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Vielleicht wird man nie erfahren, wie viele Wähler*innen in Georgien am
Samstag wirklich für die Regierungspartei Georgischer Traum (KO) gestimmt
haben und deren plumper Antikriegspropaganda – natürlich ist der Westen
schuld – auf den Leim gegangen sind. Doch dessen ungeachtet ist [1][das
Ergebnis für die Opposition, die es trotz aller internen Zwistigkeiten
geschafft hat, sich zusammenzuraufen, eine herbe Enttäuschung]. Schließlich
ging und geht es um nichts Geringeres als die Entscheidung darüber, ob die
Südkaukasusrepublik ihre Chancen auf einen EU-Beitritt wahrt oder weiter in
Richtung Moskau marschiert.
Sowohl der Wahlkampf des KO als auch der Ablauf des Wahltags erinnern eher
an Methoden, die in Russland und Belarus gängig sind. Das stimmt für die
nächsten Jahre, sollte der KO an der Macht bleiben, nicht gerade
optimistisch. Wahlmanipulationen in bedeutendem Ausmaß, Bedrohungen von
Wahlbeobachtern und Medienvertreter*innen bis hin zu massiven
tätlichen Übergriffen, Druck auf Wähler*innen sowie die Stigmatisierung
der Opposition und ihrer Unterstützer*innen als kriegslüsterne Feinde
Georgiens, die nichts weiter seien als hirnlose, willfährige
[2][Erfüllungsgehilfen des Westens]: Wer diese Praktiken nötig hat, scheint
sich seines „überwältigenden Sieges“ offensichtlich doch nicht so ganz
sicher zu sein. So ist es wohl kein Zufall, dass größere Feiern des KO
einfach ausfielen.
Die Frage ist jetzt, wie das Oppositionslager mit dieser Situation umgehen
wird. Die wochenlangen Massenproteste gegen das sogenannte Agentengesetz
und eine neue Regelung zum Verbot von „[3][LGTBQ+] Propaganda“ im
vergangenen Frühjahr haben gezeigt, dass die Georgier*innen echte
Steher*innenqualitäten haben. Um sich ihre europäische Zukunft nicht
verbauen zu lassen, sind viele bereit, einen hohen Preis zu zahlen.
## Dilemma der EU
Wahrscheinlich also werden die enttäuschten Wähler*innen nicht einfach
zur Tagesordnung übergehen. Dann ist jedoch alles möglich – mit allen
schrecklichen Konsequenzen. Denn die Brutalität von Polizei und
Sicherheitskräften bei ihren Einsätzen gegen Demonstrant*innen ist
hinlänglich bekannt.
Auch die EU steckt in einem Dilemma. Schon jetzt liegt der Beitrittprozess
auf Eis. Nach Lage der Dinge dürfte das erst einmal so bleiben, will
Brüssel sein Gesicht wahren. Schlimmer noch: Weitere Sanktionen stehen im
Raum, wie die Abschaffung der Visafreiheit. Auch wenn dieser Schritt aus
EU-Perspektive geboten scheint, würde vor allem die junge Generation nach
den Wahlen ein zweites Mal bestraft. Kann man das ernsthaft wollen? Die
Antwort lautet eindeutig: Nein!
27 Oct 2024
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