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Es gibt 27 Trappenarten auf der Welt. In Deutschland kümmert man sich vor
allem um Großtrappen, die wie so viele Tierarten nur noch in der DDR
überlebt hatten. Nach der Wiedervereinigung waren sie aber plötzlich auch
dort gefährdet, weil „Bonn“ unter anderem eine neue Bahntrasse von Berlin
nach Hamburg durch ein Großtrappengebiet plante. Nach Protesten wurde ein
halbwegs trappenfreundlicher Kompromiss gefunden.
Zwar gibt es auch heute noch keine Großtrappen in Westdeutschland (sie
werden schon wissen, warum), aber auf dem Territorium der DDR leben laut
„Förderverein Großtrappenschutz e. V.“ nun 302 Großtrappen, davon im
Havelländischen Luch 124, in den Belziger Landschaftswiesen 46 und im
Fiener Bruch 119 Individuen. Im Zerbster Land, wo in den vergangenen zwei
Jahren Jungvögel im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts ausgewildert
wurden, leben 13 Großtrappen.
Großtrappen sind die allerschwersten flugfähigen Vögel, die es hierzulande
gibt. Bis zu 17 Kilo können die mächtigen Hähne auf die Waage bringen. Wenn
sie zu viel Luzerne, dito Schneckenklee, oder Insekten gefressen haben,
kommen sie nicht mehr hoch. „Aufgrund ihrer Tarnfarbe und des Gewichts, das
nötig ist, um die Flucht ergreifen zu können, fallen viele Trappen mit
ihren Eiern Mähdreschern und Traktoren zum Opfer,“ heißt es in Gabi
Martínez Bericht „Wahrer Wandel. Eine Rückkehr zum Ursprung im Hirtenland“
(2024).
Der Reiseschriftsteller Martínez arbeitete als Schafhirte im
Biosphärenreservat La Siberia der spanischen Extremadura, wo er eine
Großtrappe beobachtete: „Ihr stets gerader Hals verleiht ihrem schwankenden
Gang etwas Würdevolles, und wenn sie ihren Schwanz wie einen Fächer
ausbreitet, sieht sie so vornehm aus wie ein etwas fülliger Aristokrat. Sie
ist so kokett, dass sie Gift frisst, um sich attraktiver zu machen, vor
allem das Männchen, das, wenn es ein Weibchen erobern will, giftige
Insekten verspeist, die es als Einlauf benutzt, um sich zu reinigen und
eine schlankere Figur zu erreichen.“
Martínez behauptet, dass die Großtrappe auch sehr widerstandsfähig gegen
giftige Chemikalien geworden sei, was daher komme, dass sie die Steppen der
Extremadura durchstreife, die ständig besprüht werden. Bewusst nehme das
Männchen jedoch die natürlichen Gifte zu sich, vor allem in der
Paarungszeit fresse es jede Menge Ölkäfer und schwarze Käfer mit roten
Bändern, die reich an Cantharidin sind, ein giftiges Monoterpen, „das schon
Menschen getötet hat.“
Der Großtrappe aber „dient es dazu, sich von Parasiten, Nematoden und
Bakterien zu befreien. Und dann, wenn er schön sauber ist, kommt der
Augenblick, dem Weibchen, das er verführen will, seine Kloake zu zeigen.“
Das kennt man von den Reichen, die in ihren Villen auch gerne ihre schicken
Toiletten vorführen. Der Großtrappe „breitet das prächtige Schwanzgefieder
aus, das Weibchen späht in die Öffnung ihres möglichen Liebhabers,
inspiziert sie, prüft dabei das makellose Weiß der Federn, die frei von
ansteckenden Erregern sind, und antwortet, wenn alles hübsch glänzt, so
etwas wie ‚Los geht’s‘.“
Dies waren nebenbei bemerkt auch die Worte von Juri Gagarin, als seine
Rakete ihn ins All schoss. Das war noch in der Sowjetunion, wo es ebenfalls
Großtrappen gab. Der in Baku aufgewachsene „Geopoet“ Alexander
Ilitschewski, der in Moskau Mathematik und theoretische Physik studierte,
besuchte nach einigen Auslandsaufenthalten seinen in Aserbaidschan
gebliebenen Schulkameraden, genannt „Der Perser“. Und so hieß dann auch
sein 2016 veröffentlichtes Buch über ihr Wiedersehen im Nationalpark
Shirvan an der aserbaidschanischen Küste des Kaspischen Meeres, wo „Der
Perser“ als Brigadier einer Gruppe von Wildhütern arbeitete. Sie sollten
unter anderem die dort lebenden Großtrappen schützen.
