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Dakar taz | „Alle Brücken sind zerstört. Wir erreichen unser Dorf nur noch
mit kleinen Booten“, berichtet Mamadou Guessere Gaye. Der 66-Jährige stammt
aus Dembancané. Das Dorf im Nordosten Senegals, an der Grenze zu
Mauretanien, steht seit dem 11. Oktober unter Wasser.
Es sind Überschwemmungen von historischem Ausmaß, berichten die
Dorfbewohner. [1][Seit Wochen ist der gesamte Nordosten und Osten Senegals
von den Fluten betroffen.] Häuser sind zerstört, Brücken abgerissen,
Schulen geschlossen, Felder überflutet.
Über eine Strecke von rund 700 Kilometern entlang des Senegal-Flusses, der
die Grenze zwischen Senegal und Mauretanien bildet, und dessen Nebenfluss
Falémé entlang Senegals Grenze zu Mali sind sämtliche Dörfer und Städte
betroffen. [2][Heftige Regenfälle haben in den vergangenen Wochen dazu
geführt.]
Die Katastrophe sei aber mit der Öffnung des Staudamms Manantali in Mali
gekommen, berichtet Mamadou Guessere Gaye. Auch Mali ist seit Monaten von
schweren Überschwemmungen betroffen – Anfang Oktober öffneten Malis
Behörden aus Sicherheitsgründen die Talsperre, um Wasser abzulassen.
## Ein Hochwasser wie seit 1961 nicht
Der Manantali-Staudamm im Westen Malis am Oberlauf des Senegal-Flusses
wurde in den 1980er Jahren von Mali, Senegal und Mauretanien in einem
Gemeinschaftsprojekt der Regionalorganisation OMVS (Organisation pour la
mise en valeur du fleuve Sénégal) unter anderem von deutschen Firmen
gebaut, um die Region mit Elektrizität zu versorgen und in dieser
eigentlich trockenen Region ein Wasserreservoir aufzubauen. Seit 2002
liefert er Strom in alle drei Länder.
Ein Hochwasser wie jetzt habe es seit 1961 nicht gegeben, heißt es in einer
Mitteilung des OMVS. Dies habe die Teilöffnung der Talsperre notwendig
gemacht. Die Anschuldigung, der Staudamm sei die Hauptursache der
Überflutungen, wies der OMVS jedoch als „etwas übertrieben“ zurück. Grund
seien die starken Regenfälle. Man tue alles, um die Sicherheit der
Bevölkerung, aber auch des Bauwerks selbst zu gewährleisten.
Nicht nur Senegal erlebt schwere Überschwemmungen. 6,9 Millionen Menschen
sind insgesamt in West- und Zentralafrika betroffen, so der neueste
Überblick der humanitären UN-Koordinierungsstelle OCHA vom 16. Oktober.
Zwei Drittel dieser Zahl konzentrieren sich auf Tschad, Niger und Nigeria.
Die Sahelzone bekommt einen Teufelskreis aus Dürre und schweren Regenfällen
zu spüren. Laut Studien steigen die Temperaturen hier 1,5-mal schneller als
im Rest der Welt.
„Für die Bevölkerung ist es eine Katastrophe. Die Felder sind überschwemmt,
wodurch die Ernten zerstört werden“, berichtet Mamadou Guessere Gaye aus
Dembacané. Auch die Schule sei geschlossen. Doch die Katastrophe habe eine
Welle der Solidarität ausgelöst: „Wir unterstützen uns gegenseitig, so gut
es geht“, sagt der 66-Jährige.
## „Das Wasser des Flusses ist nicht mehr trinkbar“
Senegals Militär hat in den vergangenen Wochen unzählige Menschen
evakuiert, Nothilfe geleistet und provisorische Krankenstationen errichtet.
Doch es reiche nicht. Gemeinsam mit Freunden und Bekannten hat Mamadou
Guessere Gaye ein Hilfskomitee gegründet, das versucht, die Bewohner von
Dembancané mit dem Nötigsten zu unterstützen: Kleidung, Zelte, Medikamente,
Moskitonetze, Nahrung und vor allem Trinkwasser.
„Das Wasser des Flusses ist nicht mehr trinkbar“, berichtet Gaye. Sechs
Mitglieder des Hilfskomitees würden in Senegals Hauptstadt Dakar
Sachspenden sammeln und die Hilfskonvois koordinieren, die restlichen
Freiwilligen seien alle vor Ort, berichtet er.
Für Senegals Präsident [3][Bassirou Diomaye Faye], der im März als Kandidat
der linken Oppositionspartei Pastef „Afrikanische Patrioten im Senegal für
Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit“ die Wahlen gewann, ist die
Flutkatastrophe eine Herausforderung. Er besuchte am vorletzten Wochenende
die Flutregionen. Die Bilder des in Flecktarn gekleideten Präsidenten, der
in einem Militärhubschrauber einen Rundflug macht, um sich ein Bild vom
Ausmaß der Zerstörung zu machen, gingen durch die lokalen Medien.
Seit seinem Amtsantritt im März zeigt Faye bei Krisen immer wieder Gesicht
– und hat positive Presse dafür bekommen. Am 17. November wählt Senegal bei
vorgezogenen Wahlen ein neues Parlament, bei denen Faye und sein
Premierminister und Pastef-Gründer Ousmane Sonko eine eigene Mehrheit holen
wollen – bisher hält das Parteienbündnis, dem Pastef angehört, nur 56 der
165 Sitze. Der anstehende Wahltermin gilt als richtungsweisend für die
Umsetzung der politischen Agenda der neuen Regierung.
## Oppositionspolitiker von Polizei abgeführt
Für Unruhe sorgt jedoch die Verhaftung des Oppositionspolitikers Bougane
Guèye. Dieser hatte am Tag der präsidialen Visite in den Flutgebieten
versucht, eine Polizeisperre zu durchbrechen, die aufgrund des
Präsidentenbesuchs rund um die Ortschaft Bakel errichtet worden waren.
Wie die Sicherheitskräfte berichteten, war der Verkehr kurzzeitig gestoppt
worden, um den Präsidenten passieren zu lassen. Guèye aber setzte sich
darüber hinweg und beschloss, zu Fuß weiterzugehen. Bilder in den sozialen
Netzwerken zeigten schließlich einen schimpfenden Guèye, der von der
Polizei abgeführt wird.
Am 21. Oktober wurde der Politiker, der ebenfalls für die Parlamentswahlen
kandidiert, wegen „Rebellion“, „Widerstand“ und „Beleidigung“ in Haft
genommen, der Gerichtstermin ist für den 30. Oktober anberaumt.
Der Geschäftsmann und Besitzer eines Medienkonzerns gilt als hitziger
Kritiker der neuen Regierung ebenso wie der alten von Ex-Präsident Macky
Sall. Den Auftakt des Wahlkampfes wird Guèye nun vermutlich verpassen. Sein
Anwalt prangert dies als „offensichtlichen Willen“ an, seinen Mandanten an
der Wahlkampagne zu hindern.
27 Oct 2024
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