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Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat auf Klage von 197
CDU/CSU-Abgeordneten den [1][60-Milliarden-Euro-Trick der Ampelkoalition
zur Umgehung der Schuldenbremse für nichtig] erklärt. Die Karlsruher
Richter:innen sind aber großzügig bei der Möglichkeit, den Schaden zu
reparieren. Wohl deshalb erging das Urteil einstimmig.
Die Ampel-Abgeordneten beschlossen im Februar 2022, dass 60 Milliarden Euro
Kreditermächtigungen, die für die akute Coronapolitik nicht gebraucht
wurden, in den Klimafonds – der heute Klima- und Transformationsfonds heißt
– verschoben werden. Die gewaltige Summe wurde bei der Berechnung der
Staatsschulden im Jahre 2021 verbucht, als die Schuldenbremse wegen der
Pandemie eh überschritten werden durfte. Das Geld sollte jedoch erst in den
Folgejahren ausgegeben werden. Dieser Trick sollte ermöglichen, dass
Finanzminister Christian Lindner (FDP) 2023 und 2024 wieder die Einhaltung
der Schuldenbremse verkünden kann. Geregelt wurde all dies im zweiten
Nachtragshaushalt für das Jahr 2021.
Die Bundesregierung berief sich bei diesem Manöver auf eine Ausnahmeklausel
im Grundgesetz. Demanch darf die Schuldenbremse im Falle einer
Naturkatastophe oder einer außergewöhnlichen Notlage umgangen werden. Die
klagenden Unionsabgeordneten bestritten zwar nicht, dass die
Corona-Epidemie eine solche Notlage war. Klimapolitik müsse jedoch aus dem
normalen Haushalt finanziert werden, denn die Klimakrise sei keine
überraschende Notlage. Die Ampelkoalition verwies dagegen auf die
wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Hier dürfe der Bundestag mit
Konjunkturprogrammen gegensteuern. Dass die Investitionen gleichzeitig dem
Klimaschutz dienten, ändere nichts am Bezug zur Coronakrise, so die
Bundesregierung.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte den
Nachtragshaushalt nun aus drei Gründen für verfassungswidrig. Erstens habe
der Bundestag zu schlecht begründet, wie die Klimaschutz-Investitionen
gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie helfen. Zweitens durfte im
Jahr 2022 kein Nachtragshaushalt für 2021 mehr beschlossen werden. Der
dritte Punkt ist aber der entscheidende: Ausgaben müssen in dem
Haushaltsjahr verbucht werden, in dem sie anfallen. Das gelte auch für ein
„Sondervermögen“ wie den Klimafonds, so das Gericht. Es ist also nicht
möglich, in Jahren, in denen die Schuldenbremse ausgesetzt ist,
Kreditermächtigungen zu verbuchen, das Geld aber erst in späteren Jahren,
wenn die Schuldenbremse wieder gilt, auszugeben.
## Von Beginn an nichtig
Aus diesen Gründen war der zweite Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 von
Beginn an nichtig. Es gibt keine Übergangsfrist. Die Bundespolitik hat nun
laut Bundesverfassungsgericht viele Möglichkeiten. Sie kann entweder die
Aufgaben des Klimafonds reduzieren – oder sie kann ihm neues Kapital
zuführen. Dieses neue Kapital kann entweder im normalen Haushalt gekürzt
werden, etwa bei Sozialleistungen oder der Hilfe für die Ukraine. Es können
aber auch Steuern erhöht werden, oder der Bundestag beschließt neue
Schulden. Die Aufnahme neuer Schulden ist dabei nicht das letzte Mittel,
sondern eine gleichrangige Option, stellte das Gericht klar.
Für die neuen Schulden kann sich der Bundestag im Prinzip wieder auf die
Ausnahmeklausel berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Grundsatzurteil entschieden, dass mit Zusatzkrediten auch die Ankurbelung
der Wirtschaft nach einer Notlage finanziert werden kann. Der Bundestag
muss die Investitionsprogramme nur besser begründen und in denjenigen
Jahren verbuchen, in denen die Ausgaben anfallen.
Begründen müsste der Bundestag also, dass [2][die wirtschaftlichen Folge
von Corona], aber auch des Ukrainekriegs, bis heute fortbestehen und
schwerer wiegen als Konjunkturschwankungen. Das dürfte bei einem
Investititionsausfall von – laut Bundesregierung – 53 Milliarden Euro
allein durch die Pandemie nicht schwerfallen. Der Bundestag hat hier laut
Urteil zwar eine Darlegungslast, aber auch einen Beurteilungsspielraum. Das
Gericht will das Parlament auch nur eingeschränkt kontrollieren.
15 Nov 2023
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