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Spätestens, wenn am kommenden Wochenende die Indianapolis Colts zum ersten
Spieltag der NFL gegen die Houston Texans auflaufen, werden sich die Fans
mit einen ungewohnten Anblick vertraut machen müssen. Mindestens zwei
Spieler der Colts, Tight End Kylen Granson und Running Back Jonathan
Taylor, werden nämlich Schaumstoffkappen auf ihren Helmen tragen, die sie
ein wenig aussehen lassen wie Pilze.
Doch der etwas komische Look, der die gewohnt martialische Anmutung von
NFL-Profis klar durchbricht, stört Granson und Taylor nicht im Geringsten.
„Am Anfang dachten die Leute auch, dass Sicherheitsgurte albern aussehen“,
sagte Granson auf Instagram. „Mir ist meine Gesundheit wichtiger als die
Ästhetik.“
Bei den Schaumstoffkappen handelt es sich um sogenannte Guardian Caps,
[1][Kopfschutz-Hauben], die ähnlich denjenigen, die Boxer beim Training
tragen, schwere Kopfverletzungen verhindern sollen. Bislang war das Tragen
dieser Caps aufs Training beschränkt, in diesem Jahr dürfen sie zum ersten
Mal auch bei Ligaspielen getragen werden – vorerst allerdings freiwillig.
Es ist die jüngste einer Vielzahl von Regelungen der vergangenen Jahre, die
dazu dienen sollen, den Footballsport sicherer zu machen. Dazu gehört in
diesem Jahr auch das Verbot von Angriffen, bei denen ein Verteidiger einen
Läufer an der Hüfte packt und durch die Luft schleudert, dazu gehörte in
der Vergangenheit ein direktes Rammen der Gegner mit dem Helm und dazu
gehörte auch das Verbot des Packens des Gegners am Kinnschutz seines
Helmes.
## 100 Prozent Berufsinvalide
Die NFL versucht so, der wachsenden Kritik zu begegnen, dass sie ihre
Spieler gesundheitlich verschleißt. Der Sportjournalist [2][Dave Zirin]
bezifferte einmal das Risiko der Berufsinvalidität eines Football-Profis
auf 100 Prozent. Ein ehemaliger Spieler sagte in Zirins Dokumentation
[3][„Behind the Shield“], dass Football-Spieler das mittlere Alter
überspringen und nach dem Karriereende direkt von der Jugend in das Stadium
alter Männer übergehen.
Die größte Kritik handelte sich die NFL dafür ein, wie sie mit der
Verbreitung der Hirnerkrankung [4][CTE] unter ehemaligen Spielern umging.
Seit Beginn der 2010er Jahre belegen Studien einen Zusammenhang von
Football und der degenerativen Gehirnerkrankung, die bis zu 70 Prozent der
Spieler betrifft. Sie führt zu schweren Depressionen, frühzeitiger Demenz
bis hin zu dramatisch erhöhter Suizidanfälligkeit.
Im Jahr 2018 erkannte die NFL dann endlich den [5][Zusammenhang] und
einigte sich mit den Spielern auf einen Vergleich. Es wurde rund eine
Milliarde Dollar an Entschädigungen ausbezahlt. Eine Summe, die jedoch
häufig nicht bei den Betroffenen ankam. Die Washington Post schätzt, dass
der Verband durch bürokratische Sturheit und Klageandrohungen bis zu 700
Millionen Dollar an Auszahlungen sparte.
Die Debatte um die langfristigen Gesundheitsschäden beim Football ebbte
nicht ab. In den vergangenen Jahren wurden immer neue Untersuchungen
angefertigt, die die Schädlichkeit des Footballspielens nachwiesen. Eine
Studie bewies etwa, dass schon die Kumulation leichter Hirnverletzungen,
die unterhalb der Schwelle der Gehirnerschütterung liegen, CTE auslöst.
Eine andere Studie fand eine schockierende Anzahl langfristiger Hirnschäden
unter Erwachsenen, die nur in der Jugend Football gespielt hatten. Neuere
Statistiken zeigten darüber hinaus, dass Spieler auf bestimmten Positionen
pro Saison knapp 800 Schläge auf das Gehirn mit der Kraft eines schweren
Verkehrsunfalls erleiden.
## Trump und die Rettung des Männersports
Deshalb wurden in der Saison 2022 erstmals die Schaumstoffkappen im
Training getestet, die nun freiwillig im Spiel eingesetzt werden. Doch die
Wirksamkeit bleibt umstritten. Die NFL behauptet, dass beim Testeinsatz im
Training bis zu 50 Prozent weniger Gehirnerschütterungen aufgetreten seien.
Experten kritisieren jedoch, dass die NFL keine Daten bereit stelle, die
eine solche Behauptung untermauern.
Unabhängige Studien fanden derweil, dass der Gebrauch der Guardian Caps die
Kraft der Stöße auf Kopf und Gehirn nicht signifikant mindert. Einer der
Forscher, Nicholas Murray von der Universität von Nevada, riet, das Geld
lieber in gute Trainer zu investieren. „Die sind viel wirksamer darin,
schädliche Kollisionen zu vermeiden.“
Es scheint also, als wäre die NFL noch immer mehr daran interessiert, den
Anschein zu erwecken, das Spiel sicherer zu machen, als tatsächlich etwas
zu ändern. Schließlich gibt es gerade aus der rechten politischen Ecke
schon seit Jahren die Kritik, der Sport verweichliche und harte Männer
müssten etwas einstecken können.
[6][Donald Trump] persönlich beschwerte sich, dass die NFL sich mit ihren
Reformen den linken Medien beuge, die ohnehin traditionelle
Männlichkeitsideale demontierten. Die Anhängerschaft Trumps deckt sich
noch immer stark mit der zahlenden Kundschaft der NFL. Und die hat
mehrheitlich nur wenig Freude daran, Pilzhelme aus Schaumstoff auf dem Feld
zu sehen.
5 Sep 2024
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