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taz: Herr Schroeren, was haben Sie gedacht, als Sie vor elf Jahren im März
2011 von den Kernschmelzen in [1][Fukushima] hörten?
Michael Schroeren: Ich war völlig entsetzt und entgeistert: Das darf nicht
wahr sein, dass jetzt passiert, was du mit deinem Engagement gegen
Atomkraft verhindern wolltest. Fünf Jahre nach der Katastrophe war ich in
Fukushima. Auf dem Weg zum Reaktor fuhren wir durch menschenleere Dörfer
und Siedlungen. Links und rechts der Straße türmten sich Plastiksäcke, in
denen verseuchte Erde gelagert wurde. Rund um das Kraftwerk standen riesige
Anlagen mit Tanks für das radioaktiv verseuchte Wasser. Diese Bilder
vergisst man nicht. Ob es jemals wieder normales menschliches Leben in der
Gegend geben kann, ist fraglich.
Hat das Ihre Haltung zur Atomkraft verändert?
Schroeren: Es hat für mich die Dringlichkeit noch einmal verstärkt, dass
wir aus dieser Technologie schnellstmöglich aussteigen müssen.
Herr Blasel, erinnern Sie sich an Fukushima?
Jakob Blasel: Ich war damals 11 Jahre alt und habe das in den
[2][Kindernachrichten „Logo“] gesehen. Ich habe da erst verstanden, was ein
Atomkraftwerk, was eine Kernschmelze ist. Und was für eine Zerstörungswut
diese Technik entfalten kann.
Hat das Thema Atomkraft für Sie danach noch mal eine Rolle gespielt?
Blasel: Nein. Das Thema hat mich glücklicherweise wenig beschäftigt. Kurz
nach Fukushima wurde der Atomausstieg beschlossen. Seit ich politisch aktiv
bin, war Atomkraft deshalb keine offene Frage mehr. Wir wussten ja, dass
wir diese Technologie zumindest in Deutschland los sein werden. Als ich
2017 zur Grünen Jugend kam, habe ich eine Facebook-Einladung bekommen – zu
einer Atomkraft-Abschlussparty am 31. 12. 2022. Das war meine erste
politische Berührung mit dem Thema: das Ende der Atomkraft in Deutschland.
Herr Schroeren, wann hat Ihr Widerstand gegen Atomkraft ursprünglich
begonnen?
Schroeren: In den 1970er Jahren. 1975 habe ich geholfen, den Bauplatz des
[3][AKW Wyhl] am Oberrhein zu besetzen und mir im Zelt bei eisiger Kälte im
Februar den Hintern abgefroren. Wyhl war das Signal für Demos, Besetzungen
und Blockaden überall im Land, von Brokdorf bis Gorleben und Wackersdorf.
Warum haben Sie protestiert?
Schroeren: Ich war Pazifist und arbeitete bei der Zeitschrift
[4][Graswurzelrevolution]. Die gibt es heute noch, sehr lesenswert. Wir
interessierten uns brennend für soziale Bewegungen und gewaltfreien
Widerstand. Uns faszinierte, wie ein zunächst lokaler Protest sich zu einem
gewaltfreien Aufstand am ganzen Oberrhein ausweitete. Die Menschen im
Dreiländereck Schweiz, Frankreich und Deutschland wurden sich plötzlich
ihrer gemeinsamen alemannischen Identität und Stärke bewusst: Erst
verhinderten die Franzosen ein geplantes Chemiewerk im Elsass, dann halfen
sie den Deutschen in Wyhl, und danach stoppten alle zusammen ein geplantes
Atomkraftwerk bei Basel.
Herr Blasel, wie kommt es Ihnen vor, wenn Sie Herrn Schroeren von Wyhl 1975
reden hören? Der grüne Großvater erzählt vom Krieg?
Blasel: Inhaltlich ist das für mich weit weg. Aber die Taktiken und die
Bewegungslogik finde ich in vielen Punkten in der Klimabewegung wieder.
Eine meiner ersten Aktionen war 2017 ein Protestcamp gegen Kohle im
Leipziger Umland. Die Idee, mit Zelten am Ort der Zerstörung aufzuschlagen,
schließt an die Antiatombewegung an.
