|
Als drei Norweger um den Sieg beim alpinen Weltcup-Auftakt kämpften, war
der frühere Seriensieger längst fertig mit seinem Arbeitstag – dem ersten
nach der Rückkehr aus der Ski-Rente. [1][Marcel Hirscher] landete beim
Riesenslalom in Sölden auf dem 23. Platz, ein Ergebnis, nach dem er früher
wortlos davongestapft wäre. Dieses Mal lachte Hirscher im Ziel, weil er mit
35 und fünfjähriger Wettkampfpause auf Anhieb wieder in der erweiterten
Weltklasse mitmischen konnte. Das, sagte er, sei fast mehr wert als seine
67 Weltcupsiege, die er bis 2019 errungen hatte. Sportlich stand Hirschers
Leistung aber fast im Schatten des zweiten Rückkehrers.
Lucas Pinheiro Braathen hatte vor einem Jahr in Sölden seine Karriere im
norwegischen Team beendet, startet nun für Brasilien, der Heimat seiner
Mutter, und wurde Vierter – hinter seinen drei früheren Mannschaftskollegen
Alexander Steen Olsen, Henrik Kristoffersen und Atle Lie MacGrawth. Seine
Bestzeit im zweiten Durchgang feierte er, der sich selbst als Showman
bezeichnet, mit einem Tänzchen.
2.051 Tage hatte Hirscher Pause gemacht. In der Zeit gründete er ein
Modelabel und baute [2][mit Hilfe von Red Bull] eine Ski-Firma sowie ein
Ski-Team auf. Dass sein Comeback gut fürs eigene Geschäft ist, versteht
sich. Aber als reinen PR-Gag dürfte das spätestens seit Sölden niemand mehr
verstehen. „Es ist extrem schön, dass ich das noch einmal erleben darf,
dass ich das die ganze Saison haben darf“, sagte er. „Skifahren war immer
mein Leben und das ist es noch immer.“
Es war in den beiden Tagen vor dem Rennen, als der Start von Hirscher nach
viel Hin und Her, endlich feststand, diskutiert worden, was der 35-Jährige
noch im Stande ist zu leisten. Er selbst hat, und das war in seiner ersten
Karriere nicht anders gewesen, seine Form, sein Potenzial heruntergespielt.
Er sei eigentlich „nicht extrem bereit“, erklärte er und verwies auf
Trainingsläufe gegen die Konkurrenz, in denen er zwei Sekunden langsamer
gefahren sei. Als er im April sein Comeback verkündete, habe er nicht daran
gedacht, schon ein halbes Jahr später in Sölden dabei zu sein, sagte er.
Was ohne die Wildcard, die der Internationale Skiverband im Sommer
einführte, auch kaum möglich gewesen wäre, waren doch bisher für einen
Weltcup-Start eine bestimmte Anzahl von Fis-Punkten, gesammelt bei Rennen
in niedrigeren Kategorien, nötig.
## Man stört sich am Prozess
Nicht die Einführung dieser Wildcard hatte für Kritik gesorgt. Der
Kitzbühel-Sieger im Slalom, Linus Straßer, findet, dass das Comeback von
Hirscher „PR-mäßig ein Riesending ist, dass es dem Sport und der
Einschaltquote gut tut“. Vielmehr stört man sich am Prozess. Das
Alpin-Komitee der Fis, in dem üblicherweise solche Regeländerungen
diskutiert werden, war dabei übergangen worden. Weil die Kritik so groß
war, arbeitete die Fis nach und konkretisierte die Regel.
Dank der Wildcard durfte Hirscher als 34. starten. Pinheiro Braathen
hingegen wurde aufgrund seiner Fis-Punkte eingestuft und war deshalb erst
sieben Nummern später an der Reihe. „Früher habe ich gewusst, ich muss
liefern. Heute darf ich Skifahren“, sagte Hirscher vor dem Rennen. Es sei
„,mega“ gewesen zu wissen, ohne Druck zu fahren“.
Die Startintervalle waren wegen ihm und Braathen nicht wie sonst schon nach
der Nummer 30, sondern erst nach der Nummer 41 verkürzt worden. Man wolle
den Zuschauern die Möglichkeit geben, die Läufe der beiden Rückkehrer von
oben bis unten zu verfolgen – am Fernseher oder an den großen Bildschirmen
im Zielgelände, sagte Renndirektor Markus Waldner. „Das ist Werbung für
unseren Sport.“ Selbst in Brasilien wurde der [3][Riesenslalom von Sölden]
übertragen, zum ersten Mal. Wegen Braathen – nicht wegen Hirscher.
27 Oct 2024
## LINKS
|