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Drei Jahre nach ihrem Start, [1][mit fröhlichen Selfies] und dem
selbstgewählten Label als „Fortschrittskoalition“, ist die erste
Ampel-Koalition der Bundesrepublik Geschichte. Und die Frage ist, ob dies
nun endlich passiert ist oder ausgerechnet jetzt.
[2][Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt seinen Finanzminister
Christian Lindner (FDP)]. Und er nutzt diesen Anlass, um die wohl beste
Rede zu halten, die er als Bundeskanzler gehalten hat. Statt
Scholzomatischer Robotik spricht er in klaren Sätzen: Lindner habe sein
Vertrauen gebrochen, habe parteitaktisch agiert.
Es ist eine für Scholz' Verhältnisse emotionale Abrechnung mit seinem
Finanzminister, den er noch bis vor kurzem immer verteidigt hat, oft zum
Missfallen seiner eigenen Partei und seines zweiten Koalitionspartners, der
Grünen.
Scholz hat diesen Schritt für Mittwochabend offenbar genau geplant: Denn er
ist nicht nur klar in seiner Abrechnung, sondern auch in dem, was jetzt
folgen soll: Bis Weihnachten will er die wichtigsten Gesetze in den
Bundestag einbringen, um damit die Wirtschaft zu stärken. Mitte Januar will
er die Vertrauensfrage stellen, damit es Ende März Neuwahlen gibt –
passenderweise kurz nach den Bürgerschaftswahlen in der SPD-Hochburg
Hamburg.
Mit diesem Zeitplan setzt Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz unter
Druck. Zieht der mit, stärkt er seinen Konkurrenten ums Kanzleramt im
Wahlkampf. Boykottiert Merz die Reformen zur Stärkung der Wirtschaft,
könnte Scholz ihm vorwerfen, dass ihm Parteitaktik wichtiger ist als das
Wohl des Landes.
## Scholz mutiert zum Wahlkämpfer
Nach [3][dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA] hatten viele erwartet,
dass sich die Bundesregierung an diesem Abend [4][noch einmal
zusammenraufen werde.] Tatsächlich sah der für heute angesetzte
Krisengipfel ja noch mal provinzieller aus als ohnehin schon: Da
[5][gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie
der Welt], die Zukunft des Westens ist ungewiss, und der deutsche
Finanzminister will bei einem abendlichen Proseminar seinen
Koalitionspartnern seine Vorstellungen von Ordoliberalismus erklären.
Doch diese Koalition ist nicht an ein paar Milliarden im Haushalt
gescheitert. Lindner war längst in den Wahlkampfmodus übergegangen und
handelte nur noch aus Parteitaktik. Selbst das Ergebnis der US-Wahlen hat
offenbar nicht dazu geführt, dass der Finanzminister zurück in die
staatspolitische Verantwortung wechselt.
Mit dem heutigen Tag ist nun auch Scholz zum Wahlkämpfer mutiert, auch wenn
er nach außen sein Handeln natürlich ganz staatsmännisch mit dem Wohle
Deutschlands begründet. Bleibt die Frage, warum er so lang dafür gebraucht
hat, um zu erkennen, dass mit dieser FDP kein Staat mehr zu machen war, in
einer langen Wirtschaftskrise und mit einem Krieg in Europa. Und ob die
Wählerinnen und Wähler ihm dieses lange Abwarten bei den kommenden
Neuwahlen noch vorwerfen werden oder sie vergesslich genug sind.
## Nicht weiter durchwurschteln
Am 20. Januar wird Donald Trump in den USA vereidigt. Nach dem Zeitplan von
Olaf Scholz steht dann bereits ein Wahltermin fest. Deutschland ist ab
heute im Wahlkampf. Und es ist eine absurde Vorstellung, dass der
Bundeskanzler über die Marktplätze der Republik turnen soll, um noch ein
paar Rentner von der Sozialdemokratie zu überzeugen, während Trump die
Weltordnung verändert, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Westen,
aber auch die Ukraine, Israel und Palästina.
Aber ist der Schritt hin zu Neuwahlen deshalb falsch? Es stimmt, das Timing
ist schwierig, und Stabilität kann manchmal ein Wert für sich sein. Doch
ein Weiter-so der Ampel wäre eine noch schlechtere Nachricht gewesen. Denn
eine Lehre aus Trumps Wahlsieg ist auch: Mitte-Parteien, die sich weiter
durchwurschteln, haben gegen den Rechtspopulismus auf Dauer keine Chance.
6 Nov 2024
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