# taz.de -- Komiker Frank-Markus Barwasser: „Humor hilft, Distanz zu halten“

> Die Weltlage ist beängstigend. Der Komiker Frank-Markus Barwasser alias
> Erwin Pelzig hofft, dass Lachen befreien und Satire aufklären kann.
wochentaz: Wenn Sie heute Nachrichten sehen, können Sie da überhaupt noch
lachen? 

Frank-Markus Barwasser: Heute hab ich noch gar keine Nachrichten geguckt.
Hab ich was verpasst?

Ich meinte: heutzutage. 

Nein, lachen kann ich da nicht. Ich bin oft eher ratlos. Ich versuche das
einzuordnen und zu verarbeiten, aber ich wüsste nicht, was es darüber zu
lachen gibt, dass es – was ich gerade gelesen habe – für Trump sehr gut
aussieht und er demnächst seine Diktatur in den USA errichten könne.

Konnten Sie das denn früher, über Nachrichtensendungen lachen? 

Ich frage mich schon manchmal: Waren die Zeiten früher harmloser? Oder war
ich es?

Und, was denken Sie? 

Ich weiß es nicht. Aber ich habe eher das Gefühl, beides war früher
harmloser. Man hat ja früher vieles als apokalyptisch empfunden, manche
Phasen des Kalten Krieges, das Waldsterben, Tschernobyl. Aber die Situation
jetzt ist vielleicht doch eine andere. Es laufen so viele parallele,
miteinander zusammenhängende Transformationsprozesse ab, sodass wir in eine
neue Phase der Geschichte einzutreten scheinen. Geopolitisch werden die
Machtzentren neu sortiert, die Klimaveränderungen, die künstliche
Intelligenz, alles wird gewaltige Auswirkungen auf unser Leben haben. Ich
stelle das erst mal fest, und man muss da nicht gleich eine Endzeit
anbrechen sehen. Aber es sieht gerade auch nicht so aus, als ob die schöne
Privilegiertheit, mit der meine Generation in Mitteleuropa aufgewachsen
ist, noch lange erhalten bleibt.

Hört der Humor auf an solch einer Zeitenwende? Oder braucht man da erst
recht einen guten Witz? 

Umberto Eco hat mal gesagt: Komik ist die Kunst der Vernichtung von Angst.
Und Angst ist aktuell ja ein weit verbreitetes Lebensgefühl. Und von dieser
Angst profitieren vor allem Populisten und die entsprechenden Parteien, die
diese Ängste sehr erfolgreich bewirtschaften. Ich sehe es nicht als meine
Aufgabe, jetzt auch noch die Apokalypse zu reiten. Ich habe nicht vor, mich
zwei Stunden auf die Bühne zu stellen und anschließend legen wir uns alle
zusammen aufs S-Bahn-Gleis. Stattdessen kann Humor Distanz schaffen, kann
dafür sorgen, sich mal neben sich zu stellen und die Perspektive zu
wechseln. Wir leben in einer Aufregungsgesellschaft – und da mal das Tempo
rauszunehmen und nicht an der Eskalationsschraube zu drehen, da kann Humor
ganz hilfreich sein. Es gibt verschiedene Wege in diesem Humorgeschäft, mit
Krisen und Verzweiflung umzugehen.

Welche? 

Ich kann die Themen, die uns alle bedrücken, komplett ausblenden und zwei
Stunden für gute Unterhaltung und Ablenkung sorgen. Das ist prima. Oder ich
stelle mich diesen Themen ganz bewusst, das ist dann eher mein Ding, und
versuche zu zeigen, wie wir damit umgehen können. Für alle aber gilt: Humor
wirkt verbindend. Wenn man bedrückenden Themen mit einer gewissen
humoristischen Respektlosigkeit begegnet, sind sie zumindest für diesen
Moment etwas weniger bedrückend. Ich persönlich brauche das auch manchmal.

In Ihrem aktuellen Programm, „Der wunde Punkt“, gibt es jede Menge
bedrückender Momente, in denen Sie die Krise der Demokratie oder die
Probleme des Klimawandels zu Ende denken. 