Gibt es einen organisatorischen Zusammenhang zwischen den Resten der
Antiatombewegung und der Klimabewegung?
Blasel: Wir haben sehr früh entscheidende Unterstützung erfahren von
Organisationen, die sehr direkt aus der Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen
sind. Greenpeace und der BUND standen uns mit Rat und Tat zur Seite. Im
Dezember 2018 habe ich meine erste Demo angemeldet und zwei Monate später
saßen wir beim Wirtschaftsminister und mussten eine Ansage machen, was wir
klimapolitisch wollen. Wir haben die Aktionen zwar aus eigenem Antrieb
gestemmt, hätten das aber ohne die Unterstützung dieser Organisationen
nicht geschafft. Ich profitiere von den Kämpfen, die die Generation von
Herrn Schroeren geführt hat – auch weil ich die Diskussion um Atomkraft nie
ernsthaft politisch führen musste.
Ist die Haltung zur Atomkraft bei den Grünen eine Generationenfrage? Die
Älteren sind mit dem Kampf gegen Atomkraft biografisch verbunden. Deshalb
sind viele strikt gegen den Streckbetrieb, also die befristete
Laufzeitverlängerung für drei Atomkraftwerke. Die Jüngeren haben andere
Erfahrungen gemacht, scheinen es lockerer zu sehen.
Blasel: Es gibt keine wesentlichen Differenzen. Atomkraft ist gefährlich
und bremst die Energiewende. Zum einen gibt es aber einen emotionalen
Unterschied, weil wir Jungen den Atomausstieg nicht über Jahrzehnte
schmerzhaft erkämpfen mussten. Zum anderen fehlt uns deshalb aber auch
Wissen. Ich habe vor diesem Gespräch Kommilitonen gefragt: Hey, wie steht
ihr zur Atomkraft? Die meisten finden den Atomausstieg richtig. Aber das
Wissen über die konkreten Nachteile und wie es zum Ausstieg kam, ist
übersichtlich.
Schroeren: Im Grunde genommen haben der Widerstand gegen Atomkraft und der
Kampf für das Klima denselben Hintergrund. Es ging uns von Anfang an um
eine Energiewende. Als Alternativen zur Atomkraft galten uns nicht
Kohlekraftwerke, sondern die lachende Sonne und der Wind. Auf den besetzten
Bauplätzen wurden stolz Modelle von Windrädern und Solarmodulen gezeigt.
Ich bestreite aber nicht, dass der Widerstand gegen Atomkraft das Projekt
von ein oder zwei Generationen war. Das ist aber auch überhaupt nicht
verwunderlich. Warum sollen sich die Jungen heute mit einem Thema befassen,
das die Älteren längst abgeräumt haben? Jede Generation muss ihre eigenen
Themen setzen und Erfahrungen im Widerstand sammeln.
Also alles bestens und schönste Harmonie?
Schroeren: Nicht ganz. Wenn junge Klimaaktivisten sagen: Atomkraft ist
abgehakt, und wenn ein paar Atomkraftwerke Monate oder vielleicht auch
Jahre weiterlaufen sollen, ist das nicht so schlimm, dann ziehen sie eine
falsche Lehre aus dem Widerstand der Anti-AKW-Bewegung.
Sie sind kategorisch gegen den Streckbetrieb, die Idee also, die AKWs ohne
neue Brennstäbe etwas länger laufen zu lassen?
Schroeren: Nach allem, was wir heute wissen, gibt es keine energiepolitisch
zwingenden Gründe für einen verlängerten Betrieb der Atomkraftwerke,
zumindest nicht, solange alle anderen risikoärmeren Möglichkeiten nicht
voll ausgeschöpft sind. Der Stresstest, den das Wirtschaftsministerium
gerade führt, wird nichts über den Zustand der Reaktoren und deren
Nachrüstungsbedarf aussagen. Das könnten nur regelmäßige
Sicherheitsüberprüfungen, die letztmals 2009 stattgefunden haben und
deswegen längst überfällig sind. Wie wichtig sie sind, zeigt sich gerade in
Frankreich. Dort steht die Hälfte der Atomreaktoren still, weil bei
Sicherheitsüberprüfungen Korrosionen in Rohrleitungen festgestellt wurden,
die bei einem Erdbeben zu einem Kühlmittelverlust und zur Katastrophe
führen könnten. Der Ukrainekrieg führt uns ein zusätzliches Risiko vor
Augen: Atomkraftwerke wurden zum ersten Mal Ziele militärischer Angriffe.
