# taz.de -- Nach Nazi-Parolen auf Sylt: Studentin fliegt nicht von Uni

> Die HAW in Hamburg hat entschieden: Die junge Frau, die auf Sylt
> rassistische Parolen gegrölt hat, darf an der Uni bleiben. Das ist gut
> so.
Die junge Frau, die sich an Pfingsten an rassistischen Gesängen im Rahmen
einer Feier auf Sylt beteiligt hat, wird nicht [1][von ihrer Hochschule
exmatrikuliert.] Das entsprechendes Verfahren wird nicht eingeleitet,
teilte die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) am
Donnerstag mit. Hätte sie jedoch auf erfahrene Juristen gehört, hätte sie
sich die ganze Debatte sparen können.

Die HAW stehe als weltoffene Hochschule „gegen Rassismus in jeglicher Form“
und habe sich eindeutig von dem viral gegangenen Video und den darin
geäußerten Inhalten distanziert, schreibt die Hochschule in einer
Mitteilung. Möglich wäre eine Exmatrikulation nach Paragraf 42 des
Hamburgischen Hochschulgesetzes, wenn der Hochschule durch „schweres,
schuldhaftes Verhalten ein erheblicher Schaden zugefügt“ wurde. Doch der
zuständige „Exmatrikulationsausschuss“ habe sich nun „nach sorgfältiger
Prüfung“ gegen die Einleitung eines solchen Verfahrens ausgesprochen.

Für die Entscheidung, dieses Verfahren gar nicht erst durchzuführen, ließ
sich das Gremium fast drei Wochen Zeit. Parallel erhielt die Studentin ein
zweimonatiges Hausverbot, dass bis zum Ende der Vorlesungszeit am 27. Juli
gelten soll. Bei der Entscheidung habe man die „Verhältnismäßigkeit
abgewogen“, schreibt die HAW, da es sich bei der Exmatrikulation um einen
„schweren Grundrechtseingriff“ handele.

Das entspricht auch der Einschätzung von Juristen, die die taz vor drei
Wochen danach fragte. Er halte den Paragrafen 42 hier für nicht
einschlägig, sagte der Hamburger Anwalt Joachim Schaller. Was eine
Studentin in ihrer Freizeit tue, habe mit der Hochschule nichts zu tun.

## Der Paragraf ist das Problem

Doch die HAW hatte, kurz nachdem publik wurde, dass die junge Frau aus dem
Video bei ihr studiert, öffentlich reagiert. Über Instagram zum Beispiel
schrieb sie Ende Mai – vermutlich an die Studierenden gerichtet: „Wir
möchten euch kurz informieren, wie es bezüglich des rassistischen Videos
weitergeht.“ Sodann teilte sie mit, dass es ein Hausverbot gibt und die
Prüfung eines Exmatrikulationsverfahrens, bat aber zugleich, die
Persönlichkeitsrechte zu wahren und keine Namen zu nennen.

Die benachbarte Universität Hamburg hingegen reagierte kurz zuvor bei einem
ähnlich gelagerten Fall wesentlich zurückhaltender. Als Journalisten
aufdeckten, dass der Anmelder der umstrittenen [2][Kalifats-Demos] dort
studierte, teilte sie auf Anfrage mit, dass dieser im universitären Kontext
nicht aufgefallen und alles Weitere Sache von Justiz und
Strafverfolgungsbehörden sei.

Zwar war die Welle der Empörung über die rassistischen Gesänge zum
Party-Hit „L’amour toujours“ wichtig und berechtigt. Die Gesänge waren
schließlich ekelhaft. Und es hat für die Betreffenden Nachteile, dass sie
es taten – etwa, indem sie Jobs verloren. Aber an einer Hochschulleitung
sollte die Welle branden. Die Idee, eine [3][Exmatrikulation ins Auge zu
fassen,] war überzogen. Darüber in sozialen Netzen die Öffentlichkeit zu
informieren, vielleicht auch.

Der Paragraf 42 an sich war in Hamburg bei der Einführung vor fast 20
Jahren umstritten. Was heißt es, einer Hochschule „schweren Schaden“
zuzufügen? Macht sich jemand strafbar, ist die Justiz zuständig. Und wir
wollen doch, dass Menschen sich resozialisieren – dann brauchen sie auch
eine Ausbildung, die sie zu Ende machen können. Selbst für jemanden im
Gefängnis ist ein Fernstudium möglich. Der Paragraf 42 wurde bei seiner
Einführung vor knapp 20 Jahren auch aus linker Perspektive kritisiert, weil
man fürchtete, unliebsame, kritische Studierende könnten geschasst werden.
Das wird nicht besser, wenn es Rechte trifft.

Auch die zwei Monate Hausverbot hören sich drastisch an. Nachvollziehbar,
dass die Hochschulleitung die Lage irgendwie managen und befrieden wollte.
Aber das ginge auch über internen Dialog. Gespräche mit der jungen Frau
soll es inzwischen gegeben haben. Einer der Sylt-Sänger hat sich
entschuldigt. Er könnte noch Nachahmer finden.

20 Jun 2024

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## AUTOREN
Kaija Kutter
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