Ja, aber ich breche das dann auch wieder auf, es gibt schon viele komische
Momente. Es soll ein Wechselbad sein, ich spreche ja viele verschiedene
Emotionen an. Man muss doch auch nicht immer komisch sein. Man darf alles
sein, nur nicht langweilig. Ich werfe vor allem Fragen auf, und ich teile
mich mit, gerade auch in meinen Zweifeln. Ich stelle mich nicht hin und
sage: Es geht schon gut, weil es ist ja bislang noch alles gut gegangen.
Aber ich hoffe auch, dass ich nicht das Gefühl vermittele, es sei alles
zwecklos. Karl Popper hat einmal gesagt, Optimismus ist Pflicht. Und Heiner
Müller hat gesagt: Optimismus ist nur ein Mangel an Informationen. Immer
deutlicher stelle ich fest: Sie haben beide recht.

Wie steht es um Ihren ganz persönlichen Zweckoptimismus? 

Da ist Luft nach oben. Das 2-Grad-Ziel ist gegessen, fürchte ich. Die Idee
von Demokratie hat stark nachlassende Strahlkraft bei unter 30-Jährigen, da
gibt es neue Studien. Überall Kriege. Aber was soll ich denn machen?

Gibt es Grenzen des Humors? Kann es Witze über den Hamasterror am 7.
Oktober geben? 

Direkt über diese Ereignisse, über diese grauenhaften Ermordungen natürlich
nicht. Aber dass im Kriegsgebiet Webcams stehen, deren Live-Übertragung von
Werbung für Ballerspiele unterbrochen werden, darüber bestimmt.
Grundsätzlich würde ich niemals Witze über Sterbende machen, wohingegen der
Tod an sich schon ein Thema ist, das humoristisch bearbeitet werden kann.
Zum 7. Oktober fällt mir dann vor allem der nie weg gewesene, sich neu
breitmachende Antisemitismus ein. Ich habe mich schon gewundert, warum sich
nach dem 7. Oktober niemand israelische Flaggen ins Fenster gehängt hat.
Bei der Ukraine haben das viele gemacht. Ich fand das auch okay bei der
Ukraine, aber ich habe bislang kein Auto gesehen, auf das eine israelische
Fahne geklebt wurde. Dieses Auto stünde wohl auch keine zwei Nächte auf der
Straße, ohne dass es zerstört würde. So grausig es ist, aber auf solchen
Gedanken kann man etwas Bitterwitziges aufbauen.

Sollte sich Humor Grenzen setzen? Oder muss er nicht gerade dorthin gehen,
wo es wehtut? 

Ja, natürlich kann und soll Humor dahin gehen, wo’s wehtut. Aber die
Grenzen definiert ja jeder für sich selbst, und in meiner Rolle bin ich
halt nicht so ein Raufbold. Das heißt ja nicht, dass meine Themen andere
wären, ich bearbeite sie nur anders. Ich bewundere die Raufbolde auch
durchaus, denn die nehmen ja auch etwas in Kauf, benötigen unter Umständen
Personenschutz. Das ist mir noch nicht passiert, was vielleicht aber nur
daran liegt, dass ich im Fernsehen keine Dauerpräsenz habe.

Es gibt immer mehr Menschen, die sich über Satire-TV-Sendungen sogar
politisch informieren, in den USA bei Jon Stewart und John Oliver,
hierzulande bei Böhmermann und der „heute-show“. Ist das gut oder stimmt da
was nicht? 

Ob das noch gut ist, das sollten sich die Leute im klassischen Journalismus
mal fragen. Mir passiert das auch gelegentlich, dass mir jemand schreibt:
Warum erfahre ich das bei Ihnen und nicht aus der Zeitung? Dann antworte
ich: Meine Quellen sind nicht geheim, jeder interessierte Mensch könnte
dadrauf kommen. Aber es ist natürlich so: Man ist aufnahmebereiter in
einer humorvollen Situation. Der Wechsel zwischen Unterhaltung und
Information erleichtert es, die Informationen aufzunehmen. Sich durch 600
Seiten Buch oder stundenlange Talkshows zu quälen, ist etwas mühsamer. Das
find ich weder schlecht noch gut, das ist einfach so. Ich persönlich
informiere mich sehr klassisch über Print- und Onlinemedien, über
Fachliteratur, aber ich habe dafür auch die Zeit, das ist mein Beruf.
Allerdings gibt es dann, wenn immer mehr Menschen Satiresendungen mit
Nachrichten verwechseln und Satiriker immer journalistischer arbeiten,
natürlich ein Problem: Die Satire muss sich nicht um Objektivität bemühen,
das darf sie ja gar nicht, das wäre ihr Ende. Ich würde aber Fakten niemals
bewusst einer Pointe opfern und mich dabei auf die Kunstfreiheit beziehen.
Der klassische Journalismus kann sich ja auch nicht dahinter verstecken,
oder er sollte es zumindest nicht, er sollte trennen zwischen Bericht,
Kommentar und Glosse.