Auch das zeigt: Wir machen unser Land sicherer, wenn wir die AKWs
abschalten.
Wie sehen Sie das, Herr Blasel?
Blasel: Beim [5][Streckbetrieb] hätte ich erst mal Bauchschmerzen. Ich
würde aber zunächst das Ergebnis des Stresstests abwarten. Ein erster
Stresstest hat schon vor Monaten ergeben, dass Atomkraft in der aktuellen
Energiekrise keinen Unterschied macht. Nach jetzigem Wissen kann man
Gasverbrennung nicht einfach durch Atomkraft ersetzen. Wenn der zweite
Stresstest das gleiche Ergebnis liefert, ist die Debatte aus meiner Sicht
beendet.
Und wenn nicht?
Blasel: Grundsätzlich sehe ich die Frage des Streckbetriebs nicht
dogmatisch. Aber fachlich scheint viel dagegen zu sprechen. Eine generelle
Laufzeitverlängerung für mehr AKWs mit neuen Brennstäben lehne ich ab.
Schroeren: Du willst abwarten, was der zweite Stresstest ergibt, und dann
vielleicht doch in die Debatte um längere Laufzeiten einsteigen?
Blasel: Wir sollten uns auf die Debatte, ob der Streckbetrieb sinnvoll und
vertretbar ist, erst einlassen, wenn klar ist, dass dieser AKW-Strom
überhaupt einen Unterschied machen könnte.
Schroeren: Das halte ich für falsch. Die Grünen versuchen derzeit ja mit
diesem Mantra, den Ball flach zu halten. Sie haben Angst, im Winter den
Sündenbock nicht loszuwerden, wenn die Unionsparteien im Zusammenspiel mit
interessierten Medien eine Empörungswelle inszenieren, egal ob es dafür
einen sachlichen Grund gibt oder nicht. Deswegen halten Grüne es für klug,
sich jetzt nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ich finde das
kurzsichtig. Egal wie das Ergebnis des Stresstests aussieht: Es wird den
Druck auf die Grünen dermaßen erhöhen, dass ich Zweifel habe, ob sie sich
dann noch wirksam dagegen wehren können, wenn sie es denn überhaupt noch
wollen. Deswegen sollten die Grünen jetzt klare Kante zeigen: Kein
Weiterbetrieb von Atomkraftwerken. Nein zum nicht verantwortbaren Risiko.
Ja zu risikoärmeren Möglichkeiten, die Stromversorgung in der Krise
sicherzustellen, vor allem durch massive und systematische
Energieeinsparungen. Friedrich Merz und Markus Söder geht es mit dieser
sinnlosen Atomdebatte doch nur vordergründig um die Sicherung der
Energieversorgung. Dahinter steckt vielmehr ein knallhartes
parteipolitisches Kalkül: Ihnen geht es darum, dass die Union endlich
zurückerobert, was sie vor langer Zeit an die Grünen verloren hat: die
Hegemonie in der Energie- und Klimapolitik. Das kann ihnen nur gelingen,
wenn sie erreichen, dass die Grünen entgegen ihrer angeborenen
Grundüberzeugung Atomkraftwerke genehmigen und damit ihr
Alleinstellungsmerkmal verlieren. Merz und Söder nutzen den
verbrecherischen Krieg in der Ukraine für die eigene parteitaktische
Agenda. Das ist schändlich und damit dürfen wir sie nicht durchkommen
lassen.
Herr Blasel, klingt das für Sie schlüssig?
Blasel: Parteitaktische Überlegungen sind mir grundsätzlich nicht so
wichtig. Aber ich fand den Punkt gerade überzeugend. Ich bin in der
aktuellen Debatte immer noch dabei, mir neues Wissen über die Risiken der
Atomkraft und des Streckbetriebs anzueignen. Diese Unsicherheit in Teilen
der Klimabewegung und der Grünen, ob jetzt drei Monate mehr oder weniger
den Unterschied machen, könnte aber Tür und Tor öffnen für eine größere
Atomdebatte. Da hat mich Michael gerade ein bisschen mitgenommen.
