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Bremen taz | Mit einem Modellprojekt will das rot-grün-rote Bremen die
Versorgung papierloser Geflüchteter verbessern, die keine
Krankenversicherung haben. „Diese Initiative ist unbedingt nachahmenswert“,
sagt Marc Millies von [1][Refugio], einem Beratungs- und Behandlungszentrum
für Geflüchtete und Folteropfer in Bremen: „In den meisten Kommunen wird
ihnen der Zugang zur Gesundheitsversorgung nach wie vor erschwert oder
unmöglich gemacht.“
Beschlossen haben [2][SPD, Grüne und Linke in der Bremischen Bürgerschaft]
diese Initiative bereits 2019 – umgesetzt wird sie gleichwohl erst jetzt.
Jedoch ist das Projekt befristet, bis Ende des kommenden Jahres, und auf
die Stadt Bremen beschränkt; Bremerhaven bleibt außen vor.
Die geschätzten Kosten von 1,45 Millionen Euro werden aus dem
[3][Bremen-Fonds] beglichen, der dazu da ist, mit [4][1,2 Milliarden Euro]
die Folgen der Pandemie abzumildern. Und die habe „den besonderen Bedarf
der Zielgruppe noch einmal verschärft“, sagt der Senat: Wer aus Sorge vor
den Ausländerbehörden nicht zu Ärzt:innen geht, riskiert einen schwereren
Verlauf einer Corona-Infektion.
Genaue Statistiken gibt es zwar nicht, „groben Schätzungen“ der
Landesregierung zufolge liegt die Zahl der Nicht-Krankenversicherten aber
allein im Land Bremen „im kleinen vierstelligen Bereich“. Und nicht nur das
Grundgesetz, auch die [5][Allgemeine Erklärung der Menschenrechte] oder der
UN-Sozialpakt kennt ein Recht auf Gesundheit.
Ursprünglich wollte Bremen in Zusammenarbeit mit der örtlichen AOK ja eine
anonyme Gesundheitskarte einführen – das gehe aber nicht, weil dafür die
rechtliche Grundlage im Sozialgesetzbuch fehle, so der Senat. Und das
wiederum ist Bundesrecht. Deshalb soll es nun Behandlungsscheine geben, die
Betroffenen den Zugang zu ärztlicher Versorgung sichern soll und die „bei
Bedarf“ auch pseudonymisiert ausgestellt werden sollen.
Bisher gab es nur die [6][Humanitäre Sprechstunde in den Räumen des
Gesundheitsamtes], die zwar kostenlos ist, aber nur zwei Stunden pro Woche
erreichbar ist und auch nur eine „Basisversorgung“ anbieten kann. Selbst
der Senat findet das „nicht ausreichend“ und muss zugeben, dass die Angst
der Betroffenen vor einer möglichen Meldung bei anderen Ämtern mitunter
verhindert, dass sie diese Humanitäre Sprechstunde aufsuchen.
„Mit diesem Modellprojekt wird der dringend notwendige Zugang zur
medizinischen Versorgung für alle gewährleistet“, sagt Marc Millies von
Refugio. Er fordert zugleich „die Einbeziehung qualifizierter
Sprachmittlung“ in das Projekt, weil sie „eine weitere Hürde in der
Diagnostik und medizinischen Behandlung darstellen kann“.
Träger des Projekts ist ein im April gegründeter „Verein zur Förderung der
gesundheitlichen und medizinischen Versorgung nichtversicherter und
papierloser Menschen in Bremen“ (MVP), der schon eine [7][Website] hat, die
gerade online ging, aber wie das restliche Angebot noch im Aufbau ist.
„Das ist eine erhebliche Verbesserung“, sagt Gundula Oerter vom [8][Bremer
Flüchtlingsrat] – denn der MVP ermöglicht Papierlosen auch den Zugang zu
Fachärzten. Für sie ist der Modellversuch zwar „eine gute Lösung“ – aber
„nicht die beste: die Integration aller in die reguläre
Gesundheitsversorgung.“
## Die nächste Landesregierung entscheidet neu
Problematisch könnten Krankheitsfälle werden, die eine spezialisierte,
langwierige und damit teure Behandlung erfordern – für das laufende Jahr
sind die Behandlungskosten auf 400.000, für das kommende Jahr auf 700.000
Euro geschätzt worden. Und eine Perspektive für die Folgejahre hat das
Projekt bisher gar nicht – das ist Sache der neuen Landesregierung, die
2023 gewählt wird.
Geflüchtete erhalten Gesundheitsleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz, je nach Bundesland oder Kommune ist das
entweder ein Krankenschein, der drei Monate gilt, oder eine elektronische
Gesundheitskarte. Erst nach 15 Monaten kommen sie in die [9][reguläre
Gesundheitsversorgung]. Aus Sicht des Flüchtlingsrats sei das ein
„verfassungswidriger“ Zustand, sagt Oerter, die vehement eine Abschaffung
des Asylbewerberleistungsgesetzes fordert.
Initiativen für Papierlose, wie sie Bremen jetzt hat, gebe es „in wenigen
anderen Städten“, so Oerter – Bremen orientiert sich nach eigenen Angaben
an einem Modell aus Thüringen. Im November eröffnete in Bonn der Verein
„Anonymer Krankenschein Bonn“ eine Anlaufstelle, ähnliche Modelle in
Göttingen und Hannover waren laut des „[10][Informationsportals von
Medibüros/Medinetzen“] 2018 ausgelaufen.
10 Aug 2022
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