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Berlin taz | Die Frage nach der Finanzierung von Klimamaßnahmen sei „das
Herz der Klimadiplomatie“ auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz, sagte der
Konferenz-Präsident Mukhtar Babayev. Wer wie viel Geld zur Verfügung
stellt, damit Länder des Globalen Südens das Klima schützen und sich an die
Folgen der Erderhitzung anpassen können, wird eine der zentralen Fragen
sein, die im November auf der Klimakonferenz im aserbaidschanischen Baku
verhandelt werden.
Aktuell ist das Ziel, dass die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden
Euro für Klimamaßnahmen im Globalen Süden bereitstellen, die sogenannte
Klimafinanzierung. 2020 wollten die Länder den Betrag zum ersten Mal
erreichen – das versprachen sie 2009 bei der Klimakonferenz in Kopenhagen.
Aber erst [1][2022 sind erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar] für
Klimainvestitionen vom Globalen Norden in den Globalen Süden geflossen. Das
100-Milliarden-Ziel gilt nur bis 2025. Deshalb müssen sich die
Vertragsstaaten in Baku auf ein neues Ziel einigen.
Der Bedarf an Klimafinanzierung ist viel höher als die bislang vereinbarten
100 Milliarden Dollar pro Jahr. Allein für die Anpassung an die
Erderhitzung brauchen die Entwicklungsländer der UN zufolge jährlich 194
bis 366 Milliarden US-Dollar mehr in Krediten und Zuschüssen als die 21
Milliarden US-Dollar, die sie derzeit von den Industrieländern dafür
bekommen, also etwa das 10- bis 18-Fache. Damit könnten sie zum Beispiel
Dämme sturmflutfest machen oder Bewässerungssysteme fördern, um besser vor
Dürren zu schützen.
Dazu kommen noch die Investitionen in grüne Infrastruktur, die nötig sind,
um die Erderhitzung wie auf der Pariser Klimakonferenz vereinbart „deutlich
unter 2 Grad“ zu halten. Die Internationale Energieagentur IEA schätzt,
dass die Länder des Globalen Südens bis in die 2030er Jahre 1,4 bis 1,9
Billionen US-Dollar jährlich investieren müssten. Aktuell sind es nur etwa
260 Milliarden US-Dollar, also etwa ein Siebtel der nötigen Summe. Von den
nötigen 1,3 bis 1,6 Billionen US-Dollar Mehrbedarf sollten der IEA zufolge
500 bis 700 Milliarden aus der Klimafinanzierung des Globalen Nordens
kommen, aktuell sind es 83 Milliarden US-Dollar.
## Der Globale Süden braucht eine Billion Euro jedes Jahr
Bei dieser Schätzung sind aber im Gegensatz zur Schätzung der
Anpassungskosten auch private Investitionen enthalten: Mit Flutprävention
lässt es sich schwer Gewinne erwirtschaften, das müssen die Staaten selbst
übernehmen. Aber Geld in Windräder und Eisenbahnnetze zu stecken, kann sich
auch für private Investoren lohnen. Die [2][IEA geht davon aus], dass etwa
60 Prozent der nötigen Investitionen von privater Seite kommen müssen,
bisher ist es nur etwa die Hälfte.
Von den Industriestaaten brauchen die Länder des Globalen Südens bis 2030
also mehr als eine Billion Euro jährlich an Klimafinanzierung, die Zwecke
Klimaanpassung und Klimaschutz zusammengenommen.
Das sind zwar weniger als zwei Prozent der Wirtschaftskraft der
Industriestaaten. Gleichzeitig wäre es eine Verzehnfachung des bisherigen
Ziels – schwer vorstellbar, auch angesichts der Kürzungen des
Entwicklungsetats der Bundesregierung, sagt Jan Kowalzig, Referent für
Klimapolitik bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. Der Bedarf sei
gewaltig, „aber die Möglichkeiten sind da.“ Die zentrale Frage sei, wer
bezahlt.
Aktuell gilt das Klimafinanzierungsziel für die Länder, die im
Kyoto-Protokoll 1997 als Industriestaaten ausgewiesen wurden. Neben den
EU-Staaten und den USA zum Beispiel auch die Türkei und Russland. Diese
Länder haben sich zu den Finanzierungszielen verpflichtet, weil sie
historisch weit mehr CO2 ausgestoßen und daher mehr zur Erderhitzung
beigetragen haben als die Entwicklungsländer. Nicht dabei sind Staaten wie
China, Südkorea und Saudi-Arabien, die 1997 noch als Entwicklungsländer
galten, aber heute große Volkswirtschaften sind und teilweise mehr CO2
ausstoßen als die Industrieländer.