Haben Sie denn das Gefühl, dass man mit politischem Kabarett etwas bewirken
kann? 

Nein.

Warum machen Sie’s dann noch? 

Ich stehe gerne auf der Bühne, und ein gewisses Mitteilungsbedürfnis würde
ich nicht bestreiten. Aber ich kann ja mal zurückfragen: Haben Sie das
Gefühl, die taz bewirkt etwas? Was bewirke ich denn, was bewirken Sie, was
bewirkt Olaf Scholz?

Gute Frage. 

Klar schreiben mir manche Menschen immer mal wieder, es sei wichtig, was
ich tue. Und ja, vielleicht gibt es ein paar Gedankenanstöße. Man hat dem
Kabarett ja gerne – und nicht ganz zu Unrecht – vorgehalten, da treffen
sich immer nur die Gleichgesinnten, man bestätigt sich gegenseitig. Ich
gebe es zu: Man versammelt letztlich die Interessierten und Informierten –
und bedient die in gewisser Weise. Das habe ich bislang auch kritisch
gesehen, kann dem aber mittlerweile durchaus etwas abgewinnen, weil ich
dann merke: Du bist doch nicht so allein. Außerdem: Wenn ich jetzt
behauptete, ich bewirke etwas im Sinne von Veränderung, würde ich mir eine
unglaubliche Hybris zugestehen. Ich mache nur ein Angebot – und therapiere
mich wohl auch selbst ein bisschen damit. Wie gesagt, ich bin doch selbst
oft ratlos – und werde bisweilen immer ratloser, je weiter ich in ein Thema
reingehe. Dabei ist die Sehnsucht nach Eindeutigkeit größer denn je. Mir
fällt es aber zusehends schwerer, eindeutig zu sein, denn die Dinge sind
nicht mehr eindeutig – aber vielleicht waren sie es auch noch nie und ich
verkläre nur die Vergangenheit.

Tatsächlich kommen in Ihrem Programm aktuelle Politik und
Politiker:innen eigentlich nicht vor. War das eine bewusste
Entscheidung? 

Allerdings. Ich beackere das Thema der menschlichen Kränkung und die
möglichen Auswirkungen auf Gesellschaften und Politik. Da muss ich nicht
jeder Sau hinterherrennen, die gerade durchs Mediendorf getrieben wird. Ich
wollte mir Gedanken zu grundlegenderen Themen machen. Ich kann gegen die
Aktualität des Internets eh nicht anstinken. Das ist doch auch das Problem
jeder Tageszeitung. Ich brauche keine Zeitung, die mir morgens noch mal
erzählt, was ich schon letzte Nacht um 0.15 Uhr erfahren habe. Und die
Pointe über ein tagespolitisches Thema, die ich morgen Abend auf der Bühne
erzählen will, ist höchstwahrscheinlich schon tags zuvor in den sozialen
Medien zehnmal so oder so ähnlich geliefert worden. Zum Teil ist da ja
wirklich viel Originalität zu erleben. Diesen Wettbewerb brauche ich gar
nicht erst anzutreten, den hab ich schon verloren. Also interessiert mich
eher die Grundsätzlichkeit.

Deshalb kommen in Ihrem Programm auch nicht die Leute der Letzten
Generation vor, die sich auf Straßen festkleben, dafür aber ausführlich die
alten weißen Männer. 

Die alten weißen Männer sind als Thema noch ergiebiger als die Klimakleber,
aber das liegt vielleicht nur daran, dass ich noch nicht im Stau gestanden
bin. Die Klimakleber haben noch keine so lange Geschichte, die alten weißen
Männern schon, und ich kenne mich mit denen einfach besser aus. Als
Boomer-Kind bin ich ja selber einer, da kann ich von Privilegien aus erster
Hand reden.

So ganz aus erster Hand sprechen Sie nicht, Sie haben immer noch Ihre Figur
Erwin Pelzig. 

