# taz.de -- SPD-Politiker Schmid über Georgien-Wahl: „Hinweise auf umfangreiche Stimmenkäufe“

> Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion fordert als
> Reaktion auf den Wahlbetrug neue Sanktionen – solange es die Richtigen
> trifft.
taz: Herr Schmid, die Bundesregierung hat sich noch nicht eindeutig zum
Wahlergebnis in Georgien geäußert. [1][Die prorussische Regierungspartei
„Georgischer Traum“ soll am Wochenende angeblich 54 Prozent der Stimmen
gewonnen haben.] Sollte sich Deutschland jetzt klar auf die Seite der
Opposition stellen, die von gefälschten Wahlen spricht? 

Nils Schmid: Alle Regierungen in Europa, auch die Bundesregierung, sollten
klarmachen, dass es offensichtlich breit angelegten Wahlbetrug und
Beeinflussung durch die Regierungspartei und die von ihr beherrschten
staatlichen Organe gegeben hat. Das Dringendste ist jetzt die Aufklärung
über die vermutete mehrfache Stimmenabgabe von vielen tausend Wähler:innen.
Das könnte das Ergebnis verfälscht haben.

taz: „Könnte“ sagen Sie. Der vorläufige Bericht der OSZE-Wahlbeobachter hat
zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Aber reicht das, um von
Wahlbetrug zu sprechen? 

Schmid: Auch die einheimischen Wahlbeobachtungsorganisationen bestätigen
Unregelmäßigkeiten, haben aber kein eigenes Auszählergebnis veröffentlicht.
Deshalb ist der Nachweis des Wahlbetrugs schwierig. Wir haben aber sehr,
sehr schwerwiegende Hinweise auf umfangreiche Stimmenkäufe, vor allem in
ländlichen Regionen, und darauf, dass Lücken in der Wählerregistrierung
ausgenutzt wurden. Das war insbesondere bei Staatsbediensteten der Fall,
die offensichtlich ihre Stimme mehrfach an verschiedenen Wahllokalen
abgeben konnten. Das ist offenkundig in großer Zahl geschehen und hätte
dann selbstverständlich Einfluss auf das Wahlergebnis. Die georgischen
Behörden müssen jetzt die Wählerregister offenlegen, damit eine doppelte
oder mehrfache Stimmenabgabe nachvollzogen werden kann. Wenn sie das nicht
tun, dann hat die aktuelle georgische Regierung offensichtlich was zu
verbergen.

taz: Die Wahlleitung will in 14 Prozent der Wahllokale neu auszählen
lassen, also etwa 5 Prozent der Stimmen. Reichen diese Korrekturen? 

Schmid: Es ist zumindest die Bandbreite, die den Unterschied zwischen Sieg
und Niederlage für Regierung oder Opposition ausmachen können. Aber
unbedingt erforderlich ist nicht nur eine Neuauszählung, sondern die
Offenlegung des Wählerverzeichnisses und ein Abgleich mit den Wahllokalen.

taz: Erwarten Sie, dass alles offengelegt wird und die Opposition im
Endergebnis möglicherweise doch gewinnt? [2][Russland hat gezeigt, dass es
Wahlen beeinflussen kann] und kein Interesse an einer prowestlichen
Demokratie in der Nachbarschaft hat. 

Schmid: Das ist jetzt eben die Nagelprobe für die Demokratie in Georgien.
Kommt es nicht zu einem solchen umfassenden Abgleich im Wählerregister,
wird die Wahl für immer mit dem Ruch des Wahlbetrugs verbunden sein. Die
bisherige Vorgehensweise der georgischen Regierung lässt wenig Gutes
hoffen.

taz: In den letzten Jahren sind 340 Millionen Euro EU-Gelder nach Georgien
geflossen, Deutschland ist der zweitgrößte bilaterale Geldgeber. Sollten
diese Zahlungen dann auf den Prüfstand? 

Schmid: Auf alle Fälle. Die bilaterale Zusammenarbeit Deutschlands mit
Georgien kann dann künftig nur noch mit regierungsfernen Organisationen der
Zivilgesellschaft stattfinden. Nicht mit der korrupten Regierung. Gleiches
gilt für die EU-Gelder, die im Vorfeld eines EU-Beitritts und im Rahmen der
östlichen Partnerschaft gezahlt werden. Seit Juni gilt bereits ein
vorläufiger Auszahlungsstopp. Klar ist auch, dass mit dem jetzigen Kurs die
Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht erfüllt
sind. Georgien kann also auf dem Weg in die EU nicht weiter vorankommen.

taz: Genau das will Russland. Wenn man diesem Drehbuch folgt, hat sich
Putin vollumfänglich durchgesetzt, oder? 

Schmid: Wir können aber nicht über die weitverbreitete Korruption und die
Rückschritte bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hinwegsehen. Das
Verhalten der georgischen Regierung muss Konsequenzen haben, allerdings
nicht zu Lasten der Zivilgesellschaft.

taz: Das heißt? 

Schmid: Deshalb bin ich dafür, dass wir an der Vereinbarung zur
Visafreiheit mit Georgien festhalten. Dessen Wegfall würde ja vor allem die
einfache Bevölkerung treffen und nicht die Eliten, die andere Möglichkeiten
haben zu reisen. Allerdings sollte die EU gezielte Sanktion vorbereiten
gegen Personen, die für Wahlfälschungen und Eingriffe in den Rechtsstaat
verantwortlich sind.

taz: Aber bringt das was? 

Schmid: Georgien ist zu einem erheblichen Anteil wirtschaftlich mit der EU
verbunden. Eine gedeihliche Entwicklung ist nicht mit Russland, sondern mit
der EU, dem größten Binnenmarkt der Welt, verknüpft. Die EU sollte also auf
ihre eigene Attraktivität setzen.

taz: [3][Sollte das Fachkräfteabkommen mit Georgien] dann fortgesetzt
werden? 

Schmid: Das betrifft ganz normale Bürgerinnen und Bürger aus Georgien. Wir
sollten die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung nicht aufs
Spiel setzen.

29 Oct 2024

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## AUTOREN
Anna Lehmann
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