|
An einem der letzten schönen Herbsttage spaziere ich mit meinem Freund
Felix aus der Zukunft durch die Münchner Innenstadt. Felix ist aus dem Jahr
2124 zu Besuch. „Weißt du, wie schwer es nach wie vor ist, in der
Öffentlichkeit in Ruhe einen Joint zu rauchen?“, frage ich, den Blick starr
auf mein Handy gerichtet. Denn während er bereits einen Schluck aus der
Bierflasche trinkt, die er an einem Kiosk gekauft hat, muss ich erst die
Bubatzkarte konsultieren und darauf achten, dass keine Minderjährigen in
der Nähe sind. Sonst mache ich mich strafbar.
„An jeder Ecke kriegst du Alkohol. Aber obwohl [1][Cannabis legalisiert]
ist, stehst du nach wie vor mit einem Bein im Knast, wenn du kiffst. Das
nervt!“
„Kann es sein, dass du überarbeitet bist?“, fragt Felix.
„Ja. Hat aber nichts mit dem Thema zu tun.“
„Doch, hat es.“
„Wieso?“
„Weil du in einer Gesellschaft lebst, in der alles positiv konnotiert ist,
was Leistung und Produktivität – vermeintlich – fördert, hingegen alles
verachtet wird, was Entspannung und Ausgeglichenheit dient. Kein Wunder:
Wer zufrieden ist, konsumiert nichts und ist somit für den kapitalistischen
Markt wertlos. Und Bier war schon immer eine gute Droge, um die hart
arbeitenden Bevölkerungsschichten bei Laune zu halten. Wenn du denen
hingegen einen Joint angeboten hättest, hätten die sich wahrscheinlich erst
mal hingesetzt und entspannt.“
## Im Unterricht Gleichgewicht lernen
„Es ist so frustrierend, dass unsere Drogenpolitik komplett an der Realität
der Menschen vorbeigeht. Dass jährlich allein in Deutschland etwa 70.000
Menschen an den [2][Folgen des Alkoholkonsums] sterben, zeigt doch, dass
die Politik das Thema nicht im Griff hat. Ich hoffe, in 100 Jahren habt ihr
das besser geregelt …“
„Ich denke schon“, sagt Felix, „bei uns werden berauschende Substanzen wie
Alkohol, THC, LSD oder Psylocibin nicht mehr grundsätzlich als gut oder
schlecht dargestellt. Wir wissen, dass eine gesunde Gesellschaft ein
Gleichgewicht aus Produktivität und Entspannung braucht. Deshalb bringen
wir den Kindern in der Schule nicht nur bei, was sie für ihr späteres
Berufsleben wissen müssen, sondern wollen ihnen auch vermitteln, wie sie
ein zufriedenes Leben führen.
In dem Schulfach Soziosalutologie lernen sie, ihre körperlichen und
seelischen Bedürfnisse zu erkennen sowie die ihres Gegenübers zu
respektieren, was Grundvoraussetzung für ein verantwortungsvolles
Miteinander ist. Und ein Teil dieses Unterrichts ist eben auch das
Grundwissen über Drogen. Nichts schützt mehr vor Missbrauch als Bildung und
Aufklärung.“
„Sind dann einfach alle Drogen legal?“
„Nein, auf keinen Fall! Je mehr eine Substanz psychische oder körperliche
Abhängigkeit erzeugen kann, desto strikter ist ihr Umgang natürlich
geregelt. Bei euch darf ja auch [3][keiner mit 300 km/h durch die Stadt]
fahren, nur weil es technisch möglich ist. Dafür kannst du bei uns in jedem
Restaurant nicht nur Wein bestellen, sondern auch Limo mit LSD oder
Cannabis-Gebäck. Stell dir vor: Auf Volksfesten gibt es nicht mehr nur
Bierzelte, in denen zu Schlagerhits auf den Bänken und Tischen getanzt
wird, sondern Traumzelte, in denen zu fantastischen Geschichten
psychoaktive Pilze gereicht werden.“
„Und was ist mit Zelten, in denen Joints geraucht werden können?“
„Nein, das gibt’s natürlich nicht. Rauchen ist bei uns längst verboten. Das
ist einfach viel zu gesundheitsschädlich!“
8 Oct 2024
## LINKS
|