Ja, man kann durchaus fragen: Warum braucht der noch diese Figur? Manche
winken da auch sofort ab, wenn sie sehen: Verkleidung und Dialekt. Dabei
steht die Figur Pelzig in ihrer äußeren Erscheinung längst nicht mehr für
das, was sie antreibt und was sie beschäftigt. Ich breche das Klischee über
jede Schmerzgrenze. Einen Deppen zu spielen, über dessen Einfältigkeit alle
lachen dürfen, wäre ja völlig uninteressant. Die Figur hat sich über die
Jahrzehnte verändert. Anfangs war sie etwas rustikaler, bis ich gemerkt
habe, ich fühle mich da nicht mehr wohl – also ist mir Pelzig viel
ähnlicher geworden als ich ihm, und das Publikum ist zum Glück mitgegangen.

Warum setzen Sie das Hütchen dann überhaupt noch auf? 

Zum Teil setze ich es auf der Bühne schon ab und spreche Hochdeutsch, um
einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Aber noch brauche ich den Pelzig, weil
ich dann ein anderer bin, anders denke und anders reagiere. Der ist
offensiver, unbekümmerter als ich. In den Talkshows hatte Pelzig eine
Schlagfertigkeit, um die ihn Frank-Markus Barwasser direkt beneidet. Das
ist eine ziemlich deutliche Persönlichkeitsspaltung. Wenn ich mir vor einem
Auftritt oder einer Live-Sendung die Hosen vollmache, sag ich mir immer:
Der Pelzig macht das schon. Und manchmal finde ich den perfekten Satz oder
die gute Pointe nicht zu Hause am Schreibtisch, sondern erst um fünf vor
acht Uhr hinterm Vorhang, wenn ich im Kostüm stecke.

Warum setzen sie das Hütchen dann nicht auch zu Hause auf, wenn Sie Texte
schreiben? 

Der Gedanke gefällt mir. Muss ich mal ausprobieren. Obwohl ich schon
versuche, da sauber zu trennen. Außerdem schützt mich die Figur natürlich,
weil ich mich dahinter verbergen kann.

Warum brauchen Sie diesen Schutz? 

Weil es Distanz schafft. Zu mir selbst und zu den Themen, die mich manchmal
doch anfassen. Humor hilft immer, Distanz zu halten – und diese Distanz ist
manchmal sehr nötig, denn manches ist sehr schwer zu ertragen – für das
Publikum, aber auch für den Menschen, der sich an dieses Publikum wendet.

Im aktuellen Programm raten Sie, um mit den schweren Zeiten umzugehen, sich
an die Philosophie der altgriechischen Stoiker zu halten. 

Ja, denn ich verstehe die Stoiker so: Es muss nicht unbedingt schlimmer
werden, aber es kann schlimmer werden, also genieß deine heutigen Probleme.

Das macht jetzt auch nicht wirklich Hoffnung, oder? 

Ja, natürlich – wenn das jemand im schwarzen Rollkragenpullover vortragen
würde, der dabei eine distanzierte und letztlich zynische Haltung einnimmt.
Aber wenn das der Pelzig sagt, dem das ans Herz geht, dann bekommt das eine
rührende Verzweiflung. Ich gehe im Programm aber auch weiter und sage: Wenn
uns die KI unser Alleinstellungsmerkmal, unsere kognitive Überlegenheit
nimmt, dann sollten wir uns ein neues Alleinstellungsmerkmal suchen, die
Freundlichkeit.

Einfach mal nett sein, das löst unsere Probleme? 

Ja, das klingt banal, aber ist es letztendlich nicht. Es geht doch nicht
nur um ein bisschen Nettsein, sondern um ein inneres Wohlwollen gegenüber
der Außenwelt. Und daran mangelt es, denn wir haben Angst – da wären wir
wieder beim Thema – und die Angst macht uns weniger kooperativ und
brutaler. So werden wir aber diese Veränderungen, die uns erwarten, nicht
überstehen. Das Erfolgsgeheimnis der Spezies Mensch war in der
Vergangenheit immer die Kooperationsbereitschaft. Das dürfte wohl auch für
die Zukunft gelten.

Wenn sich Ihr Prinzip Freundlichkeit durchsetzt, hat sich Satire allerdings
erledigt – und Sie wären arbeitslos. 

Ja, und viele andere auch. Es wäre dramatisch für die Branche. Aber die
Verantwortung würde ich voll und ganz und dankbar übernehmen.

25 Dec 2023

## AUTOREN
Thomas Winkler
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