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Sah ganz gut aus, was die neue deutsche Meisterin im Mehrkampf, Elisabeth
Seitz, sowie die platzierten Emma Malewski und Pauline Schäfer-Betz am
Donnerstag in Düsseldorf zeigten. Die deutschen Meisterschaften („The
Finals“) sind für die Turnerinnen allerdings eher Auftakt als Finale,
nämlich Auftakt der konkreten Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im
Herbst, die letzte Chance auf eine Olympiaqualifikation als Team.
Die ist das erklärte Ziel des Deutschen Turner-Bundes, der als Reaktionen
auf zahlreiche Schilderungen missbräuchlicher Trainingspraktiken einen
Kulturwandel unter [1][dem Motto „Leistung mit Respekt“ ins Leben gerufen]
und folgende Maxime ausgegeben hat: „Der gesamte Trainingsprozess und die
Rahmenbedingungen sind ausgerichtet auf das Ziel, international
konkurrenzfähig und erfolgreich zu sein, unter Berücksichtigung, dass vom
Beginn bis zum Ende der aktiven Karriere das Kindeswohl, die
Persönlichkeitsrechte und eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung der
Athlet*innen jederzeit gewährleistet sind.“
Mitspracherecht der Athletinnen und Training auf Augenhöhe statt
Erniedrigungen, statt eines Trainings unter Schmerzmedikamenten und statt
hallenöffentlich aushängender Gewichtstabellen.
Der im vergangenen Jahr verpflichtete [2][Niederländer Gerben Wiersma] ist
überzeugt, dass Erfolg und Respekt vereinbar sind. Sich mit den Athletinnen
auf ein gemeinsames Ziel verständigen, hart daran arbeiten, sich als
Trainer permanent hinterfragen und „brutal ehrlich“ sein – so seine Devise.
Nach dem schwachen Auftritt bei der EM im Frühjahr ließ Wiersma dann auch
kaum Zweifel daran, dass es aus seiner Sicht hier und da an der täglichen
harten Arbeit im Vorfeld gemangelt hatte.
## Übungen sind zu einfach
Seine Analyse der internationalen Konkurrenz ist ziemlich eindeutig: Mit
der EM-Leistung wird die Olympiaqualifikation nicht gelingen. Das größte
Problem ist: Die Übungen sind zu einfach, das Zauberwort lautet
„aufstocken“, höhere D-Noten, also Schwierigkeitswerte.
„Ich erwarte von ihnen höhere D-Noten und eine bessere Vorbereitung“, sagte
er vor den nationalen Titelkämpfen mit Blick auf den Saisonhöhepunkt im
Oktober. Das Potenzial sei zweifelsohne vorhanden, es müsse halt
ausgeschöpft werden. Dass mehr Mitsprache und Augenhöhe auch mehr
Eigenverantwortung bedeuten, ist für viele Turnerinnen eine neue Erfahrung
– und offenbar auch eine Herausforderung. „Leistung mit Respekt“ werde
mittlerweile als Totschlagargument benutzt, hatte Junioren-Bundestrainerin
Claudia Schunk Anfang des Jahres berichtet – eben als Vorwand oder Ausrede,
um weniger zu trainieren.
Manch einer sagt, die Trainergemeinde sei massiv verunsichert: Sie wüssten
nicht mehr, was sie sagen oder tun dürften. Hier werden Argumente auf
seltsame Art und Weise vermengt, mit dem Ergebnis, dass die Grenze zwischen
hartem Training und psychischem Missbrauch komplett verschwimmt. Hardliner
sahen sich jüngst durch die schwachen EM-Ergebnisse sogar bestätigt. Die
„Turnen ist kein Ponyhof“-Fraktion hat wenig Interesse am Kulturwandel und
ist gleichzeitig überzeugt zu wissen, wie man erfolgreiche Turnerinnen
formt – so hat das ja schließlich früher auch geklappt.
Der Deutsche Turner-Bund hat sich dem Kulturwandel verschrieben und
versucht damit im Grunde lediglich, einen längst vollzogenen
gesellschaftlichen Wandel in die Blase des Hochleistungssports
hineinzuholen. Wie ernst er es damit meint, wird sich herausstellen, falls
der internationale Erfolg ausbleibt, schließlich zahlt der Deutsche
Olympische Sportbund (DOSB) weiterhin für Medaillen, nicht für eine gesunde
Persönlichkeitsentwicklung.
8 Jul 2023
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