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taz: Frau Mayer, fahren Sie diesen Sommer in Urlaub?
Clara Mayer: Nein, mache ich nicht. Meine Eltern sind gerade in den
Sommerurlaub geflogen, das habe ich nicht mitgemacht. Also bleibe ich zu
Hause.
Sie wollten nicht fliegen?
Ich wollte nicht fliegen.
Und früher?
Ich bin schon ab und zu geflogen, fand das aber nie wirklich schön. Ich
habe auch schon oft versucht, meine Eltern zu überreden, mit dem Zug zu
fahren. Vor allem wenn es unnötig ist, wenn es zum Beispiel nach Österreich
geht. Warum nehmen wir nicht den Nachtzug? Das ist sogar weniger stressig
als Fliegen. Ich versuche das komplett zu vermeiden. Wenn das heißt, dass
ich nicht mit meinen Eltern in Urlaub fahren kann, ist das zwar schade.
Aber im Idealfall führt es dazu, sie zu animieren, auch nicht zu fliegen.
Aber dieses Mal hat sie das nicht überzeugt?
Sie hatten wohl schon gebucht. Ich habe ihnen vorgeschlagen, zusammen nach
Brandenburg oder so zu fahren, und das findet bestimmt auch noch statt.
Aber ich bin ja jetzt mit 18 auch in einem Alter, wo man eher mit Freunden
wegfährt. Das tue ich auch, aber dann mit dem Zug oder mit dem Fahrrad.
Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Sie finden es gut, dass ich so konsequent bin. Sie selbst sind bei dem
Klima-Thema noch etwas schwer zu überzeugen, aber ich denke, ich bin auf
dem richtigen Weg. Darum, glaube ich, hat Fridays for Future so ein
Potenzial: Weil wir als Kinder den Klimaschutz an unsere Eltern
herantragen. Wir bekommen mehr Gehör, als wenn irgendwer ihnen auf der
Straße einen Flyer in die Hand drückt und sagt: Du zerstörst unsere Umwelt!
Wenn die eigenen Kinder sagen: Hey, fahrt doch mal lieber mit der Bahn als
mit dem Flugzeug, zeigt das schon Wirkung! Ich glaube, beim nächsten
Familienurlaub werden meine Eltern mit dem Zug fahren, weil sie wissen,
dass es sonst keinen Familienurlaub mehr mit mir gibt.
Gibt es andere Themen in Ihrer Familie, über die Sie wegen Fridays for
Future jetzt viel reden?
Tatsächlich ist Fridays for Future im Moment das Hauptthema in unserer
Familie. Weil ich täglich damit zu tun habe. Diese Demos jeden Freitag zu
organisieren ist unglaublich harte Arbeit. Das Thema ist also immer
präsent. Und dann bin ich jetzt auch Vegetarierin …
… seit wann?
Seit ein paar Monaten erst. Ich habe vorher schon versucht, meinen
Fleischkonsum zu reduzieren, dann habe ich gedacht: Nein, das reicht nicht.
Die meisten meiner Freundinnen sind schon Veganerinnen.
Überlegen Sie das auch?
Ich denke, das ist ganz schön schwierig. Aber heute zum Beispiel koche ich
für meine Freundinnen vegan. Wenn man zusammen isst, wird vegan gegessen,
weil dann niemand ausgeschlossen wird. Und je häufiger ich mit Leuten von
Fridays for Future etwas unternehme, desto einfacher wird es, denn sie
zeigen immer so viele vegane Alternativen. Also, ich glaube nicht, dass ich
in den nächsten Monaten komplett auf einen veganen Lebensstil umsteigen
kann, aber auf jeden Fall werde ich versuchen, möglichst viele vegane
Lebensmittel zu konsumieren und möglichst wenig tierische Produkte.
Hören Sie von anderen Jugendlichen, dass sie bei ihren Eltern Gehör finden?
Dass sich in den Familien etwas ändert durch das Klimabewusstsein der
Kinder?
