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Kommen [1][die Olympischen Jugendspiele] bald nach Nordkorea? Seit Monaten
wird darüber diskutiert: Wenn im Jahr 2024 Gangwon die Winterspiele für den
Nachwuchs veranstaltet, hätte die südkoreanische Gastgeberprovinz offiziell
gerne Nordkorea als Co-Veranstalter. „Eine gemeinsame Austragung wäre der
kräftigste Hebel, um Frieden zu wahren und Krieg weiter vorzubeugen“, sagte
Choi Moon-soon, der Gouverneur von Gangwon, Anfang des Jahres.
Ideen einer gesamtkoreanischen Austragung gab es schon für die Fußball-WM
der Frauen 2023 und die Olympischen Sommerspiele 2032. Bisher scheiterten
sie bereits am zu unregelmäßigen Austausch der zwei Staaten, die seit dem
Koreakrieg ab 1950 im Kriegszustand verharren. „Wir haben noch Zeit“,
beteuerte der Politiker Choi im Februar, als er seine Vision der
Öffentlichkeit vorstellte und auch gleich gestand: Aus dem Norden habe er
noch keine Rückmeldung.
In Südkorea ist man sich einig, dass sich eine gemeinsame Austragung bei
kaum einem Wettbewerb so sehr anböte wie bei Winterspielen. Schließlich
verfügt Nordkorea in der ans südkoreanische Gangwon grenzenden Provinz
Kangwon über das wettkampftaugliche Skigebiet Masikryong. Das vor knapp
einem Jahrzehnt eröffnete Resort gilt als luxuriöseste Hotelanlage
Nordkoreas.
Die Welt zu Gast in einem hochklassigen Skigebiet Nordkoreas: Müsste es
nicht eine vortreffliche Gelegenheit für den diktatorisch regierten
Einparteienstaat sein, um die vermeintliche Überlegenheit des eigenen
Systems anhand des Sports zu demonstrieren? Der nordkoreanische Staat
ignoriert die Einladung aus dem Süden womöglich, weil aus den eigenen
Reihen keine Topleistungen zu erwarten wären. Laut einiger Beobachter
befindet sich Nordkoreas Sport derzeit in der vielleicht schwersten Krise
seiner Geschichte. Denn mit Beginn der Pandemie [2][schottete sich
Nordkorea noch stärker ab] als zuvor ohnehin. Sogar zu Russland und China,
mit denen der ansonsten isolierte Staat bis dahin Handel getrieben hatte,
wurden die Grenzen geschlossen. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen
sind 42 Prozent der Bevölkerung unterernährt.
## Einst Vorbild für Südkorea
Zu den olympischen Sommerspielen von Tokio wurde 2021 keine Delegation
geschickt, [3][woraufhin das IOC Nordkoreas Nationales Olympisches Komitee
suspendierte.] Auch von den Winterspielen in Peking Anfang dieses Jahres
blieb Nordkorea fern. Mit der Suspendierung erhält die Sportwelt eines der
ärmsten Staaten der Welt auch vom IOC keinerlei Unterstützung.
„Das Sportsystem hat im Moment große Probleme“, sagt Vladimir Tikhonov,
Professor für Koreanistik an der Universität Oslo. Der gebürtige Russe mit
südkoreanischem Pass verfolgt den Sport schon länger, sagt mit Blick auf
die Geschichte des kommunistisch regierten Staates: „In den 1960er und
1970er Jahren, teilweise auch noch in den 1980ern, schnitt Nordkorea bei
Sportveranstaltungen oft besser ab als Südkorea.“ Südkorea habe sich in
seinem Sportfördersystem lange am Norden orientiert.
Gemessen an den begrenzten ökonomischen Möglichkeiten des Staates ist
Nordkorea über lange Zeit eine erfolgreiche Sportnation gewesen. Bei
Sommerspielen holte man bis 2016 immer mindestens zwei Medaillen. Wie die
Sportfördersysteme anderer kommunistisch regierter Staaten beginnt die
Selektion über die Schule. „Wer für Nordkorea eine Medaille gewinnt, wird
zu einer Art Held der Arbeit erklärt“, so Vladimir Tikhonov. „Als Belohnung
erhält man ein importiertes Auto und eine Wohnung in Pjöngjang.“
Als Nationalhelden gelten die Spieler der Fußballnationalmannschaft der
Männer von 1966, die bei der Weltmeisterschaft in England sensationell
Italien besiegten und bis ins Viertelfinale kamen. Ebenso die
Volleyballerinnen, die bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München
Bronze holten, indem sie Südkorea schlugen. Ähnlich populär ist heute die
Judoka Kye Sun-hee, die bei den Sommerspielen 1996 in Atlanta die
favorisierte Ryoko Tamura, die als Japanerin zudem die einstige
Kolonialmacht Koreas repräsentierte, besiegte und Gold gewann.
## Schwächung durch Sanktionen
Wie groß die derzeitige Krise des nordkoreanischen Sports ist, erkenne man
daran, wie alt diese größten Erfolgsgeschichten allmählich werden, so
Vladimir Tikhonov. Schon vor der Pandemie wurde das zentralstaatlich
gelenkte Fördersystem empfindlich durch die seit 2017 intensivierten
UN-Sanktionen geschwächt, die aufgrund wiederholter nordkoreanischer
Raketentests beschlossen wurden. Sportausrüstungen konnten nicht mehr
importiert werden.
Im Inland wiederum ist Sport in vielerlei Hinsicht eher etwas für
Spezialisten. „Breitensport gibt es nicht wirklich“, sagt Vladimir
Tikhonov, wenngleich Fußball nach wie vor als beliebtester Sport gilt. Dass
aber allzu bald eine Generation heranwächst, die an das Niveau derer
heranreicht, die sich 2010 für die WM in Südafrika qualifizierte, deutet
sich im Moment nicht an. Bei den U23-Asienmeisterschaften schied Nordkorea
in den letzten zehn Jahren fast jedes Mal in der Gruppenphase aus.
Wenn Nordkoreaexperte Vladimir Tikhonov an den Zustand des nordkoreanischen
Sports generell denkt, muss er bitter lächeln. Schließlich sollten die
UN-Sanktionen ab 2017 dazu führen, dass das staatliche Waffenprogramm
geschwächt würde. „Stattdessen ist Nordkorea heute viel besser gerüstet als
damals, aber dem Sport und mehreren anderen Lebensbereichen fehlen die
Mittel.“ Es sei eine Frage der Priorisierung. Und je mehr die Medaillen und
Turniersiege in Zukunft ausbleiben, desto wichtiger könnten auch für den
nationalen Stolz weitere Waffentests werden.
24 Aug 2022
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