Schroeren: Mangelndes Wissen kann man niemandem vorwerfen, wohl aber
mangelndes Interesse, sich zu informieren. Was würdest du davon halten,
dass sich die Fridays und andere aktiv darum bemühen, sich in Sachen
Atomkraft und Reaktorsicherheit mal organisiert schlau zu machen?
Blasel: Auf jeden Fall. Wir kommen auf dich zurück.
Außerhalb Deutschlands sagen Klimabewegungen und grüne Parteien zum Teil,
dass Atomkraft als Übergangstechnologie für eine erfolgreiche und sozial
abgefederte Energiewende gebraucht werde. Bringt Sie das nicht manchmal ins
Grübeln?
Blasel: Mir ist nicht klar, wie ein Übergang mit Atomkraft gestaltet werden
sollte. Bei den Erneuerbaren haben wir ja das Problem, dass nicht immer die
Sonne scheint und der Wind weht. Wir müssen es schaffen, diese Schwankungen
auszugleichen. Das kann zum Beispiel mit Kraftwerken geschehen, die mit Gas
und später mal mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Sie kann man
flexibler an- und ausschalten, Atomreaktoren nicht.
Schroeren: Manche werfen den Grünen vor, sie hätten die Energiewende in
Deutschland falsch aufgezäumt, richtiger wäre es gewesen, erst aus der
Kohle und dann aus der Atomkraft auszusteigen. Das ist eine rein
akademische Diskussion für den grünen Tisch, aber ohne praktische
Bedeutung, weil sie die Rechnung ohne die Dynamik sozialer Bewegungen
macht. In den 70ern haben sich die Bauern und Winzer am Kaiserstuhl eben
zuerst gegen Atomkraftwerke gewehrt, weil sie darin eine Gefahr für sich
und ihre Existenzgrundlage gesehen haben. Ohne diesen Widerstand wäre die
Energiewende damals nicht in die Gänge gekommen. 1998 hat Rot-Grün dann
parallel den Atomausstieg und den rasanten Einstieg in die Erneuerbaren
aufgesetzt. Hätte Schwarz-Gelb ab 2009 nicht beide Prozesse sabotiert,
wären wir jetzt viel weiter.
Aktuell treibt ein grüner Wirtschaftsminister den Bau von LNG-Terminals
voran. Das Gas aus Russland wird mit Gas aus anderen Ländern ersetzt,
vielleicht auch mit Fracking-Gas. Die Kohleverstromung wird hochgefahren,
wodurch die CO2-Emission steigt. Für wie gravierend halten Sie das in
Abwägung zum Streckbetrieb?
Blasel: Es ist bitter, dass wir gerade so massiv auf fossile Energien
zurückgreifen. Ich halte es für einen politischen Fehler, dass gerade
LNG-Terminals für Jahrzehnte gebaut werden, dass Pipelines entstehen und
Kohlekraft langfristig zementiert wird. Ich verstehe, dass wir gerade mit
einer Notlage agieren müssen. Wir können auch gerne über Notlösungen für
zwei oder drei Jahre reden. Aber was gerade parallel passiert, ärgert mich
viel mehr als jede Abwägung über den Streckbetrieb: Es entsteht
Infrastruktur, die uns über Jahrzehnte an fossile Energien bindet.
Wenn Scholz neue Gasfelder vor der Küste Senegals erschließen will oder
Habeck langfristige Lieferverträge mit Golfstaaten abschließen möchte, ist
das also gravierender als die Diskussion über den Streckbetrieb?
Schroeren: Ich halte beides für schlecht. Nach meiner festen Überzeugung
ist aber der längere Betrieb von Atomkraftwerken die noch schlechtere
Option, weil damit erstens die Energiekrise nicht behoben werden kann. Und
zweitens ist damit ein Risiko verbunden, das im Falle eines Unfalls einen
viel größeren Schaden verursachen kann als der Betrieb von Gaskraftwerken.