## Schwäne gegen Lebensmittel
Der Leiter des Parks war ein Deutscher, der in Baku lebte und sich nur
selten bei ihnen blicken ließ. Ebenso selten bekamen die Ranger ein Gehalt.
Sie waren deswegen fast Selbstversorger und fingen zum Beispiel Falken, die
sie für viel Geld auf dem Falkenmarkt im pakistanischen Quetta verkauften.
Oder sie tauschten in Baku Schwäne gegen Lebensmittel.
Wegen der immer fanatischeren Hinwendung der müßigen Saudis zur Falkenjagd
wurden die Großtrappen auf der arabischen Halbinsel und in Marokko
ausgerottet. Die Saudis erkauften sich schließlich bei der
aserbaidschanischen Regierung das Recht, mit ihren Falken im Schutzgebiet
Shirvan zu jagen. Sie wollten mit 100 Falken kommen. Das mache dann für die
Dauer ihres Jagdausflugs 2.000 Trappen, rechnete „Der Perser“ seinen
Wildhütern vor. Heimlich brachten sie daraufhin so viele Zuchttrappen wie
sie fangen konnten auf eine unbewohnte iranische Insel im Kaspischen Meer.
Die saudischen Falken erwischten darob nicht mehr viele Trappen im
Nationalpark. Ihre Scheichs beschwerten sich bei der aserbaidschanischen
Regierung. Diese veranlasste den Umweltminister, den Nationalpark Shirvan
zu schließen, was dem deutschen Leiter recht war, er konnte nun endlich
wieder zurück nach Deutschland. Aber die Wildhüter hatten fortan keine
Arbeit mehr und zerstreuten sich. Was ihr Brigadier, „Der Perser“,
daraufhin machte, habe ich vergessen oder Ilitschewski hat es nicht
erwähnt. Jedenfalls sind die sowjetischen oder postsowjetischen Großtrappen
Aserbaidschans nun im Iran.
Dafür haben die DDR- oder Post-DDR-Trappen, vor allem die im Fiener Bruch
Lebenden, nun eine Perserin. Sie heißt Anna Marinko, kommt aus Schweden und
lebt im Fiener Großtrappenschutzgebiet. Seit zehn Jahren zieht sie von
April bis Oktober die Jungvögel im Gehege der dortigen Vogelschutzwarte auf
und im Herbst wildert sie sie aus. Darüber berichtet sie in einem Blog.
## Ein Vogel der Mythen
Ihre Trappenleidenschaft begann schon vor 22 Jahren: „Es passierte in
meiner Kindheit, als ich ungefähr 13 Jahre alt war. Ich war in einem Camp,
wo wir auch Trappen gesehen haben. Ich wollte mehr wissen über diesen
Vogel. Damals gab es bei uns noch kein Internet und ich bin von einer
Bibliothek zur anderen gegangen, ohne richtigen Erfolg. In Ungarn waren
Trappen immer weit weg. So unnahbar, unerreichbar, scheu … ein Vogel der
Mythen … die Könige der Felder. Ich habe nicht gleich gemerkt, dass ich in
den Trappen verliebt bin.“
Aber dann schrieb Marinko ihre Bachelor- sowie Masterarbeit über die
Großtrappen. Mittlerweile schlagen in ihr „zwei Herzen. Auf der linken
Seite – wie gewohnt – ist das Herz und auf der rechten Seite gibt es ein
Herz für die Großtrappen“.
4 Nov 2024
## AUTOREN
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