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Eines der erfolgreichsten Kunstförderprogramme der Stadt wurde vor 34
Jahren auf private Initiative von Goldrausch e.V. ins Leben gerufen.
Entsprechend der [1][Philosophie der Initiatorinnen], die eigenständige
Existenzsicherung von Frauen zu fördern, ist das
Goldrausch-Künstlerinnenprojekt eine eigenständige berufliche
Weiterbildung. Inzwischen fördern der Europäische Sozialfonds ESF und die
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
den einjährigen postgradualen Professionalisierungskurs für bildende
Künstlerinnen mit Wohnsitz in Berlin.
Zu den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen, die den
bis zu 15 Teilnehmerinnen vermittelt werden, gehören das Erstellen einer
Steuererklärung ebenso wie Kenntnisse im Zeitmanagement oder die Bewerbung
um entsprechende Stipendien und Künstlerinnenresidenzen. Nicht die Her-
sondern die Darstellung von Kunst steht im Mittelpunkt des Programms, das
die Präsenz von Frauen im Kunstbetrieb stärken will. Sei es durch die
ansprechende Gestaltung der Website oder der Bewerbungsmappe bzw. durch die
Gestaltung der Gruppenausstellung samt Katalog als krönendem Abschluss des
Professionalisierungsprojektes.
„on the edge of“ orakelt die aktuelle Ausstellung in der Galerie Weißer
Elefant und tatsächlich kann man sich derzeit ja am Rande vieler
Katastrophen sehen. Doch ganz so apokalyptisch ist der Titel nicht gemeint.
Vielmehr wollen die 15 Künstlerinnen, die analoge Experimentalfilme, Video-
und Soundinstallationen oder konzeptuelle Fotografie, Malerei, Tapisserie,
Performance und Skulpturen zeigen, inhaltliche und mediale Grenzen der
Kunstpraxis ausloten.
Lillian Morrisey allerdings thematisiert mit „Achilles drags Hector’s
corpse across the battlefield“ – einer raffiniert bemalten und mit Kriegern
und Kriegswerkzeug von der Antike bis heute bestickten Leinwand im Stil des
Teppichs von Bayeux – Gewalt als Transformationsmedium eben doch der
Politik. Die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zeigt auf ihrer
Tapisserie zwar Kämpfer, aber ironischerweise kein Angriffsziel und keinen
Kampf.
Die Grenzen der Kulturen ermittelt dann Ximena Ferrer Pizarro. Die 1994 in
Lima, Peru, geborene Künstlerin malt mit Acryl schnell und in leuchtenden
Farben und bezieht sich dabei auf die präkolumbianische Kunst ebenso wie
auf den deutschen Expressionismus und den Kubismus. Gleichzeitig sind die
grenzüberschreitenden Bezüge zum Medium der Telenovela überdeutlich – so
wie ihre Kompositionen mit den in häuslicher Umgebung gezeigten, stets
etwas plumpen, aber farbenfrohen Figuren Mikrogeschichten von Liebesverrat,
Seitensprüngen, aber auch rassistischer Verachtung und Dummheit erzählen.
Natürlich ist es ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen,
eine Ausstellung mit gleich 15 durchgängig interessanten und komplexen
Positionen zu besprechen. Da hilft da nur ein entschiedenes – wenn auch
nicht wirklich begründbares – Weglassen. Lediglich Shira Orions 15minütiges
Video „Sparato In Mezzo“ sei hier noch erwähnt. Es basiert recht frei auf
einer Kurzgeschichte von Natalia Ginzburg, wobei sie nun in der Gegenwart
der Stadt Haifa spielt, dem Geburtsort der 1993 geborenen Medienkünstlerin
und Filmemacherin.
Der spannend anzusehende experimentelle Kurzfilm zeigt einen gescheiterten
Versuch weiblicher Emanzipation, indem dokumentarische wie inszenierte
Alltagszenen unterschiedlichster Art mit Zeichnungen, Fotografien und
digital bearbeiteten Drucken montiert werden. Dazu kommen ein hölzernes
Kamel und expressiv-narrative Grafiken, die teils im Eingang zum Hof
hängen.
