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John Boskovichs Kunst hat was von der Besenkammer in einer Villa aus Los
Angeles, von dem einsamen, unbelichteten Abstellort hinter dem Glanz. Man
kennt doch die Interieurs dieser Neunzigerjahre-Pomphäuser aus dem
Fernsehen: Spiegel im goldenen Rocaille-Rahmen, zum Versinken tiefe
Polstermöbel, riesige TV-Geräte in Einbauschränken aus Marmor, darauf ein
Pseudo-Altar mit Buddha-Figur. In solch einem glitzernd eklektischen
Setting für die Reichen der Westküste kann man John Boskovich auch auf
einer Videoaufnahme von 1994 finden, wo die TV-Moderatorin Joan Quinn ihn
ausfragt über seine konzeptuelle Kunst, die „alles sein darf, nur nicht
emotional“, über eine Fotografie von einer Honigtube in Bärchenform etwa.
Schon ein paar Mal benutzt und etwas verklebt hat Boskovich das
Plastikbärchen vor dramatisch fallenden Schatten abgelichtet. Das habe
etwas von der kühlen Monumentalität der deutschen Fotografie, von Bernd und
Hilla Becher, sagt Boskovich, damals Ende dreißig. Und man muss innerlich
schmunzeln ob der Ironie, mit der er seine eigene Kunst verortet.
Eine traurige Ironie gleichwohl, wie sie auch bei einem anderen
L.A.-Künstler Mike Kelley anzutreffen war, etwa bei seiner berühmten
Fotoserie weggeworfener Kuscheltiere. Mit Mike Kelley oder Cindy Sherman
stellte John Boskovich in den neunziger Jahren auch aus. Wie sie
demaskierte Boskovich die Objekte und Requisiten eines US-amerikanischen
Alltags, den Konsum, der einen letztendlich ziemlich einsam werden lässt,
psychisch in die dunkle Besenkammer drückt.
Boskovichs Ruhm war kurz, 2006 verstarb er an einem Herzleiden. Da hatte er
sich schon viele Jahre in seine Wohnung in West-Hollywood zurückgezogen und
ein Museum für seine eigene, klaustrophobische Kunst eingerichtet, zu dem
nur manche Zugang hatten. Das macht es noch etwas besonderer, dass seine
ziemlich in Vergessenheit geratene Arbeit nun im Projektraum Scherben zu
sehen ist. Die Projektraumbetreiber Lorenz Liebig, Sven Schmittbüttner und
Tarik Kentouche haben gemeinsam mit Boskovichs Cousine zahlreiche
Utensilien aus seinem Nachlass nach Berlin gebracht.
Man sieht dann etwa den Rosenkranz, den Boskovich auch im Interview mit
Joan Quinn trägt. Die Perlen sind aus Tabletten nachgeformt, aus den
Antidepressiva und Schmerzmitteln, die er selbst zuweilen einnahm. Man
findet seine Polaroidaufnahmen vom Fernsehbildschirm, als er mitten in der
Nacht durchs TV-Programm zappte. Verschwommene Köpfe sind darauf zu sehen,
Yoda aus „Krieg der Sterne“ etwa. Yoda ist eine von vielen Figuren aus der
US-amerikanischen Pop- und Subkultur, die in seinen Filmen, Zeichnungen und
Installationen wie ein Phantom immer wieder auftauchen.
Auch zu sehen sind drei Bongs in der Form eines Piece-Zeichens. Das
kalifornische Hippie-Friedenssymbol, das zu Boskovichs Lebzeichen nur zu
einem hohlen Kommerzzeichen verkommen war. Boskovich stellte die
Wasserpfeifen in eine Vitrine, das Glas versehen mit einem Zitat Rodney
Kings. Der Schwarze US-Bürger King war einmal brutal von Polizisten
verprügelt worden. Als man die Täter jedoch vor Gericht von der Schuld
freisprach, brachen in Los Angeles 1992 Unruhen aus. Sie gingen als L.A.
Riots in die US-amerikanischen Annalen ein, 53 Personen starben. Jetzt
erinnern daran die musealisierten Bongs, als wären sie das
Beruhigungsmittel für eine konfliktgeladene, rassistische US-Gesellschaft.
Ein gewisses Brodeln ist hingegen in der Ausstellung von Tracey Snelling im
Haus am Lützowplatz nicht zu dämpfen. Leuchtreklame und Bildschirme
flackern dort überall, ein dickes „Fuck“ blinkt auf Neonröhren. Die
US-amerikanische Künstlerin hat hier jede Menge Architekturmodelle
aufgestellt, aus den USA, aus China und Japan, auch aus Berlin – der
brutalistische Mäusebunker ist dabei. Wie wollen wir leben, fragt sie.
Gemeinschaftlich, offen, sicher, aber nicht verschlossen in der
gesellschaftlichen Besenkammer, scheint es aus den vielen Videos und
Interviews zu antworten.
4 Oct 2024
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