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Berlin taz | Schon in den 1950er Jahren zeigte der BMW Isetta, dass es
geht. Um die Jahrtausendwende sollte es der 3-Liter-Lupo richten, es
folgten Smart und Mini. Doch keinem von ihnen gelang es, den Trend zu
brechen – [1][Autos] wuchsen weiter. Eine Schweizer Firma wagt nun einen
weiteren Versuch.
„Wir wollen eine neue Produktkategorie schaffen. Zwischen dem Motorrad und
dem Auto“, sagt Oliver Ouboter in einem Beitrag im Schweizer Fernsehen.
Zusammen mit seinem Bruder Merlin und Vater Wim können seit diesem Jahr die
Kleinstautos ihrer Firma Microlino auch in Deutschland gekauft werden. Mit
dem E-Auto, das so klein ist, dass es keins ist, hat das
Familienunternehmen aus Küsnacht in der Schweiz Großes vor: Es soll den
Trend zu E-SUVs bremsen.
Deutsche besitzen immer mehr Autos und fahren sie auch. Deswegen sind im
Verkehrssektor die CO2-Emissionen bis heute auch nicht gesunken. Dazu
kommt, dass sich die Autobranche seit Jahrzehnten in eine Richtung bewegt:
größer, schneller, breiter. Und obwohl E-Autos mit höheren Reichweiten von
geringem Gewicht profitieren könnten, folgen sie dem Trend.
Dabei gibt es seit dem vergangenen Jahr mit dem Microlino ein Auto, von dem
drei Stück auf einen Stellplatz passen sollen. Es wiegt knapp 500
Kilogramm, ist 2,50 Meter lang und 1,50 Meter breit. Damit ist das Auto so
lang wie bestehende Parkplätze breit. Man könnte ihn auch für einen
fahrenden Kühlschrank mit 17 PS halten, denn um einzusteigen, schwingt die
gesamte Front des Autos nach vorne auf.
Zwei Erwachsene finden darin Platz, dazu laut Hersteller noch drei
Bierkästen im Kofferraum. Die Spiegel sind wie zwei Becher, die horizontal
an der Seite des Autos angebracht wurden, in ihnen sind auch die Lichter
eingebaut. Die Version mit der größten Batterie soll nach 5 Stunden an
einer Haushaltssteckdose aufgeladen sein und dann im Winter 180, im Sommer
230 Kilometer weit kommen.
## Eigene Kategorie für das Kleinstauto
Wegen seines geringen Gewichts wird das Auto wie ein Quad in der Kategorie
L7E zugelassen. Diese Kategorie fällt aber nicht in die Förderprogramme des
Bunds für Elektroautos. Deswegen wollen die Hersteller, dass für das
Kleinstauto eine eigene Kategorie geschaffen wird. Trotzdem ist der
Microlino mit einem Einstiegspreis von 15.000 Euro einer der billigsten
Elektro-Kleinwagen. Im Vergleich: Der Durchschnittspreis der im vergangenen
Jahr verkauften E-Modelle liegt laut einer Analyse des Center of Automotive
Management (CAM) bei rund 50.000 Euro.
Um die Maße zu reduzieren, haben die Macher nur eingebaut, was wirklich
notwendig ist. So gibt es keine Servolenkung, keine Fahrassistenzsysteme,
nicht einmal Airbags. Dafür fährt er auch nur 90 Kilometer pro Stunde. Die
rechte Spur auf der Autobahn kann man also nehmen, aber designt ist das
Auto für die Stadt.
Die Firma Micro ist ein Familienunternehmen aus der Schweiz. Der Vater
entwickelte Tretroller, verkaufte insgesamt 50 Millionen Stück in
verschiedenen Ausführungen. Genug, um jetzt das Autoprojekt zu finanzieren.
2016 präsentierte Micro in Genf das erste Modell des Microlinos. Nachdem
die Reaktionen positiv waren, sollte das Auto bald in Serie gehen und
inzwischen eigentlich schon längst auf den Straßen unterwegs sein.
## 35.000 Kund:innen haben sich bereits einen reserviert
Aber es gab Streitigkeiten mit dem damaligen Partner, der deutschen Firma
Artega. Sie sollte den Microlino in Serie produzieren, präsentierte aber
einen Klon des Microlinos unter anderem Namen auf einer Automesse. Nach
Rechtsstreit und außergerichtlicher Einigung trennten sich die Partner,
aber beide Firmen dürfen das Auto produzieren. Artega verkaufte jedoch die
Rechte 2022 an das deutsche Start-up Electric Brands, das den Klon unter
dem Namen Evetta produziert und vermarktet, inklusive Cabrio-Version. Die
ersten Evettas sollen auch 2023 geliefert werden, insgesamt 4.000 im
ersten, 30.000 im zweiten Jahr.
Mit einem neuen Partner ging es bei Micro schneller und die Schweizer
lieferten die ersten Autos einer Vorserie 2022 aus. Inzwischen laufen 8
Microlinos pro Tag vom Band in Turin, demnächst 24. 2023 sollen so 5.000,
im Jahr darauf 12.000 Microlinos gebaut werden. 35.000 Kund:innen haben
sich bereits einen reserviert, die Hälfte davon aus Deutschland.
„Ich sehe nicht, dass dieses Autoprojekt jetzt einen großen Trendbruch
erzeugen wird“, sagt der Sozialwissenschaftler Oliver Schwedes. Er leitet
an der Technischen Universität Berlin den Fachbereich Integrierte
Verkehrsplanung und verfolgt seit über 20 Jahren Kleinwagen-Projekte. „Aus
ihnen ist aber nicht viel geworden“, sagt Schwedes. Der Lupo war ein
„totaler Flop“. Nur wenn das Mini-Auto politisch gefördert werde, werde es
Erfolg haben.
## Kleine Autos werden automatisch attraktiver
Für eine nachhaltige Verkehrsstrategie müsste auch etwas gegen große
Fahrzeuge unternommen werden. Tübingen und Freiburg machen es vor. Statt
120 Euro für einen Anwohnerparkausweis kostet er in Tübingen für SUVs
inzwischen 180 Euro (geplant waren 360 Euro). In Freiburg zahlen Anwohner
abhängig von ihrer Länge zwischen 240 und 480 Euro im Jahr. Das seien gute
Beispiele.
Denn, [2][wenn große Autos teurer würden], „dann werden die kleinen
Fahrzeuge automatisch attraktiver“, sagt Schwedes. Er warnt gleichzeitig
vor Rebound-Effekten: Die Kleinstwagen dürften nicht dazu führen, dass viel
mehr Menschen Auto fahren. Denn es gehe vor allem um die [3][Vermeidung von
Verkehr].
In der Vergangenheit hatte es immer den gleichen Grund, warum
Kleinwagen-Projekte gescheitert sind: „Die Automobilindustrie hat
eigentlich kein Interesse an diesen Kleinstwagen“, denn die großen Profite
würden die Autohersteller mit den großvolumigen Fahrzeugen machen.
9 May 2023
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