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Berlin taz | Als „wackerer Kämpfer für eine schlankere und einfachere
Verwaltung“ wird [1][Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)] am
Mittwoch im „Morgenmagazin“ der ARD angekündigt. Der selbsternannte
„Bürokratieabbauminister“ kündigte dort „das größte
Bürokratieentlastungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik“ an. Am
Mittag beschloss das Kabinett dann den – selbst etwas bürokratisch
klingenden – Gesetzentwurf „Bürokratieentlastungsgesetz IV“.
„Heute gehen wir den nächsten Schritt bei der Bekämpfung des
Bürokratie-Burnout“, erklärte Buschmann stolz. Tatsächlich finden sich
zwischen vielen kleinen Novellierungen drei wirklich große Brocken, die nur
auf den ersten Blick wie Kleinkram wirken: Erstens dürfen Unternehmen
Buchungsbelege zwei Jahre früher wegwerfen, nämlich nach acht statt wie
bisher nach zehn Jahren. Außerdem müssen sich Hotels von deutschen Gästen
keine Meldescheine mehr ausfüllen lassen. Reisepässe können an Flughäfen
bald digital ausgelesen werden.
Einsparen soll das Gesetz fast eine Milliarde Euro. Hinzu kommen weitere
Maßnahmen, die im sogenannten „Meseberger Entbürokratisierungspaket“
zusammengefasst sind (siehe Infokasten). Insgesamt soll das den Unternehmen
drei Milliarden Euro Entlastung bringen.
## Zwei Minuten pro Zettel
Eine bürokratische Meisterleistung sind auch die Erklärungen zum Gesetz:
Das Ausfüllen der 88,6 Millionen Meldezettel an den Hoteltheken der
Bundesrepublik zum Beispiel brauche ganze drei Millionen Stunden pro Jahr.
Irgendjemand muss die Zettel ausdrucken, aushändigen, erklären, ausfüllen,
prüfen, abheften und aufbewahren.
Insgesamt dauert das jedes Mal geschätzte zwei Minuten, in denen die
Hotelmitarbeiter*innen etwas anderes tun könnten – und diese Zeit
will bezahlt werden: 88,6 Millionen Euro Personalkosten würden gespart,
wenn das Unterschreiben und Abheften der Meldescheine entfalle. So
berechnet es sich zumindest methodisch sauber nach dem Statistischen
Bundesamt und mit dem Segen des Normenkontrollrats (NKR), der den
bürokratischen Aufwand von Gesetzen prüft.
Weitere Neuerung: Die Buchungsbelege, die 850.000 Unternehmen in
Deutschland sammeln und ordentlich abheften. Der Platz, den diese in
Aktenkellern einnehmen, kostet die Unternehmen zehn Jahre lang Miete. Zwei
Jahre weniger, immerhin, müssen Unternehmen die Akten bald aufbewahren.
Pauschal gibt jedes Unternehmen so 700 Euro weniger pro Jahr aus. Obendrauf
sparen die Unternehmen ungleiche 12 Euro pro Jahr an Serverkosten für
Speicherplatz.
Der Normenkontrollrat erfasst diese Kosten als „Erfüllungsaufwand“ und
meint damit alle Kosten, die dabei entstehen, gesetzliche Vorgaben
umzusetzen. Schreibt der Gesetzgeber in Autos etwa Partikelfilter vor,
müssen diese eingebaut werden. Wer nach Einführung der Pflicht also ein
Auto kauft, zahlt als Endverbraucher drauf – für Bürokratie. Ein anderes
Beispiel: Müssen Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen einen angepassten
Mindestlohn zahlen, kostet auch dieser Verwaltungsvorgang Geld. All das
wird dann unter „Bürokratiekosten“ gefasst.
Möglichst wenig Bürokratie heißt aber auch: Vielleicht an manchen Stellen
durchaus sinnvolle Vorschriften – zum Beispiel bei der Einhaltung von
Lieferketten, beim Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten – könnten
entfallen. Wirtschaftsverbände gehen die Neuerungen denn auch nicht weit
genug.
## Wirtschaftsverbände weiter unzufrieden
Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller,
lobte das Gesetz zwar als „richtiges Signal“. Allerdings bleibe die
Regierung „weit hinter den Erwartungen zurück“. Das Gesetz bringe „nicht
einmal im Ansatz die nötigen Entlastungen im täglichen Geschäft“,
kritisierte auch Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands
der Chemischen Industrie.
In einer Pressemitteilung am Mittwoch zeigte sich auch der Zentralverband
Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. nicht zufrieden: „Der neue
Kabinettsentwurf zur Bürokratieentlastung ist sicherlich gut gemeint, zeigt
einmal mehr jedoch die Mutlosigkeit der Politik bei dem Thema. Unsere
Betriebe brauchen echte Entlastungen, beispielsweise bei den
wirklichkeitsfremden Nachweispflichten bei Nachhaltigkeit und
Lieferketten.“
Maik Außendorf, grüner Berichterstatter im Wirtschaftsausschuss des
Bundestags, erklärt die Reaktionen wie folgt: „Egal, wie umfangreich das
Gesetz wird, am Ende wird die Wirtschaft natürlich mehr Entlastung
fordern“. Dagegen helfe nur: Man müsse alle Ebenen und Akteure mitdenken,
es brauche ein gemeinsames Vorgehen.
Oder in den Worten von Marco Buschmann: „Bürokratieabbau muss ein
Dauerbrenner dieser Legislaturperiode sein“. Der „Bauchspeck“, so der
Justizminister, der gehe eben nicht über Nacht weg.
Eine Sprecherin des Normenkontrollrates lenkt den Blick auf Nachfrage der
taz stattdessen in Richtung Verwaltung: „Größter Hebel, um Bürokratiekosten
zu senken, ist die Digitalisierung der Informationsflüsse für
Verwaltungsverfahren und die Wiederverwendung von bereits vorhandenen
Daten.“ – einheitliche Datenbanken, damit das Amt nicht zweimal fragt.
13 Mar 2024
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