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taz: Frau Schroer, am Samstag ist [1][„Earth Hour“], von Städten bis
Privatmenschen sind dann alle dazu aufgerufen, eine Stunde lang das Licht
auszuschalten. Bringt das was?
Sibylle Schroer: Es bringt etwas, weil es die Aufmerksamkeit darauf lenkt,
dass Licht nicht nur positive, sondern auch negative Auswirkungen hat. Wenn
wir mit unserem Licht ständig die Nacht zum Tag machen, dann stören wir das
Leben um uns herum. Kröten zum Beispiel können sich im Gegensatz zu uns
Menschen fast nicht an die Helligkeit gewöhnen. Wenn die nachts in einen
Lichtschein geraten, sitzen sie da wie erstarrt.
Was würde denn eine messbare, grundsätzliche Veränderungen bringen?
Wir brauchen nicht nur eine Licht-, sondern auch eine Dunkelplanung.
Momentan ist es so: Die Lichtplanung in Städten oder Kommunen ist dafür
zuständig, dass es überall hell genug ist, dass also Straßenkreuzungen und
die meisten Wege beleuchtet sind. Was fehlt: Dass wir auch Räume ohne Licht
einplanen, wohin sich zum Beispiel Tiere zurückziehen können und nicht in
ihrem Biorhythmus gestört werden. Dafür müssen wir auf drei Dinge achten:
[2][Wir dürfen nur die Räume beleuchten, wo tatsächlich Licht notwendig
ist]. An diesen Orten müssen die Leuchten abgeschirmt sein, das heißt, das
Licht soll nur dahin gerichtet sein, wo es gebraucht wird. Wir müssen die
Lichtstärke reduzieren. Und wir müssen darauf achten, wärmere Lichtfarben
zu verwenden, also eher gelbliche Lichtfarben als kalte, bläuliche.
Es gibt einen Interessenkonflikt: Menschen wollen Beleuchtung, wenn sie
nachts unterwegs sind. Für die Tierwelt wäre es am besten, auch die
Straßenbeleuchtung nachts abzuschalten. Gibt es hier eine Lösung?
Eigentlich gibt es da keinen großen Konflikt. Wenn wir nachts in einer
Stadt unterwegs sind, kommt es uns oft sehr dunkel vor, obwohl viel Licht
um uns herum ist. Das liegt daran, dass wir so viele extrem helle
Leuchtpunkte schaffen, Werbetafeln zum Beispiel. Wenn wir aus diesem Licht
wieder heraustreten, dann kommt es uns dunkel vor. Das verursacht Angst,
weil unsere Augen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen müssen und das
dauert ein paar Minuten. Als Fußgängerin kann ich die Gesichter der
Entgegenkommenden so erst bei sehr großer Nähe erkennen. Mit weniger Licht
würden wir also ein höheres Sicherheitsgefühl schaffen. Weil wir weniger
geblendet werden, weil es weniger Schattenwürfe gibt.
Also möglichst viel Licht nachts aus?
Nein, das nicht. Wir Menschen brauchen Licht, weil wir uns ganz im Dunkel
nicht gut orientieren können. Aber wir müssen die Helligkeit insgesamt
deutlich begrenzen.
Wie stark?
Sinnvoll wäre etwa, dass Werbetafeln ab 22 Uhr nur noch eine Leuchtdichte
von maximal 1 bis 2 Candela haben dürfen.
Was heißt das?
Momentan haben wir etwa für Berlin die Regelung, dass Leuchtschilder
maximal 100 Candela pro Quadratmeter hell strahlen dürfen. Es wäre also
eine deutliche Reduktion.
Was würde sich damit ändern?
Das Licht wäre deutlich gemütlicher und das Wohlbefinden und
Sicherheitsgefühl der Menschen höher. Denn momentan ist es ein Wettbewerb:
Beleuchtung, die der Sicherheit dient, etwa bei Wegen oder
Straßenschildern, muss immer heller sein als die Werbebeleuchtung. Denn
sonst liegen ja die Straßenschilder im Schatten. Übrigens ist auf dem Land
Straßenbeleuchtung oft nur ein Zehntel so hell wie in der Stadt, weil es
dort diesen Wettbewerb nicht gibt, und das reicht auch. Wenn wir dann
gleichzeitig auch die Lichtfarbe optimieren, also den Blaulichtanteil
verringern, dann fühlen wir Menschen uns weniger gestresst und schlafen
besser. Nicht umsonst wird an Wohlfühlorten wie im Spa immer warmes Licht
mit geringem Blauanteil verwendet.
Und was würde sich in der dunkleren Stadt [3][für die Tierwelt verändern]?
Die Tiere würden ihre Rhythmen für Tag und Nacht und für die Jahreszeiten
wiederfinden. Denn beides wird maßgeblich gesteuert durch das Hormon
Melatonin, das durch Licht beeinflusst wird. Übrigens auch bei uns
Menschen. Zudem bekommen Tiere, die Licht meiden, mehr Lebensräume. Auch
die Insekten werden von wärmerem Licht in deutlich geringerem Maße
angezogen.
Was können Verbraucher:innen selbst tun?
Sie sollten sehr genau hinschauen, welche Leuchten sie für den Außenbereich
kaufen. Eine warme Lichtfarbe ist wichtig, das sind unter 3.000 Kelvin. Die
Lampe sollte nicht nach oben strahlen, sondern einen klar begrenzen
Lichtkegel nach unten oder in eine Richtung haben. Dimmbar sollte sie sein,
um sie nur so hell einzustellen wie unbedingt nötig. Und eine Zeitschaltuhr
ist wichtig, damit das Licht nur dann an ist, wenn es jemand braucht. Diese
ganzen Solarlampen, die sich tagsüber aufladen und dann die ganze Nacht
hell sind, sind übrigens nicht sonderlich nachhaltig: Sie stören nächtliche
Besucher wie Igel oder Amphibien. Wer so etwas kaufen will: bitte nur mit
Ausschaltknopf.
23 Mar 2024
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