# taz.de -- RT-nahes Medium „Red“: Hybrider Krieg in Berlin

> Das Berliner Medienportal „Red“ wird mutmaßlich aus Russland finanziert.
> Die Spur führt zu einer Briefkastenfirma in der Türkei.
Die professionell geschnittenen Videos gehen in den sozialen Medien viral,
auf Instagram erreichte sie innerhalb 18 Monaten mehr als 200.000 Follower:
„Red“ oder „Red Media“ nennt sich die Anfang 2023 gegründete
englischsprachige Seite, nach eigener Darstellung ein „revolutionäres“,
bewegungsnahes Medienportal.

Von Berlin aus veröffentlicht Red gemeinsame Beiträge [1][mit der Zeitung
Junge Welt], dem Linken-Politiker Ferat Koçak oder antiisraelischen
Aktivistengruppen wie Palästina Spricht oder Jüdische Stimme. Und findet
online ein großes Publikum.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist vor allem der Nahostkonflikt Schwerpunkt des
Portals: Als antiisraelische Protestler*innen die Humboldt-Universität
in Berlin im Mai besetzen und ein Institut mit terrorverherrlichenden
Parolen und Hamas-Symbolen beschmieren, berichtet Red vor Ort, während
anderen Journalist*innen diverser Zeitungen den Zutritt verwehrt wird.

Auch bei der Besetzung der Roten Flora in Hamburg von
Palästina-Aktivist*innen im selben Monat ist Red dabei. Und als [2][Greta
Thunberg vergangene Woche eine Berliner Demo] unter dem Motto „Glory to the
resistance“ am ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs besucht, filmt Red ein
Interview mit ihr, das auf X/Twitter in kurzer Zeit mehr als 360.000 Mal
geschaut wurde.

## Bühne für Terror

Red bietet auch islamistischen Terrororganisationen regelmäßig eine Bühne:
Im Oktober 2023 interviewte das Portal einen Abgeordneten der Hisbollah und
einen Sprecher des Palestinian Islamic Jihad. Im vergangenen August
erschien ein Interview mit einem Berater der Huthis im Jemen. Im selben
Monat gratulierte Red dem langjährigen Chef der palästinensischen
Terrorgruppe PFLP George Habasch, der 2008 gestorben ist, zum Geburtstag.

All das soll Teil [3][einer russischen Propagandastrategie sein]. Denn laut
dem US-Außenministerium betreibt RT (ehemals Russia Today) im Verborgenen
Red, so heißt es [4][in einer Pressemitteilung vom 13. September].
US-Außenminister Antony Blinken kündigte weitere Sanktionen gegen RT an,
einen russischen Propagandasender. RT DE stellte seine Aktivitäten in
Deutschland 2022 ein, nachdem ein Verbot jeglicher Übertragung von
RT-Inhalten EU-weit in Kraft getreten war. Doch bereits im Juni
[5][berichtete der Tagesspiegel] über mögliche Verbindungen von Red nach
Moskau.

Das Statement des US-Außenministeriums veranlasste Meta, den Mutterkonzern
von Facebook und Instagram, am 16. September sämtliche RT-Accounts zu
sperren – auch Red. Solche Medien seien „jetzt wegen ausländischer
Einflussnahme weltweit von unseren Apps ausgeschlossen“, heißt es. Auch der
Youtube-Kanal von Red wurde gesperrt.

Red dementiert die Einstufung des US-Außenministeriums in einem Beitrag auf
der eigenen Webseite. Mit dem Kreml hätte es nichts zu tun. Red spricht von
einer „Kampagne“ gegen das Portal.

## Verbindungen nach Moskau

Schon seit der Gründung von Red im März 2023 gibt es allerdings
Verbindungen zu russischen Propagandakanälen. Das Portal fungiert nämlich
als Nachfolger des einen Monat zuvor eingestellten Redfish: ein ähnliches
Portal mit einem ähnlichen Zielpublikum. Red übernahm am 13. März direkt
den Telegram-Kanal von Redfish und benannte ihn um. Und Redfish gehörte
[6][zum russischen Staatsmedium Ruptly], das wiederum Teil des RT-Netzwerks
war.

Ein Blick auf die Unternehmensstruktur von Red wirft einige Fragen auf. Im
Impressum steht AFA Medya, ein Medienunternehmen in der Türkei. Laut dem
türkischen Handelsregister wurde es am 22. November 2022 in Istanbul
gegründet. Dort wird Hüseyin Doğru als alleiniger Geschäftsführer genannt.

Doch AFA Medya scheint nicht zu existieren. Es hat keine Webseite. Und an
der angegebenen Adresse in Istanbul befindet sich kein Unternehmen mit
diesem Namen, sondern unter anderem eines, das „virtuelle Büros“ anbietet,
mit denen man eine ladungsfähige Firmenanschrift anmelden kann. Russland
benutzt immer wieder Firmen in der Türkei, um Sanktionen der EU und USA zu
umgehen.

Wurde für das in Berlin ansässige Portal Red eine Briefkastenfirma in der
Türkei angemeldet, um europäische Sanktionen gegen Russland zu umgehen?

Der in Deutschland lebende Gründer von AFA Medya und Red-Betreiber Hüseyin
Doğru ist auch kein Unbekannter: Er etablierte schon Redfish, und war dann
laut deutschen Handelsregister auch mit der Auflösung des Unternehmens
beauftragt. Laut öffentlichen Jahresabschlussberichten machte Redfish
zwischen 2018 und 2022 jährlich schätzungsweise 400.000 bis knapp 700.000
Euro Umsatz. Doğru behauptet auf der Red-Webseite, dass das Vermögen zurück
an den Mutterkonzern Ruptly ginge.

