angegriffenen des 7. Oktobers
auf israelischem Kernland und nicht in besetztem Gebiet. Gegen Kilani soll
mittlerweile ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden sein.
## Die Polizei findet die Täter nicht
Am Kneipentisch möchten Andrea Reinhardt und Alexander Carstiuc nicht
darüber spekulieren, wer die Angreifer auf das Bajszel sind. Sie wissen es
nicht. Und auch die Polizei tappt bei ihren Ermittlungen offenbar im
Dunkeln. Die Staatsanwaltschaft hat im Oktober die ersten Verfahren schon
wieder eingestellt. Es seien keine Tatverdächtigen bekannt geworden und es
habe auch „keine Ermittlungsanhalte gegeben“, heißt es zur Begründung.
In der Nacht zum 30. Oktober, flog erneut ein Pflasterstein auf das
Bajszel. Es war 3 Uhr nachts, zwei Gäste befanden sich noch im Lokal,
Andrea Reinhardt war gerade dabei, aufzuräumen. Sie hörte einen dumpfen
Knall, sah die beschädigte Scheibe, rannte zur Eingangstür. Doch draußen
war niemand zu sehen. Auch einer der Gäste, der die Umgebung absuchte, fand
nichts Verdächtiges. Die Polizei kam zu spät.
Dafür prangt jetzt erneut ein großes rotes Hamas-Dreieck an der Fassade.
Der Pflasterstein war so groß, dass er nicht in eine der Tüten passte, in
die die Polizei verdächtige Gegenstände vom Tatort einsammelt, berichtet
Andrea Reinhardt am Tag danach. In der Gegend rund um das Bajszel gebe es
solche Pflastersteine nicht.
Sind sie hier jetzt sauer auf Bürgermeister Martin Hikel, weil der zu viel
versprochen habe? Reinhardt und Carstiuc schütteln die Köpfe. Der mache
einen „sehr guten Job“, sagt Carstiuc. Nur fehlten ihm halt die
Kompetenzen, um die Kneipe wirklich zu schützen.
Das Gespräch zwischen Andrea Reinhardt und Alexander Carstiuc kreist an
diesem Abend danach auch um einen Vorfall, der sich wenige Stunden zuvor am
S-Bahnhof Neukölln abgespielt hat, nur etwa 100 Meter vom Bajszel entfernt.
Dort flüchtete ein Mann bei einer Personenkontrolle über die Gleise vor der
Polizei. Er hinterließ eine Tasche, darin hochexplosiver Sprengstoff, so
gefährlich, dass er in der Nähe in einem rasch gegrabenen Erdloch in einem
Park zur Detonation gebracht werden musste.
War damit ein Anschlag auf die Kneipe geplant? Oder ist es purer Zufall,
dass der Mann in Neukölln aufflog? Niemand weiß es. Andrea Reinhardt hat in
der letzten Nacht kaum schlafen können. „Ich mache meinen Job ganz normal
weiter“, versichert sie trotzig. Und dass der Steinwurf sie „nicht wirklich
überrascht“ habe.
Das Bajszel ist nach dem Anschlag knallvoll. Die Gäste lassen sich nicht
abschrecken. „Ja, man steht unter Druck“, sagt Andrea Reinhardt. Aber sie
und Alexander Carstiuc denken gar nicht daran, sich zu beugen. Auf die
Frage, ob nicht doch eine Situation eintreten könne, die sie dazu zwinge,
die Kneipe zu schließen, kommt ihre Antwort wie aus einem Mund: „Never
ever.“
1 Nov 2024
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