|
Hamburg taz | Bei der [1][Hamburg-Wahl 2020] hatte er den Einzug knapp
verfehlt. Nun bekommt Martin Dolzer doch noch einen Sitz. Denn wie [2][die
Linksfraktion mitteilt], tritt ihre Abgeordnete Stephanie Rose aus
familiären Gründen zurück. Zum 30. Juni gibt die Fachsprecherin für
Soziales, die sich für Housing-First-Projekte, Genderstudies und [3][prekär
Beschäftige an Unis] engagierte, ihr Mandat zurück.
Interessant ist, dass mit Dolzer dann ein dritter Abgeordneter im
Landesparlament sitzt, der der Linkspartei den Rücken kehrte. Der
57-Jährige Diplomsozialwirt gehörte von 2015 bis 2020 zur Linksfraktion und
ist seither Mitarbeiter von [4][Mehmet Yildiz], der vor gut zwei Jahren
[5][die Fraktion verließ]. Beide versuchten mit einer Volksinitiative den
[6][Rüstungsexport von Hamburgs Hafen] zu stoppen und traten in diesem
Januar aus der Partei aus.
Denn die Mehrheit des Parteiapparats stünde der Friedensbewegung und
anderen sozialen Bewegungen „eher im Weg, als sie zu unterstützen“, finden
Dolzer und Yildiz. Im November 2023 verließ auch der Linken-Abgeordnete
Metin Kaya Partei und Fraktion und schloss sich dem neu gegründeten Bündnis
Sarah Wagenknecht (BSW) an. Die Linke forderte den einstigen
Listen-Kandidaten damals auf, sein Mandat zurückzugeben.
Bei Dolzer erhob die Fraktion diese Forderung nicht und teilte nur sachlich
mit, Dolzer werde der Fraktion nicht angehören, da er die Linke verließ.
Laut Hamburger Wahlrecht rückt für Abgeordnete wie Rose, die durch ihre
Personenstimmen gewählt wurden, der Kandidat nach, der die nächst höchste
Zahl an Personenstimmen erwarb. Deshalb hat Dolzer laut Landeswahlamt
Anspruch auf das Mandat.
## Handlungsmöglichkeiten noch unklar
Während die Linksfraktion Roses Schritt nun schmerzt, freuen sich Mehmet
Yildiz und Metin Kaya, mit Dolzer jemanden zu haben, der ihnen politisch
nahe steht. Um im Parlament eine Gruppe mit bestimmten Rechten zu bilden,
wie es in den 1990ern die Grünen-Abspaltung „Regenbogen“ tat, müssen sie
aber genug sein, um einen Ausschussplatz zu ergattern.
Die Bürgerschaftskanzlei konnte bis Redaktionsschluss noch nicht sagen, ob
drei Mandate dafür ausreichen. Das hänge von der Anzahl der Fraktionen ab
und müsse erst noch berechnet werden.
Auch für Dolzer, der ebenso wie Yildiz nicht dem Bündnis Sahra Wagenknecht
beigetreten ist, kommen solche Überlegungen zum jetzigen Zeitpunkt zu früh,
wie er sagt. Er widme sich derzeit seinem zweiten Standbein als
[7][Musiker] der Gruppe „[8][Mc Martin D. and the Invisible Swans]“ und sei
von der Nachricht überrascht worden, sagt er der taz. Ohnehin seien es ja
nur noch neun Monate bis zur nächsten Wahl, so der Ex-Linke.
Dolzer war früher als Menschenrechtsaktivist in der Türkei unterwegs und
unterstützte in Hamburg das [9][Protestcamp der Lampedusa-Flüchtlinge], die
für ein Bleiberecht stritten. Der gebürtige Kieler zog als junger Mann nach
Bayern, wo er als Industriefensterreiniger arbeitete.
Dabei habe er früh Licht und Schatten des Kapitalismus gesehen, sagt er.
„In den Lakierhallen der Autowerke ruinierten Arbeiter ihre Gesundheit,
während die Herrn in den Chefetagen der kleinste Wassertropfen störte“, so
Dolzer.
14 Jun 2024
## LINKS
|