# taz.de -- Feministische Kunst in Karlsruhe: Letzter Aufruf für die Engel

> Ihre feministische Videokunst speist sich immer auch aus dem
> Alltäglichen. Das ZKM widmet der 80-jährigen Ulrike Rosenbach eine
> Retrospektive.
Eine Sägemaschine heult auf, aufgerissene Salzsäcke stehen im Raum. Die
Vorbereitungen der bislang größten Retrospektive der Videokunstpionierin
Ulrike Rosenbach sind im vollen Gange. Was es denn mit dem Salz auf sich
habe, möchte ich von der Künstlerin wissen. Fast alle ihre im Karlsruher
Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) gezeigten Video-Installationen stehen
auf einer Salzinsel, etwa ihre Arbeit „Reflexionen über die Geburt der
Venus“ von 1976/78. „Im Prinzip hat es mit dem Meersalz zu tun, mit der aus
der See geborenen Venus, wie sie in der Muschel an den Strand reitet“,
bekomme ich als Antwort. Das habe sie dann beibehalten, weil Salzkristalle
sehr gute Projektionsflächen für Video oder Dias seien. „Das reflektiert
total gut.“

Also keine tiefere Bedeutung? In den „Reflexionen“ überblendet Ulrike
Rosenbach die Venus-Darstellung von Sandro Botticelli mit ihrem Körper,
wobei sie sich langsam dreht. Plötzlich verdüstert sich das Bild,
Aphrodite-Venus verschwindet. Der Effekt ist keine digitale Zauberei. Die
Künstlerin trägt ein enganliegendes Trikot, das vorne weiß und hinten
schwarz ist. Spielt sie auf Tag und Nacht an oder handelt es sich hier um
einen ironischen Akt feministischer Sabotage? Offenbar um beides. Ulrike
Rosenbach arbeitet recherchebasiert, stellt Zeitungsausschnitte aus, etwa
eine Aufnahme, die das Botticelli-Gemälde als Deko eines Pelzgeschäfts
zeigt.

Damals war Ulrike Rosenbach bereits mehrfach in den USA gewesen und hatte
am California Institute of Arts (CalArts), Valencia, gearbeitet. Nach ihrer
Rückkehr nach Köln gründete sie nach US-Beispiel den Nachbarschaftssender
ATV, um ihre Videoarbeiten lokal verbreiten zu können. Die [1][Region Köln
und Düsseldorf entwickelte sich damals zum Zentrum zeitgenössischer Kunst]
in Deutschland.

Ihre Video-Liveaktion „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“
performte Ulrike Rosenbach 1976 in Paris. In der Karlsruher Schau sind ihr
schwerer Bogen und die Pfeile ausgestellt, auch die Zielscheibe, auf die
eine vergrößerte Aufnahme der Lochner-Madonna aus dem 15. Jahrhundert
geklebt ist. Die Relikte zeigen, was in dem auf einem kleinen Monitor
laufenden Video nicht zu erkennen ist: das Gesicht der Madonna mit dem
konzentrierten Gesichtsausdruck der zielenden Amazone überblendet. Es
betont die sich wiederholenden Momente der Aktion, des Handelns, auch der
Selbstbefragung.

Die Schau bietet viele Gelegenheiten, sich auf ein Werk einzulassen, das
sich nicht in den Schlagworten Videokunst und Feminismus erschöpft. Ihre
subversive Seite etwa verkörpert „Art is a criminal action (Elvis III)“ von
1969. Damals setzte Rosenbach ihr Porträt in einen Siebdruck von Andy
Warhol, der den seriell vervielfältigten Elvis Presley als Revolverheld
zeigt. Sie eignete sich damit nicht nur das Werk eines Stars der
internationalen Kunstszene an, sondern platzierte eine Frau in
kämpferischer Pose ins Bild.

Aus jener Zeit stammen auch die Hauben-und-Kragen-Skulpturen der Studentin
Rosenbach. Die mit feiner Gaze bespannten Drahtkonstruktionen passen auf
den Kopf, auf die Schultern der Künstlerin. Das Alltagsmotiv ist im Werk
von Ulrike Rosenbach von Beginn an da, ebenso die kulturhistorische
Perspektive, denn Hauben verwiesen auf den sozialen Status einer Frau.
Solche Bildwelten mitzudenken, sei in den USA üblicher gewesen, sagt Ulrike
Rosenbach. „In Deutschland hatten wir eine Frauenbewegung, die sehr
politisch und links orientiert war. Das, was ich gemacht habe, mit dem
Background des Alltäglichen, das gab es eher in den USA.“

Das klingt nach einem homogenen Weg ohne überraschende Wendungen. Die gab
es aber auch. Nach einer persönlichen Krise beginnt Rosenbach ihre Themen
anzugehen, deren Vielstimmigkeit schwer zu fassen ist. Die
Video-Installation „Schlacht der Bäume“ von 1989/91 konfrontiert mit
zersplitterten, traumhaften Sequenzen. Eine Collage aus Schlachtszenen,
sich im Wind wiegender Baumkronen und Aufnahmen einer Frau mit Schlafmaske
ist auf die Wand projiziert. Davor hängen Herzpendel über einem
Salzteppich. Aus dem Off erklingt eine Rezitation einer keltischen Ballade,
die auf den Archetypus des Kampfes anspielt.

Solche ins Übersinnliche verweisende Arbeiten scheinen meilenweit entfernt
von dem zu sein, was Rosenbach als junge Mutter Anfang der 1970er Jahre zu
Hause mit ihrer beim Versandhaus Quelle erworbenen ersten Videoausrüstung
produzierte. Mehr als zwanzig dieser Bänder sind in der 120 Werke
umfassenden Schau zu sehen. „Der Muff und das Mädchen“, oder „Bindenmaske“
zeigen, wie weibliche Körper stillgelegt werden, thematisieren die Frauen-
und Mutterrolle. „Meine Performances habe ich immer aus der
autobiografischen Linie mitgespeist“, sagt Ulrike Rosenbach.

Die Retrospektive mit dem Untertitel „heute ist morgen“ legt offen, wie die
Künstlerin [2][über mehr als fünf Jahrzehnte kulturell geprägte Bilder
zitiert und überschreibt]. Bis heute hat die 80-Jährige ihren Witz nicht
verloren. Gegen Ende des Rundgangs grüßt eine leichtfüßige Figur – nicht
mehr als ein schwarzer Schattenriss – herüber. „Last Call for Angels“
lautet die Ansage.

26 Jun 2023

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## AUTOREN
Carmela Thiele
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