## In der Endlosschleife
Alle Professionalisierung hilft freilich nicht gegen den Umstand, dass die
Künstlerinnen die Kinder bekommen und nicht die Künstler. Die haben zwar
Kinder, aber betreuen sie nicht. Sie machen Kunst. Deswegen vergibt der
Kunstfonds Bonn sein „Stipendium für bildende Künstler*innen mit Kindern
unter 7 Jahren“ auch lieber an Künstler als an Künstlerinnen. Bei letzteren
gelten Kinder nicht als ein Asset wie man heute sagt, sie sind keine
positive, der Karriere förderliche Ressource. Die aktuelle Ausstellung im
[2][Projektraum der Alten Feuerwache Friedrichshain] benennt den wunden
Punkt der Künstlerinnenmütter im Titel: „We care. Do you?“.
Immer wieder sehen sich kunstschaffende Mütter mit dem Vorurteil
konfrontiert, Sorge- und kreative Arbeit schlössen einander aus. Dieses
Vorteil ganz pragmatisch abzubauen, dabei hilft nun der zeitgenössische
Kunstbetrieb mit seinen wenig familienfreundlichen Strukturen – man denke
nur an den Mangel von familienfreundlichen Förder- und Residenzprogrammen –
überhaupt nicht. Das Thema Care und Kunstproduktion ist die große
Leerstelle im Kunstdiskurs wie Ines Doleschal deutlich macht, indem sie
Irena Jukić Pranjić, Magdalena Kallenberger, Rachel Kohn, Teresa Monfared &
BeyondRe:Production, Alice Münch, Christina Stark, Ellen Louise Weise und
sich selbst mit der von ihr konzipierten Schau diesen Diskurs- und
Reflexionsraum eröffnet.
Jede der acht Künstlerinnen visualisiert auf ihre Weise die schwierige
Situation. Rachel Kohn hängt ganz lapidar unterschiedliche Wischlappen und
auch mal einen gehäkelten Topflappen an die Wand. Freilich als die für sie
typische Keramikarbeit: die Putzlappen als skulpturales Poem. Christina
Stark vergibt mit „solidary WE“ ein Atelierstipendium an eine Künstlerin
mit Kind. Irena Jukić Pranjić zeigt weibliche Care-Arbeit als endlose
Reproduktionsschleife im wunderbar idealtypisch gezeichneten
Fake-Videospiel „Gamer Girl“. Die Protagonistin gewinnt das Spiel, in dem
Moment, in dem das ganze Leben und die ganze Person von der Care-Arbeit
verschlungen werden.
Den analytisch-kritischen Blick auf den Status quo hat auch Ines Doleschal
in ihren Arbeiten, in denen sie sachlich foto-/grafische Bildkonstruktionen
mit Statistiken, Forschungsresümees und Manifesten zu anregenden
Denkbildern collagiert. „Kräftemessen“ nennt Magdalena Kallenberger das
Foto, das sie und ihren kleinen Sohn spielerisch Ringen in einer
dunkelgrauen Felsmasse zeigt. Auch die dreiteilige Fotoarbeit „Me and the
Boy“, mit ihren Verrenkungen, um dem Jungen den Blick über einen hohen
Bretterzaun zu ermöglichen, ist eine schöne Ohne-Worte-Geschichte
mütterlicher Aufopferung.
In den darstellenden Künsten schließlich scheint die Situation etwas
ermutigender zu sein, wie die Video-Interviews in „Beyond Re:Production“
von Teresa Monfared und Lotte Dohmen zeigen. „Komm mit mir ans Schauspiel
Bremen“, sagt die Lehrerin zur Absolventin. „Du darfst so viele Kinder
haben, wie du willst“. Die Offenheit mag daran liegen, dass hier Teamarbeit
die Regel ist und nicht das einsame Künstlergenie in seinem Atelier –
allenfalls umgeben von beflissenen zu Diensten stehenden Assistenten.
28 Oct 2023
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