Blasel: Entscheidend ist für mich, dass die Bundesregierung die falschen
Prioritäten setzt: Sie müsste international um Fachkräfte und Know-how für
den Einbau von Wärmepumpen werben. Sie müsste sich um bessere Wärmedämmung
kümmern. Sie müsste alles dafür tun, Energie einzusparen. Stattdessen
beruft man sich auf das Bekannte, indem man fehlendes Gas aus Russland
einfach anderswo kauft
Als Partei tragen die Grünen diesen Weg aber mit. Man hat die bittere Pille
geschluckt. Würde sich das wiederholen, wenn sich die Spitze jetzt auch für
den Streckbetrieb entscheidet – oder kommt es dann doch zur Zerreißprobe?
Schroeren: Ich habe immer noch die Hoffnung, dass eine offene
innerparteiliche Diskussion die Zustimmung der Grünen zu einer
Laufzeitverlängerung verhindert. Bisher ist davon wenig zu spüren. Die
Grünen haben den fatalen Eindruck entstehen lassen, als hätten sie sich mit
einer Laufzeitverlängerung schon abgefunden. Das ist keine gute
Ausgangsposition für die Debatte, die mit Wucht auf die Grünen zukommen
wird. Deswegen sollte die Partei schon jetzt mit allem, was sie hat, eine
intensive Aufklärungskampagne führen, warum Atomkraft nach wie vor ein zu
hohes Risiko ist und warum es gut ist, wenn die AKWs trotz allem wie
geplant zum Jahresende vom Netz gehen.
Blasel: Ich würde gerne noch mal einen Schritt zurückgehen: Wenn die
Bundesregierung auch über die nächsten ein bis zwei Jahre keinen Weg
findet, die Krise ohne neue fossile Abhängigkeiten einzudämmen, werden
Partei und Bewegung das auch nicht mehr so einfach mittragen. Ich werde es
zumindest nicht tun. Im Moment geht nur noch so viel durch, weil wir bei
Robert Habeck zumindest die Bemühungen sehen, auch den Ausbau der
Erneuerbaren weiterhin zu forcieren. Anders als bei Olaf Scholz erkenne ich
bei ihm ein politisches Ringen.
Und wie würden sich jüngere Grüne verhalten, wenn die Parteispitze
letztlich dem Streckbetrieb zustimmt? Würden sie zusammen mit Jürgen
Trittin einen Sonderparteitag einberufen?
Blasel: Ich spreche weder für junge Grüne noch für die Grüne Jugend, aber
ich glaube nicht, dass sich viele mit so einer Entscheidung abfinden
würden.
Schroeren: Die Unterscheidung zwischen Streckbetrieb und
Laufzeitverlängerung halte ich für künstlich und irreführend. Auch
Streckbetrieb ist eine Laufzeitverlängerung, für die das Atomgesetz
geändert werden müsste. Und bei der Stimmung innerhalb von FDP und Union im
Bundestag: Wer garantiert denn den Grünen, dass am Ende nicht etwas ganz
anderes aus dem Bundestag herauskommt? Ich befürchte: Wer sich auf
Streckbetrieb einlässt, wird bei Laufzeitverlängerungen landen.
Blasel: Dafür müsste aber die Koalition zerbrechen.
Schroeren: Kann sein. Kommt ganz drauf an, wie sehr sich die Grünen noch
beugen lassen.
Oder die Grünen machen eine weitere Wendung und stimmen am Ende sogar drei
weiteren Jahren Atomkraft zu. In den letzten Monaten hat die Partei
schließlich schon einige Positionen abgeräumt, die als heilig galten.
Blasel: Dann rüste ich aber ganz schnell zum Atomkraftgegner um.
Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen würden: „Das ist nicht mehr meine
Partei. Ich trete aus“?
Schroeren: Den mag es geben. Aber ich hoffe, dass die Grünen ihn nicht
erreichen.
Blasel: Eher nein. Für einen Austritt muss man sich sehr von der Partei
entfremdet haben. Ich habe kein Verständnis für Leute, die austreten, nur
um sich zu profilieren oder noch heute davon erzählen, wie sie die Partei
vor 30 Jahren verlassen haben.
19 Aug 2022
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