## EU will größere Beteiligung von privaten Geldgebern
Die [3][Europäische Union will] deswegen durchsetzen, dass die
Klimafinanzierung von einer „breiteren Gruppe der Geberländer“ getragen
wird. Das soll „die Entwicklung der jeweiligen wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit und den steigenden Anteil der weltweiten
Treibhausgasemissionen seit Anfang der 90er Jahre widerspiegeln“. Dass zum
Beispiel China weiterhin als Entwicklungsland gilt und deswegen nicht zur
Unterstützung des Globalen Südens verpflichtet ist, kritisieren die EU und
die USA schon seit Jahren.
Kowalzig sagt, viele Entwicklungsländer fürchteten, dass dieser Streit
letztlich dazu führt, Verantwortlichkeiten für die Klimafinanzierung
aufzuweichen. Ohnehin, sagt er, würde es nicht viel mehr Geld einbringen,
mehr Staaten zu beteiligen: „Berechnet man auf Grundlage der historischen
Emissionen und derzeitigen Finanzkraft eine neue Geberbasis, würde man
nicht einmal auf 150 Milliarden Euro Klimafinanzierung kommen.“ Den
Industrieländern aber gehe es ums Prinzip: Wenn sich die Welt ändert,
müssten sich auch die Klimaverträge ändern.
Viel wichtiger für die Klimafinanzierung sind Kowalzig zufolge Alternativen
zu Krediten und Zuschüssen direkt von den Geberländern. Zum Beispiel könne
man [4][Entwicklungsbanken mit mehr Kapital ausstatten] und es ihnen
erleichtern, für grüne Projekte billige Kredite zu vergeben. Auch die
Einnahmen aus einer globalen Mindeststeuer auf die Vermögen von
Superreichen, [5][wie sie Brasilien vorschlägt], könnten der
Klimafinanzierung zufließen. Greenpeace fordert etwa, durch Steuern und
Abgaben fossile Unternehmen stärker zu beteiligen. „Der Wohlstand ist da“,
sagt Oxfam-Experte Kowalzig, „nur müssen die Regierungen auch die Quellen
anzapfen.“
Die EU-Staaten setzen bei den Verhandlungen eher auf die Beteiligung
privater Geldgeber. Öffentliche Gelder allein reichten nicht aus, um die
nötigen Investitionen zu erreichen, betonte der EU-Rat. Der größte Teil
müsse von privater Seite kommen. Durch sogenannte
Public-Private-Partnerships sollen öffentliche Gelder dafür genutzt werden,
private Investitionen anzuregen. Schon im 100-Milliarden-Ziel von 2009 war
vorgesehen, dass ein Drittel der Gelder von privaten Investoren kommen
sollte. 2022 war es lediglich ein Fünftel. „Sicher ist auf jeden Fall, dass
Public-Private-Partnerships nicht so gut funktionieren, wie die Optimisten
es vorhergesagt haben“, sagt Kowalzig, „aber daran lässt sich arbeiten.“
## Finanzhäuser wollen nicht zur Klimakonferenz kommen
Die weltgrößten Finanzhäuser wie Blackrock und auch die Deutsche Bank haben
bereits angekündigt, dass ihre Vorstandsvorsitzenden im Gegensatz zur
Klimakonferenz in Dubai im vergangenen Jahr nicht an der Konferenz in Baku
teilnehmen werden, berichtete die Financial Times.
Neben der Höhe der Klimafinanzierung müssen die Delegationen auf der
Klimakonferenz auch klären, für welchen Zeitraum das neue Ziel gelten soll:
bis 2030 oder doch lieber bis 2035? Viele Entwicklungsländer favorisierten
eher eine kürzere Frist, sagt Kowalzig, um den Betrag je nach Bedarf besser
anpassen zu können. Einige Industriestaaten bevorzugten dagegen den
längeren Zeitraum, um nicht nach wenigen Jahren neu verhandeln zu müssen
und so Planungssicherheit aufzugeben.
20 Oct 2024
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