# taz.de -- Klimaschutzstrategie für Bremen: Das gute Klima ist vorbei

> Bremen hat die wahrscheinlich stärkste Klimaschutzstrategie unter den
> Ländern. Kaum ist das Papier im Landtag, hagelt es parteipolitische
> Parolen.
Bremen taz | In der Bremer Bürgerschaft herrschte am Mittwoch anfangs viel
Einigkeit: Die noch junge, landeseigene Klimaschutzstrategie ist
wissenschaftlich fundiert, ambitioniert und realistisch, hat
Vorbildcharakter. Die dafür verantwortliche Enquetekommission war ein
voller Erfolg. Neben den durchaus angemessenen Lobeshymnen auf alle
Beteiligten zeigte sich jedoch schnell ein bekanntes Bild: Aus dem
Miteinander der Kommissionsarbeit wurde ein parteipolitisches
Gegeneinander.

Die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ wurde vor
zwei Jahren von allen Fraktionen eingesetzt. Ihre Aufgabe: dem Land ein
konkretes Klimaziel inklusive Fahrplan zu verpassen, basierend auf dem
Pariser Abkommen. Je neun Expert:innen und Abgeordnete begannen im
Frühjahr 2020 mit ihrer Arbeit, [1][im Dezember 2021 stand der
Abschlussbericht].

Demnach ist der Plan, Bremen bis 2038 klimaneutral zu machen, de facto also
95 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 einzusparen. Bis 2030 soll um
60 Prozent, bis 2033 um 85 Prozent reduziert werden. Das besondere:
Erstmals ist [2][das Stahlwerk von Arcelor Mittal] Teil der Rechnung. Der
Weg dahin ist mit Maßnahmen hinterlegt, aufgedröselt nach Sektoren.

Mittwoch wurde der Bericht im Parlament besprochen, zwei Anträge zur
Umsetzung des Klimaziels diskutiert. Einer von den Koalitionsfraktionen
SPD, Grünen und Linken, ein weiterer von der CDU. Ersterer soll den Senat
unter anderem dazu verdonnern, „bis zum Herbst 2022 einen
Klimaschutz-Aktionsplan vorzulegen“. Aber was heißt Herbst? [3][Das fragte
Martin Michalik], Vorsitzender der Enquete und umweltpolitischer Sprecher
der CDU-Fraktion. „Dezember, schätze ich.“ Michalik bezeichnet den Antrag
als „Vorbereitung eines Ausstiegs aus dem wissenschaftlich fundierten
Enquetebeschluss“.

## Gemeinsamer Antrag kam nicht zustande

Auch weil darin die Rede ist von „alternativen Maßnahmen“. Wozu dann die
Enquete? Linken-Politiker Ingo Tebje antwortete: Die Formulierung schaffe
lediglich die Möglichkeit, noch bessere Maßnahmen zu finden. Und sie sei
für den Fall, dass eine Maßnahme am geltenden Recht scheitert, sagte
Philipp Bruck von den Grünen.

Der Antrag der Regierung ging wie erwartet durch, auch die FDP stimmte ihm
in Teilen zu. Der CDU-Antrag scheiterte. Dieser sah vor, dass der Senat
schon bis Ende Juni einen Umsetzungsplan vorlegen muss. Eigentlich wollte
man aus beiden Anträgen einen gemeinsamen zimmern, sagte Michalik – ganz im
Sinne des Enquete-Geistes. Dass das nicht geklappt hat, schiebt er der SPD
in die Schuhe. „Halten Sie noch an den Ergebnissen fest oder wird das
langsam ungemütlich für Sie?“

Gehören solche Spitzen zur Politik dazu? Schon. Ist es in diesem Fall
ärgerlich, angesichts der Außenwirkung [4][und des Zeitdrucks]? Vielleicht,
denn es gibt viele Probleme, vor denen die Regierung bei der Umsetzung
steht: der Fachkräftemangel, vor allem im Handwerk, die Akzeptanz der
Bevölkerung auch für unbequeme Maßnahmen – und die Finanzierung. [5][Ein
kürzlich veröffentlichtes Gutachten] zeigt Wege auf, wie die sechs bis
sieben Milliarden einmalige und 200 bis 380 Millionen Euro jährliche Kosten
gestemmt werden könnten.

Die Regierungsfraktionen können sich vorstellen, deshalb die Schuldenbremse
aufzuweichen. Das ist laut Gutachten möglich, da die Klimakrise eine
Notsituation darstelle. „Die Versündigung an künftigen Generationen ist
nicht mehr, wenn man Schulden macht und Zinsen zahlen muss, sondern wenn
wir nicht handeln“, sagte Ex-Bürgermeister und Co-Vorsitzender der Enquete,
Carsten Sieling (SPD).

## Zivilgesellschaft fordert Sofortprogramm

CDU und FDP wollen lieber andere Wege. „Man muss den Eindruck bekommen,
dass die CDU lieber schon in den Wahlkampf einsteigt“, so Bruck dazu.
„Denken Sie doch noch mal darüber nach“, sagte er in Richtung Michalik, es
sei „bedauerlich, wenn Sie sich nach weitgehend konstruktiver Mitarbeit in
der Enquete vom Acker machen“.

Vor der Sitzung hatten am Morgen Vertreter:innen von mehr als 50
Organisationen aus verschiedensten zivilgesellschaftlichen Bereichen das
Gespräch mit den Abgeordneten gesucht. Sie fordern ein Sofortprogramm
Klimaschutz noch in diesem Jahr.

Die Debatte zeigt, wie emotional das Thema ist. Ebenso zeigt sie, wie groß
die Aufgabe ist, das Ziel in politisches Handeln zu gießen. Da sich alle
Fraktionen klar zum Bericht bekennen, ist spätestens seit Mittwoch ebenso
klar, dass sich ausnahmslos jede Landesregierung in Zukunft am Erreichen
der Ziele messen lassen muss.

23 Feb 2022

## LINKS
[1] /Klimaschutzstrategie-fuer-Bremen/!5820700
[2] /Stahlwerk-Umbau-in-Richtung-Klimaschutz/!5761954
[3] /CDU-Politiker-ueber-Klimaziele/!5738370
[4] /Aufruf-zum-Handeln-gegen-Klimakrise/!5831893
[5] /Notsituation-Klimawandel/!5831383
## AUTOREN
Alina Götz
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