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Hamburg taz | Die Burschenschaft Normannia will sich neu erfinden – und
prescht mit einer Namensänderung vor. „Burschenschaft Cimbria“ soll sie
künftig heißen. Die Normannia ist auf einer Identitätssuche, will sich vom
eigenen Rechtsextremismus zumindest entfernen.
Die Deutsche Burschenschaft (DB), den Dachverband, sollen die Heidelberger
bereits verlassen haben. Schon an der Verbandstagung der DB im September
wird der Altherrenverband der schlagenden Verbindung nicht mehr teilnehmen.
Interne E-Mails deuten an, dass der Druck aus zivilgesellschaftlichem
Engagement und antifaschistischen Interventionen einiges losgetreten hat.
Die E-Mails, die die Autonome Antifa Freiburg einordnete, spiegeln die
Sorge vor weiterem Bekanntwerden von internen Diskussionen wider.
Die angestrebte Trennung von der DB gehört zur politischen
Distanzierungsstrategie. Vor über zehn Jahren löste ein Antrag der Alten
Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn einen bis heute nachhallenden
Streit aus. Auf dem Burschentag der DB 2011 wollte sie festlegen lassen,
dass [1][nur Männer deutscher Abstammung] Mitglied einer Burschenschaft der
DB werden dürften. Nicht bloß sie störte damals, dass ein Mitglied bei der
Burschenschaft Hansea zu Mannheim mitwirkte, das zwar in Mannheim geboren
war, doch chinesische Eltern hat.
## Antisemitische Gewalttat durch Normannia 2020
2020 fiel die Normannia selbst mit einschlägigem Verhalten auf. Einige
Studierende hatten in jenem Sommer in ihrem Haus einen Aktiven der
Landsmannschaft Afrania als vermeintlichen Juden ausgemacht und mit Gürteln
verprügelt. Sie nannten den 25-Jährigen „Drecksjude“ oder „Judensau“ und
bewarfen ihn mit Münzgeld ([2][die taz berichtete]).
Als Reaktion warfen die Alten Herren, die beruflich tätig sind oder
verrentet, ihre Aktiven aus der Burschenschaft. Anschließend versuchte die
Heidelberger Verbindung, ihre Alten Herren auf eine neue Linie
einzuschwören. Am 6. März 2021 standen unter Punkt 4.1 und 4.2
entsprechende Anträge auf der Tagesordnung zu einem „Generalconvent und
einem Altherrenconvent“. Wer 4.1 nicht zustimme, der müsse aus der
Burschenschaft austreten, hieß es dort.
In den Leitlinien sollte festgelegt werden, dass die Normannia sich „zum
kulturellen Erbe des deutschen Volkes und zum Selbstbestimmungsrecht der
Völker“ weiterhin bekenne, jedoch „jeden Extremismus“ von „links und
rechts“ ablehne und die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz
beobachteten Vereinigung nicht tragbar wäre. Die Alten Herren sollten
unterzeichnen, sich der „Verbrechen des Nationalsozialismus“ bewusst zu
sein und sich zu „der daraus resultierenden besonderen Verantwortung
Deutschlands für die Opfer“ zu bekennen.
## Umbenennen statt aufarbeiten
Aus den E-Mails wird eines sofort klar: Ein Stellungskrieg zwischen
Pragmatismus und Fundamentalismus beginnt. So beklagt Ingo S.: „Der Terror
der NS-Herrschaft ist bei weitem nicht einzig auf dieser Welt, der Terror
hat viele grausame Facetten. Jedoch wird noch immer für die jetzt in
Deutschland lebende Urbevölkerung der Schuldkult aufrechterhalten.“ Und:
„Wir sollen wohl ewig im Staub krauchen.“ Ähnliche Kommentare werden mit
langen Hinweisen auf die rechten Vorfälle gekontert. So breitet Gunnar H.
aus: „Wie weltfremd muss man eigentlich sein, um die Straftaten und
Gewaltexzesse unserer ehemaligen Aktiven komplett zu ignorieren? Unsere
Aktiven haben in den letzten Semestern eine Spur der Verwüstung in
Heidelberg hinterlassen.“
Der antisemitische Vorfall vom August 2020 endete 2022 vor dem Amtsgericht
Heidelberg. Das Gericht verurteilte erstinstanzlich drei Burschenschafter
wegen gefährlicher Körperverletzung. Laut einem Zeugen wollte die Normannia
den Prozess mit einem Fechtangebot – einer „Pro Patria Suite“ – verhindern.
Die Leitlinien unterschrieb auch Christian Wirth,
AfD-Bundestagsabgeordneter, nicht. Er empörte sich gegenüber seinen „lieben
Bundesbrüdern“: „Gerade die AfD soll wie seinerzeit die Republikaner
mithilfe des Verfassungsschutzes kriminalisiert werden. Das diesem
unsäglichen Treiben im vorauseilendem Gehorsam durch eine solche Erklärung
Vorschub geleistet wird, kann ich als Burschenschafter in 3. Generation
nicht unterstützen.“
Dem Scheitern der Aufarbeitung folgt nun die Umbenennung. Ihre Namenswahl
Cimbria könnte ihrer Intention allerdings zuwiderlaufen. Die antike
Beschreibung der Kimber – wie die Bewohner des alten Cimbria auch
bezeichnet werden – prägte das Klischee vom wilden, großen und blonden
Volk.
2 Jul 2023
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