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Erinnern Sie sich noch an das gute alte Instagram? Das gab es so vor zehn
Jahren, Stories und Reels gab es damals noch nicht. Stattdessen sammelten
sich in meinem Feed quadratische Fotos von Sonnenuntergängen in Lissabon,
hippen Cafés irgendwo in Berlin-Mitte, Spiegelselfies von einem mehr oder
weniger aufregenden Outfit und zwischendurch wurde auch mal ein
selbstgebratenes Spiegelei in Szene gesetzt. Die App war gefüllt mit den
schönen Dinge des Lebens, meist mit einem Filter in Retro-Gelbtöne getunkt.
Von diesem Instagram ist heute kaum mehr etwas übrig. Jahr für Jahr wurde
die einstige Fototagebuchplattform immer kommerzialisierter und
politischer. Und mit dem Tod von Twitter ist auch die letzte Aktivist_in zu
Instagram rübergeschwappt. Seitdem swipe ich täglich durch meine
Insta-Stories und bekomme abwechselnd Werbung für Perioden-Unterwäsche, ein
Rant zum Genozid-Begriff, die neue Champagnerauswahl in der sechsten Etage
vom KaDeWe und Screenshots von Autorin A, die beweisen sollen, warum Autor
B eigentlich ein rassistisches oder antisemitisches Sackgesicht ist,
reingespült. Nach zehn Minuten swipen bin ich entweder wütend,
desillusioniert oder komplett verschallert und wünsche mir mein gutes,
altes Instagram zurück.
Diese Woche hatte ich dann kurz das Gefühl, Meta hätte meine Wünsche
erhört. Die Plattform soll zwar nicht mit weniger Werbung auskommen, doch
der Meta-Konzern möchte, dass Facebook, Instagram [1][und Threads – die
bisher eher belanglose Twitter-Alternative] – weniger politisch werden.
Doch wenn man sich die konkreten Pläne des Konzerns anschaut, ahnt man
schnell: Es wird nur schlimmer werden.
Künftig sollen nicht mehr proaktiv Konten mit politischen Inhalten vom
Algorithmus gepusht werden. Wer politische Inhalte sehen will, muss
politischen Konten folgen. Ob ein Konto von Instagram als politisch
klassifiziert wird, soll über die Einstellungen überprüfbar sein. Doch wie
die Klassifizierung vonstatten geht, gibt Meta nicht preis. Es wird also
grundsätzlich weniger politische Inhalte bei Instagram und Co. geben.
## Meta ist überfordert mit Desinformation
Aber was für Meta politisch ist, bleibt [2][im Blogpost des Konzerns] vage.
Dort steht lediglich, dass Inhalte betroffen sind, die „Gesetze, Wahlen
oder soziale Themen“ behandeln. Das heißt, wer ein Selfie von einer
Klima-Demo postet, kann genauso betroffen sein wie jemand, der einen
Faktencheck zu AfD-Aussagen oder irre Thesen zum russischen Angriffskrieg
gegen die Ukraine veröffentlicht.
Hintergrund für die Änderungen sind vermutlich die anstehenden US-Wahlen.
Schon jetzt ist Meta mit der andauernden Desinformation, Propaganda und
Hetze auf seinen Plattformen überfordert – in den kommenden Monaten werden
sie nur zunehmen. Doch politische Inhalte generell zu drosseln, kann nicht
die Lösung sein.
Für Aktivist_innen, Medien und NGOS, die bei der Verbreitung ihrer Inhalte
mittlerweile auf die großen Plattformen angewiesen sind, ist die
Ankündigung eine schlechte Nachricht. Aber auch abgesehen davon ist es mehr
als bedenklich, dass eine Firma aus dem Silicon Valley entscheidet, was
eigentlich als politisch gilt. Überhaupt sollte es nicht in der Hand eines
einzelnen Unternehmens liegen, welche Inhalte in einem Wahlkampf, aber auch
generell in unserer hochpolitisierten Welt sichtbar sind oder nicht.
Die Änderungen sollen laut Meta „mit der Zeit“ in Kraft treten. Doch schon
jetzt berichten Accounts von BPoC, linken oder queeren Menschen immer
wieder, dass ihre Reichweite deutlich eingeschränkt wird, wenn sie
Politisches teilen. Von „Tradwives“, also Influencerinnen, die sich als
Hausfrau der 50er Jahre inszenieren und gleichzeitig ultrakonservative und
rechte Inhalte verbreiten, sind solche Beschwerden bislang nicht
durchgedrungen. Vielleicht ist das Propagieren von veralteten
Geschlechtervorstellungen für Instagram einfach nicht politisch?
Die angekündigte Entpolitisierung der Plattform wird also eher nicht zur
Rückkehr des guten alten Instagram führen. Denn sicherlich werden die
Accounts nicht auf einmal wieder nur noch Urlaubsschnappschüsse teilen.
Vielmehr wird es in den kommenden Monaten darum gehen, wer seine
politischen Inhalte besonders subtil an die Leute bringen kann.
15 Feb 2024
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