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Berlin taz | Mit dem [1][deutschen Lieferkettengesetz] ist Nasir Mansoor
ziemlich zufrieden. „Zum ersten Mal hören uns die deutschen Unternehmen
zu“, sagt der Gewerkschafter aus Pakistan. Gerade ist er zu Besuch in
Europa und hat Termine mit zehn Bekleidungshändlern ausgemacht, die Jeans,
T-Shirts und andere Produkte in Zulieferfabriken seines Heimatlandes
fertigen lassen.
„Nun haben wir ein Werkzeug in der Hand, mit dem es uns hoffentlich
gelingt, die [2][Arbeitsbedingungen in den pakistanischen Fabriken] zu
verbessern“, sagt Nasirs Gewerkschaftskollegin Zehra Khan. Das deutsche
Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, wie
es offiziell heißt, ist jetzt gut ein Jahr in Kraft. Es verpflichtet die
hiesigen Auftraggeber und Händler, sich auch um die sozialen und
ökologischen Menschenrechte der Beschäftigten zu kümmern, die in den
weltweit verstreuten Zulieferfabriken arbeiten. Früher haben die
europäischen Unternehmen die Arbeitsbedingungen dort oft ignoriert –
Hauptsache, die Produktionskosten waren niedrig.
Mit welchen Firmen die GewerkschafterInnen hierzulande in Kontakt stehen,
wollen sie nicht verraten, um die Gespräche über konkrete Verbesserungen
nicht zu gefährden. Vermutlich handelt es sich um Größen der Textilbranche,
zu denen unter anderem Adidas, Aldi, C&A, H&M, Hugo Boss, KiK, Lidl, Otto
und Tchibo gehören. „Manche Firmen wollen die Probleme lösen“, sagt
Mansoor, [3][andere suchten Ausflüchte]. Die Gäste aus Pakistan werden bei
ihrer Tour unterstützt von der Organisation Femnet, dem Europäischen
Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte und der Rosa-Luxemburg-Stiftung
der Linkspartei.
In den Gesprächen mit den Unternehmen stützen sich [4][Mansoor und Khan auf
ihre neue Studie]. Demnach gaben 97 Prozent der befragten pakistanischen
TextilarbeiterInnen an, keinen schriftlichen Anstellungsvertrag zu haben,
auf den sie sich in Konfliktfällen mit den Arbeitgebern berufen könnten.
Und wer keinen Vertrag habe, sei auch nicht in der Sozialversicherung,
erklärt Khan.
## Keine 82 Euro im Monat
Mehr als ein Viertel der ArbeiterInnen erhält nicht einmal den gesetzlichen
Mindestlohn, der umgerechnet 82 Euro monatlich beträgt. Außerdem würden
geleistete Überstunden oft nicht korrekt vergütet, und der bezahlte Urlaub
werde gekürzt, heißt es in der Studie. In den meisten Fabriken seien auch
keine Gewerkschaften aktiv, die bessere Arbeitsverhältnisse durchsetzen
könnten.
Laut Lieferkettengesetz sind die hiesigen Auftraggeber dafür
verantwortlich, dass, solche Missstände abgestellt werden. Doch bisher habe
sich die Lage für die Beschäftigten in Pakistan kaum verbessert, erklärt
Mansoor.
„Wir erwarten, dass auch die Unternehmen, die bisher noch wenig unternommen
haben, das bald nachholen, um dem Gesetz zu entsprechen“, sagt
Femnet-Mitarbeiterin Sina Marx. „Andernfalls behalten wir uns vor,
Beschwerden bei der zuständigen Kontrollbehörde Bafa einzulegen.“ Dieses
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, eine nachgeordnete Behörde
des von dem grünen Minister Robert Habeck geführten
Bundeswirtschaftsministeriums, soll die Einhaltung des Gesetzes durch die
Unternehmen überprüfen.
## Öffentliche Kontrolle fehlt noch
Das Lieferkettengesetz gilt seit Januar 2023. In dem Jahr sind [5][beim
Bafa 38 Beschwerden eingegangen]. Was aus diesen wird, will das Amt auf
Anfrage der taz jedoch nicht mitteilen, nur: „Bitte haben Sie Verständnis,
dass das Bafa keine tiefergehenden Auskünfte über seine Kontroll- und
Prüfprozesse oder zu etwaigen Beschwerden gegen einzelne Unternehmen geben
kann.“
Weil die Behördenarbeit so nicht öffentlich kontrolliert werden kann, hat
[6][Femnet 2023 selbst schon eine Beschwerde gegen Amazon und Ikea
eingereicht]. Was deren Prüfung durch das Bafa ergeben hat, und welche
Maßnahmen zur Abhilfe das Amt für nötig hält, ist der Organisation
ebenfalls nicht bekannt. „Dass das Bafa den Betroffenen kaum Informationen
über das Verfahren und seine Ergebnisse mitteilt und diese nicht
konsultiert, ist nicht verständlich“, sagt Femnet-Vorständin Gisela
Burckhardt.
30 Jan 2024
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