# taz.de -- Lola Arias am Maxim Gorki Theater Berlin: Tausend Tage in Freiheit

> Die argentinische Regisseurin Lola Arias inszeniert „Los días afuera“ mit
> Ex-Häftlingen am Gorki. Das Projekt knüpft an ihren jüngsten Film „Reas“
> an.
In festlichen Anzügen und langen schwarzen Abendkleidern geben Yoseli,
Paulita, Carla, Estefanía, Noelia und Nacho im Prolog zu „Los días afuera
/ The Days Out There“ knappe Auskunft über ihre Biografien. Für die sechs
AkteurInnen aus Argentinien ist es nicht selbstverständlich, an diesem
Abend [1][auf der Bühne des Berliner Gorki Theaters] zu stehen.

Lange Zeit waren sie wegen Drogenhandel, Raub oder Betrug inhaftiert. Nun
aber sind sie seit 930, 1.019, 1.172 oder 1.585 Tagen in Freiheit. In der
dokumentarisch-musikalischen Inszenierung von Lola Arias geben die
DarstellerInnen distanzierte Einblicke in ihr randständiges Leben drinnen
und draußen.

Zuvor hatten sie als ProtagonistInnen bereits in [2][Arias Film „Reas“
mitgewirkt, der im Februar 2024] seine Premiere auf der Berlinale feierte.
Das Musical war aus einem Workshop und auf Grundlage von Interviews mit cis
und trans Personen entstanden, die in verschiedenen Frauengefängnissen in
Argentinien inhaftiert waren. Die Dreharbeiten fanden in den
Gefängnisruinen von Ezeiza am Rand von Buenos Aires statt.

Bei den Mitwirkenden entstand bald der Wunsch, das Projekt auf der Bühne
fortzusetzen und im März begannen die Theaterproben in Buenos Aires mit
Yoseli Arias, Paulita Asturayme, Carla Canteros, Estefanía Hardcastle,
Noelia Pérez und Ignacio (Nacho) Rodríguez. Im Mai wurde „Los días afuera“
in Argentinien uraufgeführt und [3][tourt seitdem in Europa.]

Im Gespräch mit der spanischen Tageszeitung El País beschrieb die
Theatermacherin dieses Projekt als das bisher schwierigste ihrer Karriere,
„denn es muss nicht nur funktionieren, das Publikum bewegen und so weiter,
sondern ich fühle auch eine Verantwortung für das Leben dieser Menschen.
Natürlich bin ich nicht für alles verantwortlich, aber ich bin dafür
verantwortlich, dass das, was ihnen durch das Stück widerfährt, einen
positiven Einfluss auf ihr Leben hat.“

Wenn Nacho, der im Gorki wegen Krankheit von dem trans Mann Natal Delfino
ersetzt wurde, auf der Bühne von dem Wassertank berichtet, den er sich nun
endlich leisten konnte oder die trans Frau Noelia von der neuen Berühmtheit
in der Ballroom-Szene in Buenos Aires schwärmt, thematisieren auch sie, wie
sehr die Theaterarbeit ihre Lebenssituation verändert hat, aber auch wie
fragil diese neue Existenz erscheint.

## Rechte von Minderheiten werden wieder abgeschafft

Die aktuelle politische Entwicklung in Argentinien kommt erschwerend hinzu.
Seit dem Amtsantritt des rechtspopulistischen Präsidenten Javier Milei im
Dezember 2023 [4][werden mühsam erkämpfte Rechte von Minderheiten wieder
abgeschafft,] das Sozialsystem demontiert und die Kultur attackiert.

Und so zeichnen die Erfahrungen nach der Haft, widergespiegelt in den
schonungslosen Berichten der AkteurInnen, auch ein aktuelles Bild vom Rand
der südamerikanischen Gesellschaft – von Stigmatisierung, Polizeiwillkür,
Ausbeutung, Missbrauch und Abhängigkeit.

Im Frühjahr wurde Arias von der Nachricht überrascht, für ihr Theater 2024
mit dem hoch dotierten internationalen Ibsen-Preis der norwegischen
Regierung ausgezeichnet zu werden – als zweite Frau und als erste
Lateinamerikanerin. Im Oktober wird Arias der renommierte Preis im Osloer
Nationaltheater überreicht.

Im Gorki Theater hat „Los días afuera“ das Berliner Publikum am
Samstagabend tief bewegt. Nach spontanem Zwischenapplaus für
leidenschaftlich performte Songs und Voguing wurde das sichtlich erschöpfte
Ensemble am Ende der Vorstellung mit stehenden Ovationen im Saal belohnt.

16 Sep 2024

## LINKS
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[4] /Homophobie-in-Argentinien/!6031461
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
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