## Personelle Überschneidungen

Die Stränge des RT-Netzwerks reichen im Personal noch weiter: Im November
2023 unterschrieb eine Person mit dem Namen „Lizzie Phelan“ und der Angabe,
bei Red tätig zu sein, einen Aufruf von Medienschaffenden zum Krieg in
Gaza. Lizzie Phelan ist ein Pseudonym der früheren Ruptly-Nachrichtenchefin
und RT-Reporterin Elizabeth Cocker. Auch Keanu Nazari gibt auf X/Twitter
und LinkedIn an, bei Red als Social Media Producer tätig zu sein. Direkt
davor war er nach eigenen Angaben ein Jahr lang bei Redfish.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagt der taz, das Medienportal Red sei
der Behörde bekannt, ebenso die personelle und inhaltliche Überschneidung
zu Redfish.

Red will sich auf taz-Anfrage dazu nicht äußern. Einen detaillierten
Fragenkatalog zu Finanzen und Struktur des Portals ließ es unbeantwortet.
Stattdessen reagierte Red mit einer Antwort, die nur in voller Länge
veröffentlicht werden darf, was die taz wie auch andere Zeitungen
grundsätzlich nicht macht. Am Ende steht die Parole „Free Palestine – From
the River to the Sea!“, die oft als Vernichtungsaufruf gegen den jüdischen
Staat Israel verstanden wird und die vom Bundesinnenministerium verboten
wurde.

Offiziell will Red mit Redfish nichts zu tun haben. In einer FAQ auf der
Webseite steht unter der Frage, ob Red dessen Nachfolger sei: „Nein, es
handelt sich um zwei verschiedene Unternehmen. red. ist ein unabhängiges
Unternehmen, das sich, wie oben erläutert, aus verschiedenen Quellen
finanziert.“

## Undurchsichtige Finanzstruktur

Nach eigenen Angaben erhalte Red Spenden von „Organisationen und
Einzelpersonen“. So könne sie „ohne den Einfluss von Unternehmensinteressen
oder politischen Agenden“ berichten. Von wem die Spenden genau kommen,
verrät das Portal nicht. Hinzu kommen gestaffelte Fördermitgliedschaften:
Ab fünf Euro im Monat kann man „die Sache unterstützen“, ab 100 Euro wird
man Teil des „Zentralkomitees“ und hat „Wahlrecht“ bei Kurzdokus.

Die undurchsichtige Finanzstruktur von Red hat wohl auch Gründe: „Russland
betreibt eine Vielzahl ‚verdeckt unterstützter Medien‘ und Red scheint auf
den ersten Blick eine davon zu sein“, sagt Florian Töpfl der taz. Er ist
Professor an der Universität Passau und forscht zur ausländischen
Medienstrategie Russlands.

Seit Jahren versucht der Kreml, alles zu verstärken, was die liberale,
westliche Demokratie destabilisiert. Im September [7][analysierte die taz
interne Papiere] der russischen Propagandafabrik SDA, die mit
Desinformation die deutsche Öffentlichkeit beeinflussen will.

Teils seien solche Medien sogar mehrsprachig, sagt Töpfl. Dazu gehört auch
das Portal Red, das inzwischen auch Artikel auf Spanisch oder Türkisch
veröffentlicht. Eine weitere Webseite, die laut dem US-Außenministerium
heimlich von RT betrieben wird, ist African Stream, das russische Narrative
auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet.

„Ziel ist, die Finanziers zu verheimlichen, da die persuasive Wirkung
stärker ist“, so Töpfl weiter. „Sogar Russia Today wurde ja in RT
umbenannt, was die Verbindung zu Russland weniger explizit macht.“

## Mit der „Achse des Widerstands“

Red macht in der Zwischenzeit weiter, auch ohne Instagram, Facebook und
Youtube. Das Portal sucht sogar neue Mitarbeiter, doch der Link zu den
Stellenausschreibungen, die auf Wordpress gehostet sind, funktioniert nicht
mehr. Fehlermeldung: „This account has been suspended“.

Übrig bleiben ein Telegram-Kanal mit 18.000 Abonnenten, der X-Account
@redstreamnet mit 90.000 Followern und ein Spotify-Profil. Red setzt nun
auch auf Odyssee, eine unter Rechtsextremen und Verschwörungsideologen
beliebte Video-Plattform, die für ihre nicht vorhandenen
Moderationsrichtlinien bekannt ist.

Zum ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs gegen Israel am 7. Oktober
veröffentlichte Red eine Video-Reihe mit dem Titel: „Talking with the Axis
of Resistance“. Darin kommen Mitglieder der Terrororganisationen Hamas,
Islamic Jihad, Hisbollah, PFLP und Huthis zu Wort. Sie sprechen über den
„Gefängnisausbruch“ aus Gaza ein Jahr zuvor. Propaganda, die allem Anschein
nach von Russland finanziert wird.

12 Oct 2024

## LINKS
[1] /Neue-Chefredaktion-fuer-Junge-Welt/!6038362
[2] /Protest-am-Jahrestag-des-7-Oktober-2023/!6041654
[3] /Russische-Propaganda-in-Europa/!5944595
[4] https://www.state.gov/alerting-the-world-to-rts-global-covert-activities/
[5] https://www.tagesspiegel.de/politik/verbindungen-nach-moskau-wer-hinter-den-videos-von-den-protesten-gegen-israel-steckt-11771174.html
[6] /Russische-Journalisten-in-Deutschland/!5042602
[7] /Desinformationskampagne-Russlands/!6034158
## AUTOREN
Nicholas Potter
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