# taz.de -- Ausschreitungen in Amsterdam: Ein hitziges Nachspiel

> Auch Tage nach den Gewaltexzessen rund um das Europa-League-Spiel
> zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv bleibt die Lage in den
> Niederlanden äußerst angespannt.
Amsterdam taz | Während die letzten [1][israelischen Anhänger*innen die
niederländische Hauptstadt am Samstag verlassen], ist das Nachspiel im
vollem Gange, und das auf mehreren Ebenen. Die Staatsanwaltschaft sucht mit
einem eigens zusammengestellten Rechercheteam nach den Schuldigen der
Angriffe auf die Maccabi-Fans. Damit will man vor allem in Erfahrung
bringen, ob und wie diese zusammenhängen. Bürgermeisterin Femke Halsema
hatte auf einer Pressekonferenz am Freitag von Aufrufen zur „Judenjagd“ in
Telegram-Gruppenchats gesprochen.

Diskutiert wird nicht zuletzt der Einsatz der Sicherheitskräfte. Halsema
und Polizeichef Peter Holla betonen, die 800 eingesetzten Polizisten samt
Bereitschaftseinheiten hätten dafür gesorgt, dass es um das Stadion herum
ruhig blieb. Ein besonderes Risiko, so Halsema, habe auch der Direktor der
Nationalen Koordination für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit nicht
gesehen. Israelische Quellen berichteten am Wochenende, dass der Mossad die
niederländischen Behörden vor Gewalt gegen Maccabi-Fans gewarnt habe.

Wie die Staatsanwaltschaft am Samstag bekannt gab, wurde während der
Übergriffe auf Maccabi-Fans niemand arrestiert. Zu den 62 vermeldeten
Festnahmen sei es vor und während des Matches gekommen. Sowohl Holla als
Halsema betonten, bei der „hit and run“–Strategie teils motorisierter
Angreifer sei es besonders schwierig einzugreifen.

[2][Unterdessen mehren sich in der jüdischen Bevölkerung Amsterdams] die
Forderungen nach einem Rücktritt der Bürgermeisterin. Nicht erst seit den
Vorfällen von Donnerstag wird Halsema vorgeworfen, sie unternehme zu wenig,
um diese zu schützen. Am Wochenende galt in Amsterdam eine Notverordnung,
die unter anderem ein Demonstrationsverbot beinhaltete. Eine
propalästinensische Demonstration auf dem Dam-Platz im Amsterdam fand am
Sonntagnachmittag trotzdem statt und war bei Redaktionsschluss noch im
Gang.

## Rücktritt der Bürgermeisterin gefordert

Auch in der niederländischen Landespolitik haben die Ereignisse vom
Donnerstag für Turbulenzen gesorgt. Während Vertreter*innen aller
Parteien die Gewalt verurteilten, entspann sich Freitag ein grotesker
Wettstreit, um den eigens nach Amsterdam geeilten, eben erst angetretenen
israelischen Außenminister Gideon Saar am Flughafen Schiphol zu empfangen.
Während sich der zu EU-Gesprächen in Budapest weilende Premier Dick Schoof
von Justizminister David van Weel vertreten ließ, machte sich auch Geert
Wilders, Chef der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid, zum
Flughafen auf, wo ihm Van Weel jedoch zuvorkam.

Dass ein einfaches Parlamentsmitglied – und ein solches ist auch der
Vorsitzende der größten Fraktion – einen Staatsgast empfängt, ist nicht
üblich. Es zeigt umso mehr die politische Dimension der Ereignisse rund um
das Match. Wilders setzte seit dem Morgen danach Tweets ab, in denen er die
Niederlande „das Gaza von Europa“ nannte, den Premier aufforderte, „die
Täter aus dem Land“ auszuweisen, und Van Weel drängte: „Warum schickst du
das Pack nicht aus dem Land? Wo bleiben die Vorschläge, um kriminellen
Muslimen die Staatsbürgerschaft abzunehmen?“

Wilders inszeniert sich damit weiterhin als Sprachrohr all jener, die
seiner Partij voor de Vrijheid (PVV) vor allem wegen ihrer harten
Anti-Migrations-Standpunkte vor einem Jahr zu einem haushohen Wahlsieg
verhalfen. In der Koalition mit drei bürgerlich-rechten Parteien steht
Wilders freilich außen vor, weil die anderen ihn wegen seiner radikalen
Positionen nicht als Premier akzeptierten. Das NRC Handelsblad beschrieb
Wilders’ Vorgehen der letzten Tage als „brutalen Griff nach der Macht“.

## Wilders spielt sich als Beschützer der Jüd*innen auf

Eine auffällige Folge ist, dass die Bewertung der Ereignisse nach dem Spiel
in Amsterdam stark von dieser Konstellation abhängt. Dass etwa Wilders sich
gerne als Beschützer der niederländischen Jüd*innen aufspielt und die
Vorfälle, ebenso wie israelische Medien, ein „Pogrom“ nannte, lässt seine
Gegner*innen im niederländischen Diskurs auf Abstand zu dieser
Klassifizierung gehen. Legt man dagegen die Definition der Bundeszentrale
für politische Bildung zugrunde – „gewalttätige Aktionen, Übergriffe und
Ausschreitungen gegen (ethnische, nationale, religiöse etc.) Minderheiten“
–, sind die Vorfälle davon zumindest nicht weit entfernt.

[3][Ähnlich verhält es sich mit dem Auftreten der Maccabi-Fans], von denen
einige schon in der Nacht vor dem Match palästinensische Flaggen von
Hauswänden rissen und tags darauf als Gruppe beim Amsterdamer Bahnhof
nachweislich rassistische und kriegsverherrlichende Lieder sangen. Diese
Aufnahmen sind auch im hiesigen Diskurs entweder bestenfalls eine
Randnotiz, oder sie relativieren die folgenden antisemitischen Hetzjagden.

Dafür, dass diese nicht provoziert waren, spricht ein Bericht der
Tageszeitung Het Parool, nach dem auch in der Nacht zu SonntagPassantenin
Amsterdam nach ihren Ausweisen gefragt und Jüd*innen bedroht worden
seien.

10 Nov 2024

## LINKS
[1] /Ausschreitungen-in-Amsterdam/!6047786
[2] /Israelische-Fans-angegriffen/!6047697
[3] /Angriffe-auf-israelische-Fans/!6045259
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Ajax Amsterdam
European Maccabi Games
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
GNS
Fußball
Niederlande
Kolumne Press-Schlag
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam: Medien zeigen falsches Hetz-Video
Große Medien sendeten ein Video der Hetzjagden auf israelische Fans in
Amsterdam, das sich als falsch erwies. Die Richtigstellungen sind
halbherzig.
Ausschreitungen in Amsterdam: Gewaltexzesse nach dem Abpfiff
Nach einem Fußballspiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv werden
israelische Fans angegriffen. Mindestens fünf Menschen werden verletzt.
Angriffe auf israelische Fans: Sie dachten, sie führen zum Fußball
Anhänger von Maccabi Tel Aviv wurden durch Amsterdam gejagt. Judenhasser
sehen den Sport als ihr Kampffeld.
Israelische Fans angegriffen: Gewalt in Amsterdam
Nach einem Fußballspiel zwischen den Vereinen Ajax Amsterdam und Maccabi
Tel Aviv kommt es zu Gewalt. Netanjahu will Maccabi-Fans ausfliegen lassen.