Die wenigsten Eltern sind komplett ablehnend. Ich habe mich ultra gefreut,
als meine Eltern letztens Essen aus einem Restaurant in Tupper-Boxen
mitgebracht hatten statt in diesen Styroporverpackungen. Das mache ich
immer, wenn ich Essen holen gehe, dieses Mal haben meine Eltern das für
mich gemacht. So etwas höre ich auch aus anderen Familien: Die bislang viel
Fleisch gekocht haben, machen jetzt vegetarisches Abendessen, weil die
Kinder das gerne haben. Es wurden auch Ferienpläne umgeschmissen: Leute,
die früher nach Costa Rica geflogen sind, sagen jetzt, lasst uns doch mal
ans Wattenmeer fahren. Das zeigt, wie sich die Mentalität der älteren
Generation durch uns ändern kann.
Von Parents for Future habe ich gehört, dass manche sich engagieren, weil
sie sich ein bisschen vor ihren Kindern schämen, bislang nicht genug getan
zu haben fürs Klima. Wie finden Sie das?
Es ist schon so, dass unsere Generation nicht der Hauptverursacher der
Klimakrise ist. Ich finde es toll, dass jetzt die Leute aufwachen und uns
zuhören. Lieber spät als nie. Wenn ein schlechtes Gewissen dazu führt, dass
die Leute aufstehen und etwas tun, ist das gut. Aber es nützt nicht viel,
wenn daraus nichts resultiert. Mitleid oder Scham können wir genau so wenig
gebrauchen wie das leere Lob der Politik.
Wie ist das bei Ihnen selbst: Haben Sie sich vor Fridays for Future viele
Gedanken ums Klima und Umweltschutz gemacht?
Ich war schon immer jemand, der versucht hat, aktiv und bewusst zu
konsumieren. Ich hatte nur das Gefühl, ich weiß oft nicht wie. Da hat mir
witzigerweise Social Media geholfen.
Wie das?
Man lebt ja immer in seiner Blase. Man bekommt es auch in der Schule nicht
beigebracht, was plastikfreie Alternativen sind, wie man gut vegan kochen
kann und so weiter. Meine ganze Bildung dazu habe ich von Instagram. Es
gibt etwa viele Seiten zu Alternativen zu Frischhaltefolie. Das kannte ich
alles vorher nicht! Oder die Menstrualtasse.
Dieser kelchförmige Becher aus medizinischem Silikon oder Latex? Benutzen
Sie den?
Klar, das ist besser für den Körper, spart viel Geld und ist
wiederverwendbar, also gut für die Umwelt. Habe ich mir schon vor fünf
Jahren gekauft, weil ich auf Instagram gesehen habe, wie viel Müll Tampons
produzieren.
Wie geht es mit Fridays for Future weiter in den Sommerferien? Wird
freitags durchgestreikt?
Wir arbeiten gerade an einem Konzept. Es ist ja sehr heiß und wir sind alle
komplett am Ende, jede Woche diese Streiks zu organisieren. Wir werden
Aktionen in Berlin machen und wahrscheinlich Ausflüge zu anderen Streiks in
Brandenburg. Da wird ja auch gestreikt, aber das bekommt kaum jemand mit,
weil da nur 20 oder 5 Leute stehen. Da kann man ja mal hinfahren mit dem
Regio und sie unterstützen.
Eine Sache ist bekannt: Am 21. Juni ist große Demo in Aachen. Fahren Sie
hin?
Ja, Aachen wird groß, natürlich fahre ich dorthin. Viele denken, Aachen ist
eine exklusive Sache für die, die mega-aktiv sind. Aber nein, jeder kann
kommen. Wer es sich nicht leisten kann: Wir haben Mittel um Reisen zu
finanzieren. Wer minderjährig ist: Wir haben Leute, die auf Jüngere
aufpassen. Wer noch nie auf einem Streik war: Wir haben Leute, die andere
mitnehmen. Man kann nach Aachen kommen als Berliner, auch wenn man noch
nie bei einem Streik dabei war. Es ist einfach schön, gemeinsam für das
selbe Ziel zu kämpfen.
Mehr zum Thema Reisen in Zeiten von Fridays for Future finden Sie im
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15 Jun 2019
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