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Er schafft es tatsächlich, sich zurückzuhalten. Maximilian Eder, 65 Jahre
alt und ehemaliger Oberst der Bundeswehr, ist in der Gruppe der
mutmaßlichen [1][Reichsbürger-Verschwörer*innen] um Heinrich XIII. Prinz
Reuß eines der besonders illustren Mitglieder: 38 Jahre lang war er bei der
Bundeswehr, diente im Kosovo, in Afghanistan, im NATO-Hauptquartier in
Brüssel, bei der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Und er glaubt
fest an die antisemitische QAnon-Verschwörungserzählung, dass geheime
Machteliten in unterirdischen Tunneln Kinder foltern und ihnen ein
Verjüngungselixier abzapfen.
Im Frankfurter Prozess gegen die Führungsriege der von der
Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung eingestuften
„Patriotischen Union“ um Prinz Reuß stand Maximilian Eder am Mittwoch im
Mittelpunkt. Und der Mann, der so mitteilsam ist, [2][dass er dem Stern ein
Interview aus dem Gefängnis gab] und, als er kürzlich in München wegen
Alkohol am Steuer vor Gericht stand, mehrere Stunden lang über sein Leben
und seine Weltsicht redete: Er faltete die Hände und schwieg.
Eine Ermittlerin schilderte die Eckdaten des Lebens von Oberst Eder, von
seiner Karriere bei der Bundeswehr über seine vier hochpreisigen Autos bis
zu den Schulden, die er trotz eines Ruhegehalts von 4356,12 Euro netto hat.
Nichts Brisantes eigentlich. Dennoch griff die Verteidigung fast sämtlicher
Angeklagter die BKA-Beamtin immer wieder frontal an. Sogar eine mögliche
Manipulation ihrer Aussagegenehmigung wurde suggeriert. Ein kleiner
Vorgeschmack, wie es in diesem Verfahren zugehen wird, wenn es ans
Eingemachte geht und Zeug*innen zum konkreten Anklagevorwurf gehört
werden: [3][dass die „Patriotische Union“ den bewaffneten Umsturz in
Deutschland geplant haben soll.]
Eders Anwalt Ralf Dalla Fini verwahrte sich dagegen, dass sein Mandant
medial als „Verschwörungstheoretiker“ und „Reichsbürger“ dargestellt werde.
„Er steht immer noch auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagte der Anwalt.
Bereits am Vortag hatte er beantragt, das Verfahren gegen Eder
einzustellen.
Nicht nur, wie auch andere Verteidiger*innen durchaus nachvollziehbar
vorbringen, weil die Aufteilung des Gesamtkomplexes in drei parallele
Mammutprozesse in Frankfurt, Stuttgart und München einem fairen Verfahren
entgegenstehe. Sondern auch, weil der Ex-Soldat wegen seiner
Trunkenheitsfahrten vom Münchner Amtsgericht zu einer zehnmonatigen
Haftstrafe verurteilt worden war. Es würde zu weit führen, hier die
Argumentation des Anwalts nachzuzeichnen. Nur so viel: Die Erfolgschancen
des Antrags dürften begrenzt sein.
## Ein Frauenporträt aus dem 18. Jahrhundert
Ebenfalls am vorangegangenen Verhandlungstag hatte erstmals eine der neun
Angeklagten selbst das Wort ergriffen: Vitalia B., die Lebensgefährtin von
Prinz Reuß, stellte sich dem Gericht als promovierte Kunsthistorikerin vor.
Sie referierte die (sehr guten) Noten, mit denen sie ihr Studium an der
Universität Heidelberg abgeschlossen habe, nannte sogar das Thema ihrer
Magisterarbeit: das empfindsame Frauenporträt im Russland des 18.
Jahrhunderts. Und man konnte den Eindruck gewinnen, dass sie mit ihrer
Aussage solch ein Porträt auch von sich selbst entstehen lassen wollte.
Sie male und zeichne gern, sagte die 40-Jährige, sie sticke und stricke,
auch im Gefängnis. Außer der Kunst möge sie klassische Literatur,
klassische Musik, klassische Philosophie. Und: „den Prinzen“, wie sie ihren
fast doppelt so alten Lebensgefährten nannte. „Das ist Liebe.“
Vitalia B. ist die einzige der neun Angeklagten vor dem Frankfurter
Oberlandesgericht, denen die Bundesanwaltschaft lediglich die Unterstützung
einer terroristischen Vereinigung vorwirft, nicht die Mitgliedschaft. Die
aus Russland stammende Frau soll ein Gespräch angebahnt haben, bei dem
Prinz Reuß dem russischen Generalkonsul in Leipzig von den Putschplänen der
„Patriotischen Union“ berichtet habe. Außerdem soll sie bei der Beschaffung
und Einrichtung von Satellitentelefonen für die Verschwörer*innen
geholfen haben. Zu den Vorwürfen wird sich die Angeklagte erst später
äußern, zunächst geht es nur um ihre Person. Doch dass man nicht
unschuldiger sein könne als sie – diese Botschaft kam auch jetzt schon an.
Als Tochter aus gutem Hause präsentierte sie sich, gepflegt, wohlhabend und
doch bescheiden. Einzige Schwäche: ihr Perfektionismus. Und: „Mein Anwalt
hat mich liebenswürdigerweise darauf hingewiesen, dass ich ein ehrgeiziger
Mensch bin.“ Weniger Ecken und Kanten kann man kaum zeigen. Nur die
erstaunlich hohen Geldsummen, die sie schon als Studentin auf dem Konto
hatte und die sie nicht recht erklären wollte, irritierten.
So höflich trat Vitalia B. auf, dass Senatsvorsitzender Jürgen Bonk ihre
Befragung schließlich mit Worten beendete, wie sie Angeklagte vor Gericht
eher selten zu hören bekommen: „Ich darf mich für das Gespräch bedanken.“
Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt. Dann will sich der
Staatsschutzsenat mit dem Werdegang und den persönlichen Verhältnissen des
als Rädelsführer angeklagten Prinz Reuß befassen.
29 May 2024
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