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Berlin taz | Berliner Eltern können aufatmen, zumindest vorerst. Zwar
stimmten 91,7 Prozent der wählenden Mitglieder Verdis bei der
[1][Urabstimmung der Gewerkschaft] für einen unbefristeten Streik
Erziehender in staatlichen Kitas – [2][der beginnt jedoch erst am 30.
September und nicht, wie vermutet, schon am Montag]. Das kündigte Verdi am
Freitagmorgen bei einer Pressekonferenz in seiner Berliner Zentrale an. Der
Senat habe demnach noch zehn Tage Zeit, den „Erzwingungsstreik“ abzuwenden
und den Forderungen von Verdi entgegenzukommen.
Die bestehen darin, rechtlich verbindliche und individuell einklagbare
Entlastungsregelungen für die Mitarbeiter*innen landeseigener
Erziehungseinrichtungen zu schaffen. „Erzieherinnen sind bundesweit auf
Platz eins der krankheitsbedingten Ausfälle und stärker von Burn-out
bedroht als alle anderen Berufsgruppen“, sagte Martina Breitmann,
stellvertretende Leiterin eines Kita-Eigenbetriebs und Mitglied in der
Verdi-Tarifkommission. Dieser Überbelastung müsse entgegengewirkt werden –
wenn es nach Verdi geht, durch einen Tarifvertrag.
Bereits am Donnerstag hatten Mitarbeiter*innen städtischer
Erziehungseinrichtungen für den geforderten „Entlastungstarifvertrag“
gestreikt. Dieser soll der Überbelastung der Erzieher*innen in
städtischen Kitas durch eine Regelung der Gruppengröße, also des
Betreuungsschlüssels, sowie einen Ausgleich von Belastungen entgegenwirken,
so Verdi.
Unmittelbar nach der Pressekonferenz begannen Gespräche zwischen Verdi,
Finanzsenator Stefan Evers (CDU) und Bildungssenatorin Katharina
Günther-Wünsch (CDU). Letztere hatte Verdi vor den Gesprächen für ihr
Vorgehen kritisiert und von einem „Bärendienst“ gesprochen, den die
Gewerkschaft den Eltern aufbürde. In einer Mitteilung kündigte sie an, „mit
den Kita-Eigenbetrieben alles daranzusetzen, um die Betreuung unserer
Kinder zu gewährleisten“.
Kalle Kunkel von Verdi zeigte sich auf der Pressekonferenz indes
verhandlungsbereit: Man wolle dem Senat anbieten, den unbefristeten
„Erzwingungstreik“ abzusagen, sofern dieser verbindlich zusichere, sich in
konkrete Verhandlungen mit der Gewerkschaft zu begeben.
## Die Angst vor dem Ausschluss
Bisher hat der Senat sämtliche Verhandlungsangebote Verdis ausgeschlagen.
Er verwies dabei stets auf Berlins Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder (TdL). Die sieht eine Sanktionierung durch Ausschluss vor,
wenn Länder Tarifverträge auf eigene Faust abschließen. „Ich würde mir das
nicht wünschen. Wir werden nicht in Tarifverhandlungen gehen“, stellte der
Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bereits am vergangenen Montag auf
einer Veranstaltung im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung klar.
Am folgenden Tag forderte auch der Staatssekretär für Jugend und Familie,
Falko Liecke (CDU), die Streiks zu beenden, weil sie „die Stimmung in
unserer Stadt verschärfen und konstruktive Lösungen verhindern“. Die
Bedingungen der TdL mögen sein, wie sie sind, findet dagegen Verdis
Co-Tarifverhandlungsführerin Bettina Weitermann – sich aber deswegen
„komplett querzustellen und Verhandlungsangebote abzulehnen“, ginge nicht.
Eine konstruktive Lösung sähe Verdi in der Arbeit der Niedersächsischen
Landesregierung. Die habe auf eine ähnliche Ausgangslage an der
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) frühzeitig reagiert und mit Verdi
eine Einigung unterhalb der Schwelle des Tarifvertrags geschlossen, um
keinen Ausschluss aus dem TdL zu riskieren. Es kam zu einer verbindlichen
Entlastungserklärung. Verdi forderte den Senat am Freitag dazu auf, sich an
ihren den Kolleg*innen in Hannover zu orientieren.
## Es bleiben noch 10 Tage
Dem Berliner Senat um Evers, Wegner und Günther-Wünsch (alle CDU) bleiben
jetzt also noch zehn Tage, um den „Erzwingungstreik“ zu verhindern. Der
würde 300 Eigenbetriebe und somit rund 35.000 Kinder und deren Familien
treffen.
Sorge vor einer Eskalation des Konflikts durch den unbefristeten Streik hat
auch die SPD-Fraktion. Deswegen kommen auch von dort Forderungen,
Verhandlungsgespräche zu beginnen. „Das Votum ist zu akzeptieren“, so
Alexander Freier-Winterwerb, Sprecher für Jugend, Kinder und Familien. „Nun
ist es am Senat und den Gewerkschaften, einen unbefristeten Streik zu
verhindern. Wenn es dazu kommt, befürchte ich eine schnelle umfassende
Abwanderung von Kindern und Eltern aus den Eigenbetrieben. Das stellt deren
Existenz insgesamt in Frage.“
Laut Verdis stellvertretendem Landesbezirksleiters Berlin-Brandenburg
Benjamin Roscher ist es Zeit „Dass die leeren Worthülsen und Versprechungen
aufhören und Verhandlungen aufgenommen werden.“ Ansonsten sähe sich Verdi
gezwungen, den nächsten Schritt zu gehen.
20 Sep 2024
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