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Bogota taz | Kolumbiens Präsident Gustavo Petro steht unter Druck. Gerade
hat sein Sohn [1][Nicolás über Petros illegale Wahlkampffinanzierung
ausgesagt, um selbst eine Strafmilderung zu bekommen]. Das befeuert die
ohnehin schon seit Monaten laufende Dauerfehde mit den traditionellen
Medien.
Kein Tag vergeht, an dem die Regierung nicht Halbwahrheiten und
Desinformationen ausräumen muss. „Wir haben die mediale Berichterstattung,
die Tweets und Kommentare in den sozialen Medien in den letzten Monaten
ausgewertet und glauben, dass es eine Kampagne gegen die Regierung gibt“,
meint der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz vom Pacto Histórico, der
Regierungspartei.
„60 Millionen negative Berichte, Meldungen, Tweets und Kommentare haben wir
in einem Monat registriert – 2 Millionen pro Tag“, berichtet der ehemalige
Menschenrechtsanwalt. Er könne sich nicht vorstellen, dass das noch Zufall
ist.
Die Desinformation zeigt ihre Wirkung: Das Vertrauen in die Regierung geht
laut Umfragen zurück. Selbst die Anhänger der Regierung, die sich
mehrheitlich in der einfachen Bevölkerung finden, rücken zumindest partiell
frustriert ab. Das ist typisch in Kolumbien, wo die Bindung zu Parteien und
Politiker:innen eher locker geknüpft sind, so Carlos Ojeda von der
Menschenrechtsorganisation Fasol.
## Große Medien spielen relevante Rolle
Dabei spielen die großen Medien, die Fernsehsender Caracol und RCN, die
Tageszeitungen El Tiempo oder die Wochenzeitung Semana eine wichtige Rolle,
so Jonathan Bock, Direktor der Stiftung für die [2][Pressefreiheit] (Flip).
„Die Medienkonzentration in den Händen von Firmenholdings, hinter denen
einflussreiche Familien stehen, ist ein Problem in Kolumbien. Das führt
unserer Analyse zur Folge dazu, dass Erfolge der Regierung, aber auch die
Auseinandersetzung mit sinnvollen Reformen wie der Justiz und des
Strafvollzugssystems zu kurz kommen.“
Reportagen über die Situation in den Haftanstalten, wo laut der
vorliegenden Gesetzesvorlage für die Justizreform mehr auf Resozialisierung
und weniger auf hohe Strafen gesetzt werden soll, fänden sich kaum in den
großen Medien, so Bock.
Allerdings gäbe es in Kolumbien kaum empirische Auswertung der
Berichterstattung und keine Kontrollsysteme, die einer objektiven
Berichterstattung verpflichtet sind, moniert der 43-jährige Journalist.
Zudem sei die Medienpräsenz in vielen Konfliktregionen des Landes kaum
gewährleistet. Ein Beispiel ist das Departamento Putumayo: „Da haben
vierzig Journalist:innen die Berichterstattung über den bewaffneten
Konflikt eingestellt. Sie wollen in dem Konflikt nicht weiter
instrumentalisiert und bedroht werden.“ 67 Morddrohungen gegen Journalisten
seien landesweit bis Anfang Juli eingegangen, im Jahr 2022 waren es 217.
## Fehler in der Kommunikationsstrategie?
Dieser Realität will die Regierung von Gustavo Petro mehr Förderung
kommunaler Radios und auch alternativer digitaler Medien entgegensetzen.
Das ist positiv aus Perspektive der Flip, die für mehr Medienvielfalt
eintritt und auf die steigende Dichte neuer digitaler Medien in der Region
hinweist.
Engagierte, investigative Medien wie Vorágine, Cuestión Pública oder La
Silla Vacía sind dafür Beispiele. Direkte Finanzierung vonseiten des Staats
lehnt Laila Abu Shihab von Vorágine kategorisch ab. „Unsere Unabhängigkeit
ist ein heiliges Gut“, erklärt die Mitgründerin des kritischen
Online-Mediums. Maßnahmen zur Stärkung der Medienvielfalt fände Abu Shihab
jedoch positiv.
Der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz sieht zudem „etliche Fehler“ in der
Kommunikationsstrategie der Regierung: „Wir müssen unsere Erfolge wie die
Steuerreform oder den Waffenstillstand mit der Guerilla der ELN besser
vermitteln, Reforminitiativen in Arbeitsrecht, Gesundheits- und
Rentensystem klarer kommunizieren.“ Zu spät sei die Ernennung des neuen
Direktoriumsduos bei dem staatlichen Sender RTVC erfolgt, eine
Angelegenheit, die eigentlich zeitnah zum Regierungswechsel erledigt wird.
Doch erst ganze neun Monate nach Amtsantritt von Gustavo Petro wurde die
neue Senderführung bekannt: Norida Rodríguez, Anwältin und Schauspielerin,
und Hollman Morris, TV-Journalist, mit zahlreichen Dokumentationen über
soziale Brennpunkte des Landes.
20 Aug 2023
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