# taz.de -- Prozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß: Dritter Prozess gegen Truppe Reuß​

> Am Oberlandesgericht München startet der Prozess gegen die
> Verschwörertruppe. Mit dabei: ein Automechaniker, Juristen und eine
> Astrologin.
München taz | Nach den beiden Verfahren in Frankfurt und Stuttgart hat nun
vor dem 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München auch der dritte
Prozess gegen die Verschwörertruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen.
Die Männer und Frauen hatten nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft den
Staatsumsturz geplant, wollten unter anderem den Bundestag stürmen. Nachdem
sie aufgeflogen waren, wurden 26 Mitglieder der Terrorgruppe bei einer
internationaler Razzia im Dezember 2022 festgenommen. Acht von ihnen, sechs
Männer und zwei Frauen, müssen sich seit Dienstag in München vor Gericht
verantworten.

Die Angeklagten werden allesamt in Handschellen vorgeführt. Der Prozess
findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Sitzungssaal A 101 statt. Er
wird in der Regel bei Verfahren von besonderem medialen Interesse gewählt,
auch der NSU-Prozess wurde hier verhandelt. Es ist der größte Saal, den das
Münchner Justizzentrum zu bieten hat. Trotzdem wird es ganz schön eng: Es
drängen sich rund fünf Dutzend Menschen im Saal – Zuschauer nicht
mitgerechnet.

Bevor die Generalbundesanwaltschaft mit der Verlesung der Anklageschrift
beginnen kann, müssen Justizbeamte erst einen Mann von der Zuschauertribüne
entfernen, der plötzlich wüste Beschimpfungen in den Saal brüllt, von denen
allerdings nur ein paar derbe Wortfetzen zu verstehen sind.

Die Liste der Straftatbestände, die die Generalbundesanwaltschaft den
Angeklagten vorwirft, ist lang und hat es in sich: Gründung und
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Bildung einer
kriminellen Vereinigung, Vorbereitung eines hochverräterischen
Unternehmens, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat,
diverse Verstöße gegen das Waffengesetz.

## Reichsbürger und QAnon

Auf der Anklagebank scheint die Stimmung aber dennoch eher gut zu sein.
Christian W. etwa aus dem sächsischen Olbernhau, der als „Waffen- und
Zeugmeister“ der Gruppe fungiert haben soll, lacht immer wieder, schüttelt
auch mal den Kopf oder tauscht Blicke mit Thomas M. aus. Die übrigen
Angeklagten verfolgen die Verlesung der Anklageschrift zwar ohne
offensichtliche Reaktionen, tuscheln aber von Zeit zu Zeit ebenfalls mit
ihren Verteidigern und wirken alles in allem eher entspannt.

Es ist eine recht bunte Truppe, die da zwischen den vielen Anwälten in
ihren schwarzen Roben Platz genommen hat. Vom Juristen über den
Kfz-Mechaniker, die Ärztin und den Softwareentwickler bis hin zur
Astrologin. Einer trägt einen dunkelblauen Anzug und lässt seinen Anwalt
zuallererst klären, wie er trotz Sicherheitsvorkehrungen zu einer Packung
Minz-Bonbons gelangen kann, ein anderer sitzt im kurzärmligen,
rot-weiß-karierten Hemd da und putzt seine Brille.

Alle Angehörigen der Vereinigung habe eine abstruse Ideologie verbunden,
führen die Vertreter der Generalbundesanwaltschaft aus. Basiert habe sie
auf Reichsbürger-Gedankengut und QAnon-Narrativen. Sie hätten an den „Deep
State“ geglaubt, pädophile Eliten, die die Welt beherrschten und auch in
Deutschland die staatlichen Institutionen unterwandert hätten. In
unterirdischen Tunnelkomplexen hielten sie Kinder gefangen, um aus deren
Körpern ein Verjüngungselixier zu gewinnen.

Um den „Deep State“ zu stürzen, plante die Gruppe nun offenbar, mit einer
bewaffneten Gruppe den Bundestag zu stürmen und Abgeordnete, möglichst auch
Mitglieder der Bundesregierung festzunehmen. Dabei sollen die Mitglieder
der Gruppe in Kauf genommen haben, Menschen zu verletzen und zu töten. Das
Ganze waren aber nicht nur absurde Gedankenspiele. Um sich auf den Einsatz
in Berlin vorzubereiten, habe man auch schon Mitglieder der Gruppe bei
einem Schießtraining auf einer ehemaligen Standortschießanlage der
Bundeswehr in Goldkronach ausgebildet.

Bei Thomas T. aus Franken, der rechten Hand von Prinz Reuß, soll Ende Juli
2021 die Gründungsversammlung der Gruppe stattgefunden haben. Reuß hätte
nach dem Plan der Vereinigung nach einem Umsturz Oberhaupt eines wie auch
immer gearteten Staates werden sollen. Er steht derzeit mit den anderen
mutmaßlichen Rädelsführern in Frankfurt vor Gericht.

## Astrologische Eignungsprüfung

So hatte jeder seine Funktion. Ein weiterer Angeklagte habe in einer neuen
Regierung die Militärgerichtsbarkeit übernehmen sollen. Bei den erwarteten
Urteilen gegen die Repräsentanten des „Deep State“ habe auch die
Todesstrafe zum Einsatz kommen sollen. Tim Paul G. habe so etwas wie
Außenminister werden und erstmal alle völkerrechtlichen Verträge kündigen
sollen, Melanie Andrea R. wäre für das Ressort Gesundheit zuständig
gewesen. Vor ihren Mitstreitern hielt sie regelmäßig Vorträge über Corona,
etwa über die angebliche Auswirkung der Coronaimpfung auf den vorderen
Hirnlappen.

Ruth Hildegard L. ihrerseits soll sehr fleißig bei der Rekrutierung neuer
Mitglieder gewesen sein. Dass die angeklagte Astrologin auch dafür
zuständig gewesen sein soll, anhand von Geburtsdaten und ähnlichen
Kriterien die spirituelle Eignung des Führungspersonals zu überprüfen,
klingt ja noch lustig oder zumindest skurril. Dass die Truppe es ernst
meinte, ergibt sich jedoch beispielsweise aus dem Waffenarsenal, das die
Polizei sicherstellte. Die Zahl der Waffen geht zumindest in die Hunderte.

Allein beim Angeklagten Frank R. fand man eine Bockflinte Mercury Light,
ein Gewehr vom Typ 308 Winchester Bergara BA 13 TD, eine Repetierbüchse
Carl Gustafs 1915, zwei Revolver, ein Bajonett, diverse Bleikugelgeschosse,
drei Vorderladergewehre, eine Vorderladerpistole und ein Federdruckgewehr.
Harald P. wiederum hielt für den Angriff auf den Bundestag stets eine
„Einsatztasche“ bereit. Inhalt: eine schwarze Uniform, zwei Sturmhauben,
ein Gefechtshelm, eine schusssichere Weste, ein Pistolenholster, zwei
Messer und zehn Kunststoffhandschellen.

Für den Mammutprozess hat das Gericht Termine bis Januar anberaumt. Eine
Verlängerung ist möglich.

19 Jun 2024

## AUTOREN
Dominik Baur
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